Rüdiger Vollborn (M.) gewann mit Bayer Leverkusen nicht nur den UEFA-Cup, sondern 1993 auch den DFB-Pokal
Rüdiger Vollborn (M.) gewann mit Bayer Leverkusen nicht nur den UEFA-Cup, sondern 1993 auch den DFB-Pokal

"Rene ist einfach besser als die anderen"

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Rüdiger Vollborn ist seit 1982 bei Bayer Leverkusen. Als Torwart bestritt er 401 Bundesliga-Spiele für den "Werksclub" und hatte 1988 als Elfmeterheld großen Anteil am Gewinn des UEFA-Pokals. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere übernahm Vollborn die Position des Torwarttrainers bei Bayer.

Als er im Januar 2000 im Rahmen eines Trainerlehrgangs bei der U 15 des DFB auf einen gewissen Rene Adler traf, tat er alles, um ihn zur Unterschrift in Leverkusen zu bewegen. "Ich habe den künftigen Nationaltorwart gesehen", sagte er zu seiner Frau nach der ersten Begegung.

Nachdem Adler sechs Monate später schließlich bei Bayer unterschrieb, ging Vollborns Fürsorge sogar so weit, dass er Adler bei sich in seiner Familie aufnahm und ihn wie einen Sohn behandelte.

Im Interview mit bundesliga.de spricht Vollborn über sein Verhältnis zu Adler und dessen Aussichten in der Nationalmannschaft. Außerdem verrät er, unter welchen Umständen der 23-jährige Torhüter einmal Leverkusen verlassen könnte.

bundesliga.de: Herr Vollborn, wie haben Sie, als sein schärfster Kritiker, Rene Adlers Leistung gegen Russland gesehen?

Rüdiger Vollborn: Nicht so euphorisch wie alle anderen. Er hat das abgerufen, was er kann. Ich habe wahrscheinlich mehr gesehen als alle anderen im Stadion. Wir haben auch über die Situationen gesprochen, die mir nicht ganz so gefallen haben, aber das bleibt unter uns. Er hatte einen sehr guten Einstieg, aber ich denke, das war erst der Anfang von dem, was wir in den nächsten Jahren von Rene zu sehen bekommen.

bundesliga.de: Wird sich an seinem Status als Nummer eins noch einmal etwas ändern?

Vollborn: Bei normalem Verlauf kann ich mir das nicht vorstellen.

bundesliga.de: Was hat er, was andere Konkurrenten nicht haben?

Vollborn: Das kann ich im einzelnen nicht sagen. Rene ist einfach besser.

bundesliga.de: Und in welchen Bereichen kann er sich noch verbessern?

Vollborn: (lacht) Das verrate ich nicht.

bundesliga.de: Schade...

Vollborn: Gut, es gibt sicherlich ein paar Kritikpunkte, die ich ihm dann auch sage. Aber Torhüter werden generell erst durch Erfahrung stärker. Er kennt die richtige Antwort auf jede Situation im Spiel, weil wir uns in diversen Trainingseinheiten, auf unzähligen Autofahrten oder in Einzelgesprächen über alle möglichen Situationen unterhalten haben. Rene hat die Antworten relativ schnell verinnerlicht, er muss sie nur abrufen. Und das automatische Abrufen erfolgt durch Wiederholungen, was nur durch Erfahrung im Spiel gewährleistet werden kann.

bundesliga.de: Wie beurteilen Sie die damalige Maßnahme, Rene Adler als Torwart Nummer drei zur EURO 2008 mitzunehmen?

Vollborn: Das war sehr geschickt von Joachim Löw, Hansi Flick und Andreas Köpke. Die Medien hätten Rene ja am liebsten als Nummer eins spielen sehen. Aber dass die Trainer von vorneherein gesagt haben, sie nehmen ihn als Nummer drei mit, hat mir persönlich gut in den Kram gepasst.

bundesliga.de: Warum?

Vollborn: Weil er sich so an das Umfeld und die Mitspieler gewöhnen konnte. Er ist als "kleiner Rene" dorthin gefahren und als geachtetes Mannschaftsmitglied zurückgekommen. Da er sein Licht sehr gerne unter den Scheffel stellt und sich kleiner macht, als er ist, tat ihm die Resonanz der anderen Nationalspieler ganz gut. So wusste er, was die anderen von ihm halten und wie sie ihn sehen.

bundesliga.de: Sein Vertrag bei Bayer läuft noch bis 2012. Glauben Sie, dass Leverkusen ihn halten kann, wenn er weiter in dieser Topform spielt?

Vollborn: Derzeit denke ich, dass er noch nicht so weit ist, den Verein zu wechseln. Er hofft ja immer, dass ich mitgehe. Aber da muss er sich mit meiner Familie auseinandersetzen. Dann wäre ein Gehen für ihn wahrscheinlich einfacher. Aber im Moment braucht er mich noch, daher wäre es zu früh, den Club zu verlassen. Eine Situation haben wir noch gar nicht gehabt, von der ich zwar hoffe, dass sie nicht kommt, aber die irgendwann mal anstehen könnte, und da muss ich ihn noch durchboxen. Und wenn das erledigt ist, kann er gehen.

bundesliga.de: Aber diese Situation wollen Sie vermutlich nicht verraten, oder?

Vollborn: Richtig.

bundesliga.de: Wann haben Sie Rene Adler zum ersten Mal getroffen?

Vollborn: Das war Ende Januar 2000, anlässlich eines U-15-DFB-Lehrgangs. Ich habe zu der Zeit den A-Trainerschein gemacht und wurde in diesem Kurs vom DFB-Trainer Jörg Daniel begleitet. Der war selbst früher Torwart und damals für die U 15 zuständig. Am Ende des Trainerlehrgangs hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, seine U-15-Torhüter zu trainieren. Er hätte da einen recht guten, den er mir gerne mal zeigen würde.

bundesliga.de: Und Sie haben zugesagt?

Vollborn: Ja, mein Club hatte nichts dagegen. Allerdings gab es kritische Stimmen, die nicht wollten, dass ein Vereinstorwarttrainer auch gleichzeitig für die DFB-Junioren zuständig ist. Daher ist es dann auch irgendwann eingeschlafen. Ich habe das bis zum Sommer 2000 gemacht, also eigentlich so lange, bis Rene in Leverkusen unterschrieben hatte (lacht).

bundesliga.de: Was ist Ihnen damals besonders aufgefallen?

Vollborn: Seine Ausstrahlung und vor allem seine Sprungkraft. Die war außerordentlich und damals noch größer als heute. Nach dem ersten Training habe ich abends zu meiner Frau gesagt: "Ich habe den künftigen Nationaltorwart gesehen".

bundesliga.de: Wie stolz waren Sie, als er am Samstag gegen Russland sein erstes Länderspiel absolviert hat?

Vollborn: Naja, Stolz. Es war eher ein Mittelding zwischen Stolz und der Sorge, ob mein Junge das auch alles schafft. Auch bei meinen anderen beiden Söhnen bin ich immer nervös, wenn ich sie spielen sehe. Ich bin auch vor jedem Bundesliga-Spiel nervös. Und am Samstag war das natürlich eine besondere Situation: ein Länderspiel gegen einen solch erstklassigen Gegner, in dem es um Einiges ging, das war nicht ganz einfach von der nervlichen Anspannung her. Ich war wahrscheinlich nervöser als Rene selbst, aber am Ende ist es ja gut gegangen.

Das Gespräch führte Denis Huber