Auch in der Europa League kann Herrmann jubeln. Vier Tore erzielt er für die Borussia auf dem Weg ins Achtelfinale
Auch in der Europa League kann Herrmann jubeln. Vier Tore erzielt er für die Borussia auf dem Weg ins Achtelfinale

Patrick Herrmann: "Wollen diesen Weg weitergehen"

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Mönchengladbach - Erneut hat Borussia Mönchengladbach eine sehr gute, phasenweise herausragende Hinrunde gespielt. Im Exklusiv-Interview mit bundesliga.de spricht Stürmer Patrick Herrmann, den unsere Redaktion in der Winterpause zu Borussias "Gewinner der Hinrunde" kürte, über seinen etwas längeren Anlauf in die Saison und seine Torquote, über Gladbachs Probleme in den Rückserien der vergangenen Spielzeiten und über die Zielsetzung für die Rückrunde.

"Nach zwei Wochen ist man noch voll im Saft"

bundesliga.de: Herr Herrmann, wie haben Sie die Weihnachtsferien verbracht?

Patrick Herrmann: Ich war über Weihnachten bei meiner Familie im Saarland. Neujahr habe ich dann in Berchtesgaden in einem Wellness-Hotel verbracht, um einfach einmal auszuspannen. Das hat sehr gut getan.

bundesliga.de: Denkt man in dieser Zeit überhaupt an Fußball, oder möchte man Fußball mal ganz aus dem Kopf bekommen?

Herrmann: Klar versucht man ein wenig abzuschalten. Ganz vom Fußball lassen kann ich aber selbst in den Ferien nicht. Die Premier League hat bekanntlich über Weihnachten durchgespielt, und ich habe dort immer mal wieder reingezappt. Dann ist es auch kein allzu weiter Weg mehr, dass man ans eigene Team denkt und daran, dass es schon bald wieder losgeht. Und, ganz ehrlich, dann kribbelt es bereits wieder ein bisschen.

"Habe mich gefragt, warum ich so wenig spiele"

bundesliga.de: Sie benötigten etwas Anlauf, sind dann aber immer besser in die Saison gekommen und unser "Gewinner der Hinrunde" bei Borussia...

Herrmann: Das freut mich natürlich! Und ich denke, ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass es keine Gesetzmäßigkeit gibt, die besagt, dass man auch im weiteren Verlauf der Saison außen vor ist, wenn man zu Beginn mal auf der Bank sitzen musste. Obwohl ich zu Beginn überhaupt nicht spielen durfte, stand ich ab dem sechsten Spieltag bis auf die letzte Partie in Augsburg immer in der Startelf.

bundesliga.de: Hatten Sie Selbstzweifel, als es nicht rund lief?

Herrmann: Selbstzweifel wäre ein zu harter Begriff. Aber ich will nicht leugnen, dass ich mich zuhause in einer ruhigen Minute durchaus mal gefragt habe "Was mache ich falsch, warum bekomme ich keine Einsatzzeit?". Genauso schnell aber blickt man wieder nach vorne und sagt sich, dass man, sobald die Chance kommt, alles in die Waagschale werfen wird. Und das muss immer der Ansatz sein. Selbst wenn die anderen mal ein Stück voraus sind, muss man ruhig bleiben. So habe ich das gemacht, und so machen es auch meine Teamkollegen, wenn sie in diese Situation kommen. Ich denke, das zeichnet uns aus und trägt sehr zu unserem Erfolg bei.

bundesliga.de: Ihr Vorsatz vor der Saison lautete, endlich einmal mehr als sechs Liga-Tore in einer Spielzeit zu schießen; aktuell liegen Sie mit drei Treffern aber exakt auf dem alten Kurs...

Herrmann: Stimmt, in der Bundesliga liege ich wieder auf Sechser-Kurs (lacht). Allerdings läuft es in der Europa League sehr gut für mich, dort habe ich bereits viermal getroffen. Trotzdem wäre es schön, wenn in der Bundesliga auch noch ein paar Tore dazu kommen würden, damit es am Ende vielleicht doch endlich einmal mehr werden als sechs.

"Wir haben eine super Hinrunde gespielt"

bundesliga.de: Mit Thorgan Hazard, Ibrahima Traoré und André Hahn haben Sie starke Konkurrenz bekommen; sieht man diese Jungs zunächst als unliebsame Kontrahenten, oder freut man sich, dass so erstklassige Spieler das Team besser machen?

Herrmann: Keine Frage, Thorgan, Ibo und André bedeuten für uns einen enormen Zugewinn an Qualität, gerade auf den Außenpositionen. Man profitiert immer davon, wenn man mit solchen Spielern trainiert oder gemeinsam im Spiel aufläuft. Dass sie auch Konkurrenten sein können, spornt einen zudem an, vielleicht noch ein wenig mehr Leistung aus sich heraus zu kitzeln. Ich sehe das ausschließlich positiv.

bundesliga.de: Mit welchem Vorgefühl nehmen Sie nun die Rückrunde in Angriff?

Herrmann: Mit einem sehr guten! Wir haben eine super Hinrunde gespielt, und wir wollen diesen Weg weiter gehen. Dafür werden wir jetzt, in dieser Vorbereitung, sehr hart arbeiten.

bundesliga.de: In der vergangenen Saison folgte auf die herausragende Hinrunde eine Serie von neun sieglosen Spielen, und auch in den Spielzeiten zuvor war Borussia in der Hin- immer stärker als in der Rückrunde; kann das zu einem Komplex führen, oder ist das ein typisches Medienthema?

Herrmann: Ich denke, das ist eher ein Medienthema. Natürlich kennen wir diese Statistik. Aber nur weil die vergangene Rückrunde schlechter war als die Hinrunde, bedeutet das noch lange nicht, dass es diesmal wieder so sein muss. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass wir den Trend der vergangenen Jahre widerlegen können.

bundesliga.de: Wo sehen Sie Optimierungsbedarf?

Herrmann: Wir sollten daran arbeiten, noch mehr Ballbesitz zu erlangen und den Gegner noch stärker zu beherrschen. Dann sollte es uns auch gelingen, noch mehr Chancen zu kreieren. In der Hinrunde haben wir davon leider einige liegen gelassen. Bekommen wir das in den Griff, bin ich überzeugt, dass wir eine sehr gute Rückrunde spielen werden.

"Wir sind immer für einen Treffer gut"

bundesliga.de: Kleinere Probleme gab es im letzten Teil der Hinrunde nach dem Ausfall von Martin Stranzl auch in der Defensive...

Herrmann: Martin ist ein hervorragender Innenverteidiger, das steht außer Frage. Aber auch Roel Brouwers hat seine Sache sehr gut gemacht. Es wäre ohnehin falsch, solche Dinge nur an einem einzigen Spieler beziehungsweise am Fehlen eines einzigen Spielers fest machen zu wollen. Fakt ist, dass die Hinrunde gezeigt hat, wie grundlegend es ist, hinten sicher zu stehen. Denn vorne sind wir immer für einen Treffer gut.

bundesliga.de: Borussia liegt in allen drei Wettbewerben auf Kurs, im DFB-Pokal muss man zum Viertligisten Kickers Offenbach; denkt man schon mal daran, dass es danach nur noch zwei Spiele bis zum Finale wären?

Herrmann: Das hat man durchaus hin und wieder mal im Hinterkopf. Vor drei Jahren, als wir im Halbfinale an den Bayern scheiterten, konnten wir schon einmal spüren, wie großartig es sich anfühlt, so weit zu kommen. Logisch, dass man das noch einmal erleben möchte. Aber dafür müssen wir erst einmal in Offenbach gewinnen. Und das wird schwer genug!

bundesliga.de: In der Europa League ist der Weg länger und steiniger; zudem wartet mit dem FC Sevilla der Titelverteidiger.

Herrmann: Sevilla ist ein Riesenkracher!

bundesliga.de: Marko Marin, Ex-Borusse und letztjähriger Sevilla-Spieler, glaubt aber, dass die Elf wegen der Abgänge u. a. von Ivan Rakitic nicht mehr die Stärke der vergangenen Saison hat.

Herrmann: Trotzdem hat Sevilla noch immer eine Top-Elf beisammen. Aber wir sind auch eine gute Truppe und glauben an unsere Stärke. Es wird in den beiden Spielen wohl auf Kleinigkeiten ankommen. Hoffen wir also, dass das Pendel am Ende zu unserer Seite ausschlägt.

"Gegen Sevilla bebt der BORUSSIA-PARK"

bundesliga.de: Borussia tritt zunächst auswärts an.

Herrmann: Und darüber bin ich sehr froh. Wenn es uns gelingt, in Sevilla einigermaßen unsere Leistung abzurufen, dürfte der BORUSSIA-PARK im Rückspiel beben. Und dann ist alles möglich.

bundesliga.de: In der Bundesliga muss sich Borussia der Angriffe von Schalke, Augsburg und Hoffenheim erwehren. Glauben Sie, dass auch der BVB noch einmal eingreifen kann in den Kampf um die internationalen Plätze?

Herrmann: Jeder weiß um die enorme Qualität von Borussia Dortmund. Ruft der BVB diese Qualität in der Rückrunde ab, muss man das Team auch auf dem Zettel haben.

bundesliga.de: Der Abstiegskampf sowie der Kampf um die internationalen Plätze dürften bis zuletzt spannend bleiben; der Titelkampf aber scheint entschieden?

Herrmann: Entschieden ist noch gar nix (lacht)! Und rein rechnerisch wäre noch viel möglich. Aber Spaß beiseite: Jeder, der die Bayern nur ein wenig kennt, der weiß, dass an ihrem Vorsprung von Elf Punkten auf Wolfsburg kaum noch zu rütteln sein dürfte.

Das Gespräch führte Andreas Kötter