Reus brilliert: "Man sieht, was er für eine Granate er ist"
Dortmund - Die dritte Halbzeit fiel Marco Reus sichtlich schwerer als die neunzig Minuten auf dem Platz. Erst hatte er den BVB mit scheinbarer Leichtigkeit zum über seinen Ex-Club aus Mönchengladbach geführt und den Dortmundern damit genau diese zurückgebracht. Dann musste er vor fast jedem Mikrofon Rede und Antwort stehen.
Weltklasse-Tor, verhaltener Jubel
Den Interview-Marathon absolvierte Reus leise, ruhig und schüchtern - ein krasser Gegensatz zu dem, was der Neuzugang zuvor auf den Rasen gezaubert hatte. Da war der 23-Jährige mit seinem bislang besten Auftritt in Schwarz-Gelb förmlich explodiert, nachdem zuletzt bei im wie bei seinem Verein nicht alles optimal gelaufen war.
Reus lieferte einen Beweis für seine unvergleichliche Symbiose aus Schnelligkeit, Technik, Spielverständnis und Abschlussstärke. "Man hat wieder gesehen, was für eine Granate er ist. Marco hat dieses Mal den Unterschied ausgemacht", brachte es Neven Subotic auf den Punkt.
Den besonderen Druck, den andere Spieler vielleicht verspüren, wenn im Duell gegen den Ex-Verein alle Augen auf sie gerichtet sind, diesen Druck merkte man Reus in keiner Phase an. Er krönte seine Leistung mit einem Doppelpack: Erst der Sololauf samt Beinschuss für Marc-Andre ter Stegen zur Dortmunder Führung. "Danach kam unser Selbstvertrauen zurück", wusste auch der Fußballer des Jahres um den besonderen Wert dieses Treffers.
Später legte Reus aus halbrechter Position in den Winkel ein "Weltklassetor" nach, wie Jürgen Klopp mir breitem Grinsen anerkennend feststellte. Gejubelt wurde nur verhalten - "eine Geste des Respekts, weil ich eine schöne Zeit in Gladbach hatte", wie der Torschütze fast schon verlegen erklärte.
Defensive steht wieder
Nach dem Führungstor "haben wir das Spiel bis zum Schluss dominiert", wie Ilkay Gündogan zufrieden bemerkte. Dass man dabei das Ergebnis auf einen satten 5:0-Endstand ausbaute, registrierten Trainer und Spieler hochzufrieden und nicht ohne Selbstkritik. "Dass wir in der Offensive so viel Potenzial haben, dass wir immer zu unseren Chancen kommen, ist klar. Neu ist aber, dass wir auch so viele nutzen wie gegen Gladbach", meinte Marcel Schmelzer.
Der Linksverteidiger hatte defensiv wie auch seine Nebenleute dieses Mal keine großen Probleme und sorgte dafür, dass die Null an der richtigen Stelle stand. Auch das war nach den beiden Auswärtsspielen mit sechs Gegentreffern wieder neu. "Wir haben hoch und gut verteidigt", lobte Klopp. Der BVB agierte deutlich disziplinierter und damit auch kompakter. "Wir haben viel weniger Fehler gemacht, in der zweiten Halbzeit kontrolliert gespielt und hatten mehr Ballbesitz. Es war sicher ein Schritt nach vorne", war auch Reus mit der Defensivleistung zufrieden.
Dabei hatte man den Dortmundern eine gewisse Unsicherheit in der ersten halben Stunde noch angemerkt. "Da hat man gesehen, dass die Diskussionen der vergangenen Tage durchaus Spuren hinterlassen hatten. Die Leichtigkeit war nicht mehr da", gab Jürgen Klopp zu. "Wir mussten uns in das Spiel erst hineinarbeiten. Es war wichtig, dass wir eine Reaktion zeigen - das haben wir getan."
Bayern? Interessiert Klopp "Absolut null"
Mats Hummels ordnete den Spielverlauf ähnlich ein: "Zu Beginn hatten wir noch nicht wieder dieses Urvertrauen, mit dem wir normalerweise spielen. Nach Marcos Tor haben wir wieder ein ganz anderes Gesicht gezeigt." Eindeutige Botschaft: Zweifel waren gestern, jetzt sind Selbstbewusstsein und Leichtigkeit zurück.
Dass die Bayern an der Spitze schon auf sieben Punkte einteilt sind, interessiert nicht nur Klopp "absolut null". Und vielleicht beruhigt auch ein Blick auf die Statistik so manchen BVB-Fan. Im Vorjahr waren die Bayern nach sechs Spieltagen bereits acht Zähler vor den Borussen, die damals wiederum ab Spieltag sieben ungeschlagen durch die Liga marschierten - das Ende ist bekannt.
Am Mittwoch wartet City
Beim BVB spricht man in diesen Tagen nicht über die Bayern, wohl aber über ein fußballerisches Schwergewicht aus England. Am Mittwoch gastiert der Deutsche Meister in der Champions League beim englischen Titelträger Manchester City. Und darauf hat nicht nur der Trainer "richtig große Lust".
Auch den Spielern fiel es nach dem Gala-Auftritt gegen Gladbach nicht schwer, mit neuem Selbstvertrauen auf Europa-Modus umzuschalten. Subotic: "Das ist die ganz große Bühne. Natürlich freue ich mich darauf. Schließlich will ich mich mit den Besten der Welt messen." Und auch Reus wartet ja noch darauf, seine Europas Elite seine ganze Klasse zu zeigen.
Aus Dortmund berichtet Dietmar Nolte