Jens Keller wirkte in der Partie gegen PAOK Saloniki häufiger ratlos angesichts der Leistung seiner Mannschaft
Jens Keller wirkte in der Partie gegen PAOK Saloniki häufiger ratlos angesichts der Leistung seiner Mannschaft

Schalke mit verblüffenden Analysen

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Gelsenkirchen - 73 Minuten hatte Jens Keller an der Seitenlinie gestikuliert, dirigiert und seiner Mannschaft applaudiert. Jetzt stand er plötzlich still da, mit hängenden Schultern, die Hände tief in die Taschen vergraben. Das Ausgleichstor von PAOK zum 1:1-Endstand hatte Schalkes Trainer sichtlich konsterniert (Spielbericht). Einen Schritt hinaus aus der Krise sieht Keller trotzdem - und auch seine Spieler klangen nach der Partie erstaunlich zufrieden.

Überraschend viel Lob für den ersten Durchgang

Der sonst so ruhige Benedikt Höwedes wirkte fast resolut, als er sein Fazit des Playoff-Hinspiels um den Einzug in die Champions League im Interview gegen kritische Nachfragen verteidigte. "Ich habe viele positive Ansätze gesehen. Ich lasse mir das Spiel nicht schlecht reden."



Vor allem die erste Halbzeit lobten Trainer, Kapitän und Mitspieler fast schon überschwänglich. Jens Keller hatte viele gute Aktionen gesehen: "Die Jungs sind aggressiv angelaufen, haben viele Bälle in der gegnerischen Hälfte erobert." Julian Draxler pries das variable Offensivspiel: "Vor allem in der ersten Halbzeit wussten die Griechen nicht so recht, um wen sie sich eigentlich kümmern sollen." Und Höwedes schließlich hob die Defensivleistung hervor, die zuletzt dank steter Unkonzentriertheit und Nachlässigkeiten das große Schalker Sorgenkind war: "Wir haben nicht viel zugelassen, die Griechen hatten in den ersten 45 Minuten keinen einzigen Torschuss."

Das ist so zwar fast korrekt, resultierte aber nicht unbedingt aus einer starken Defensivleistung der Schalker. Die war gar nicht nötig, weil PAOK kaum Druck entwickelte, sich immer wieder Fehler im Aufbauspiel leistete und technisch einige Mängel offenbarte. Eher musste man im Laufe der ersten Spielhälfte Angst haben, dass Timo Hildebrand im Schalker Tor langweilig wurde, so weit vor seinem Gehäuse spielte sich das Geschehen zumeist ab.

Leistungseinbruch in Halbzeit zwei



Auf der anderen Seite muss sich Schalke aber den Vorwurf gefallen lassen, aus der Passivität der Griechen kaum Kapital geschlagen zu haben. 70 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit - am Ende waren es immer noch stolze 64 Prozent - sagen eben noch gar nichts aus über die Torgefahr. Für zwingende Chancen gegen tief und kompakt verteidigende Gäste aber hätte es noch mehr Tempo und mehr Kreativität bedurft. Oft fehlte der finale Pass oder "die letzte Konsequenz", wie es Hildebrand formulierte. Fünf Schüsse auf das Tor von Saloniki und der Treffer durch Jefferson Farfan waren alles andere als eine offensive Offenbarung.

Was aber noch viel schwerer wiegt: Schalke konnte oder wollte an die Leistung der ersten 45 Minuten nach der Pause nicht mehr anknüpfen und büßte damit auch die zweifellos vorhandene Überlegenheit auf dem Platz ein. "Alle haben dann wieder ein, zwei Prozent weniger gegeben und das ist sofort spürbar. Wir warten an manchen Stellen zu viel ab, statt den Gegner weiter unter Druck zu setzen", ärgerte sich Julian Draxler. Auch Sportdirektor Horst Heldt hatte für diese Phase wenig Verständnis: "Wir wollten die Führung zu sehr verwalten."

Eigene Fehler einstellen



Schalkes Passivität war die Aufbauhilfe für PAOK, das durch eine schöne Aktion von Miroslav Stoch auch prompt den Ausgleich erzielte. Ein Tor mit Ansage und ein altbekanntes Schalker Problem: Stoch wurde nicht angegriffen und konnte beherzt abziehen. "Ein blödes Gegentor, absolut vermeidbar", musste auch Höwedes eingestehen. "Da stehen wir schlecht und attackieren den Gegenspieler zwanzig Meter vor dem Tor nicht. Das müssen wir abstellen."

Und das möglichst schnell, sonst könnte Schalkes Stotterstart in die Saison zu einer handfesten Krise werden. Denn nach dem Remis gegen PAOK ist der angestrebte Einzug in die lukrative Gruppenphase der Champions League in akuter Gefahr. Was bleibt, ist vor allem das Prinzip Hoffnung, wenn die "Königsblauen" schon am kommende Dienstag zum Rückspiel in Griechenland antreten müssen.

Vielleicht begleitet die Schalker aber tatsächlich auch eine gewisse innere Überzeugung, die sie nach dem erneuten Rückschlag zumindest verbal an den Tag legten. Jens Keller jedenfalls zeigte sich sicher, dass "wir genügend Qualität in der Offensive haben, um auswärts immer ein oder zwei Tore zu schießen". Und Horst Heldt gab fast trotzig zu Protokoll, dass "PAOK zwar weiterhin nichts zu verlieren hat. Aber wir werden weiterkommen."

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte