Carsten Schünemann (l.) "zapft" bei Arne Friedrich ein wenig Blut ab
Carsten Schünemann (l.) "zapft" bei Arne Friedrich ein wenig Blut ab

Pfeifen, messen, pieksen!

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Alle 15 Sekunden ertönt ein Pfiff auf der Anlage des "Marbella Paradise of Football & Sports". Ein Pfiff, den die Spieler von Hertha BSC gar nicht gerne hören.

Konditionstrainer Carsten Schünemann hat zum Belastungstest geladen. Nach den anstrengenden ersten Tagen im Trainingslager merken die Spieler ihre Beine schon deutlich.

Alle Daten auf einen Blick

Doch das Pfeifen geht unaufhörlich weiter. 15 Sekunden rennen, 15 Sekunden Pause, 15 Sekunden rennen, 15 Sekunden Pause. Nach drei Mal sechs Minuten ist die Tortur vorbei. Schünemann hat die Spieler mit einem Pulsmessgerät ausgestattet. Mitten auf dem Platz hat er seine Kontrollstation aufgebaut. Auf seinem Laptop kann er von jedem Spieler zu jeder Zeit telemetrisch die Daten abrufen.

"Wenn ich sehe, dass ein Spieler unter der Belastungsgrenze bleibt, dann sage ich ihm, dass er ein bisschen zulegen muss. Wenn er darüber liegt, dann bremse ich ihn natürlich", erklärt Schünemann, der seit dem 1. Juli 2002 für die Fitness der Herthaner zuständig ist.

"Kein Spieler der Welt läuft gerne ohne Ball"

Gebremst werden muss an diesem Tag Josip Simunic. Er gehört einer dritten Gruppe Spieler an, die drei Mal 1.000 Meter absolvieren müssen. Mit ihm laufen noch Andrey Voronin, Amine Chermiti, Lucio und Arne Friedrich, der, als "Gruppenleiter" mit einer Pulsuhr ausgestattet, das Tempo vorgibt.

Nach jedem Lauf misst Schünemann von ausgewählten Spielern mit einem Piekser am Ohrläppchen den Laktatwert. Ohne zu murren nehmen die Kicker diese Prozedur fast schon automatisiert auf sich. Wirklich geliebt wird diese Trainingseinheit nicht. Aber das findet Schünemann auch völlig normal. "Kein Spieler der Welt läuft gerne ohne Ball. Gemault wird immer, aber das kennen wir schon", sagt er.

Favre erinnert sich

Lucien Favre hört das Maulen natürlich auch. Aber er schwört auf die Arbeit von Schünemann. "Die Fitness der Spieler ist sehr wichtig, wenn man auf Spitzenniveau spielen will", erklärt er gegenüber bundesliga.de und gibt ein Beispiel aus seiner Zeit beim FC Zürich.

"Damals gab es nur einen Spieler in der Gruppe A, der Gruppe für die fittesten Spieler. Nach einem halben Jahr waren es schon zwölf und wir waren top", erzählt Favre und macht dabei eine schnelle Handbewegung nach oben. Der Lohn: Zwei Mal in Folge wurde er mit dem FC Schweizer Meister.

Keine Kontrolle

Für Schünemann ist Favre schon der sechste Trainer bei der Hertha. Auch die anderen fünf, wie zum Beispiel Huub Stevens oder Hans Meyer, haben seine Arbeit gerne in Anspruch genommen. "Klar, der eine hat da mehr Augenmerk drauf gelegt, der andere etwas weniger. Aber jeder Coach braucht eine fitte Mannschaft, um erfolgreich zu sein", sagt Schünemann.

Ihm ist es wichtig, dass die Spieler seine Arbeit nicht als Kontrolle verstehen, sondern als Unterstützung. Denn "ein Spieler mit schlechten Werten, kann auch keine optimale Leistung auf dem Platz bringen".

Lob für Frey

Einer der fittesten Spieler, die Schünemann je betreuen durfte, war Dieter Frey von Bayern München. "Der war sowohl in den Sprint- als auch in den Ausdauerwerten spitze", schwärmt der diplomierte Sportwissenschaftler.

Wer derzeit bei den Herthaner in der Rangliste ganz vorne liegt, wollte Schünemann bundesliga.de nicht verraten. "Das bekommen die Spieler in Einzelgesprächen mitgeteilt."
Schünemanns Fazit fällt aber positiv aus: "Ich bin sehr zufrieden. Alle haben super mitgezogen und die Belastung stimmte."

Aus Marbella berichtet Michael Reis