Rasen statt Glatteis: Mit Vollgas-Volland ins "Endspiel"
Tel Aviv - Ein dickes Schulterpolster, ein zu großer Schläger und ein schelmisches Lausbuben-Grinsen: Nur noch Kinderfotos erinnern daran, dass die Karriere von U21-Nationalspieler Kevin Volland auch einen ganz anderen Weg hätte nehmen können. "Ich hätte sicher auch fürs Eishockey einiges an Talent mitgebracht", sagt der Vollblut-Fußballer, und es klingt angesichts seiner familiären Vorgeschichte fast schon untertrieben.
Maßgeblicher Anteil am Hoffenheimer "Wunder"
In die Fußstapfen von Vater Andreas trat Volland dann aber doch nicht. Der schaffte es mit dem Puck immerhin bis in die Nationalmannschaft, nahm 1993 an der WM teil und wurde 1994 mit Hedos München deutscher Meister. Auch Kevin wagte sich daher zunächst aufs Eis. "Mit sieben Jahren habe ich mich aber für den Fußball entschieden. Und es bis heute nicht bereut", sagt der 20-Jährige, dem beim "Endspiel" in der Gruppenphase der U21-EM in Israel gegen Titelverteidiger und Topfavortit Spanien (20:30 Uhr) ein Platz in der Startelf winkt. "Der Druck", sagt Volland, "wird nicht weniger. Wir dürfen in dieser Situation nicht verkrampfen."
Mit Druck kennt sich Volland bestens aus. Am wundersamen Klassenerhalt von 1899 Hoffenheim hatte der Allgäuer mit sechs Toren maßgeblichen Anteil. Dass die Entscheidung für den Fußball die richtige war, zeigte spätetens die vergangene Saison. Sein Doppelpack Anfang Februar beim 2:1 gegen Freiburg war die Initialzündung zur Aufholjagd, die in der Relegation gekrönt wurde. "Für den Kopf war das eine hohe Belastung. Umso schöner, dass wir es gepackt haben", sagt Volland, der in allen 34 Saison-Spielen zum Einsatz gekommen war.
Zur deutschen U21 stieß der Torjäger dann auch mit Verspätung, wie seine Teamkollegen Sebastian Rudy und Stefan Thesker reiste Volland ins Trainingslager nach Zypern nach. Dort wurde das Trio von der versammelten Mannschaft mit Applaus empfangen. "Es ist natürlich ein schöneres Gefühl, wenn man zum Turnier fährt und nicht abgestiegen ist. Das gibt einen Schub", sagt der Mann aus Marktoberdorf, dem seine bayerische Herkunft deutlich anzuhören ist.
Genau dort, im Allgäu, begann auch die Karriere des Kevin Volland. Die des Eishockey-Spielers beim EV Füssen, die des Fußballers beim FC Thalhofen. Als die Kufen längst am Nagel hingen, trat er 2007 in die Talentschmiede von 1860 München ein, dem er bis heute verbunden ist. Auch vergangene Saison schaute Volland bei Heimspielen in der Allianz Arena vorbei, den 60-Amateuren wünschte er noch aus Zypern via Facebook "viel Glück im Relegationsspiel. Ihr packt das" - allerdings vergeblich.
Adrion: "Spanien ist verwundbar"
Die EM in Israel begann für Volland allerdings mit einer Enttäuschung: Beim Auftakt gegen die Niederlande (2:3) saß er bis zur Verletzung von Peniel Mlapa nur auf der Bank. "Klar erhofft sich jeder Spieler, dass er von Anfang an spielt. Ich habe gut trainiert, eine gute Saison gespielt. Aber das war die Entscheidung des Trainers und die akzeptiert man", sagt Volland. Immerhin: Nach seiner Einwechslung in der 38. Minute machte er viel Druck, traf die Latte. Gegen Spanien dürfte er auflaufen. Mlapa fällt mit Muskelproblemen für den Rest der EM aus, auch Christoph Moritz fehlt gegen Spanien wegen eines fiebrigen Infekts.
Adrion betonte Trainer Rainer Adrion noch einmal seinen "Respekt vor der Offensivqualität" der Iberer, eine Übermannschaft sei das Team aber nicht: "Sie sind verwundbar, wenn man die Angriffe stoppt und schnell umschaltet. Da gibt es oft Lücken im Mittelfeld. Wenn wir das Gegenpressing ausschalten, dann haben wir eine Chance", so Adrion, der eine Manndeckung für Toptalent Isco (FC Malaga) ausschloss: "Wir werden ihn übergeben, übernehmen, auch bekämpfen. Aber es gibt niemanden, der für Isco abgestellt ist."
"Zerreiße mich für die Mannschaft"
Fest steht dennoch: Die Iberer sind der härteste Brocken in der "Todesgruppe B", die mit Ausnahme von Russland die letzten vier Titelträger stellt. Ebenso wie Deutschland marschierte Spanien ungeschlagen durch die Qualifikation. Zum Auftakt ließ das Team von Trainer Julen Lopetegui (46) einen 1:0-Sieg gegen Russland folgen.
Am Willen von Volland wird es jedenfalls nicht scheitern: "Ich bin vom Naturell her ein Spieler, der Gas gibt, der sich für die Mannschaft zerreißt", betont Volland, der in der U21 so etwas wie Adrions Geheimwaffe ist. Der Linksfuß ist in der Offensive auf fast allen Positionen einsetzbar, ist schnell, wendig, dribbelstark und kann Flanken schlagen. Einzig in der Rückwärtsbewegung lässt sich der ehemalige Kufen-Crack ab und zu noch aufs Glatteis führen.
Die voraussichtliche deutsche Aufstellung: Leno (Bayer Leverkusen) - Jantschke (Borussia Mönchengladbach), Thesker (1899 Hoffenheim), Ginter (SC Freiburg), Sorg (SC Freiburg) - Rudy (1899 Hoffenheim), Rode (Eintracht Frankfurt) - Volland (1899 Hoffenheim), Holtby (Tottenham Hotspur), Herrmann (Borussia Mönchengladbach) - Lasogga (Hertha BSC)