Mit zwei Treffern war David Alaba maßgeblich am 4:0-Sieg der Bayern gegen Schalke beteiligt
Mit zwei Treffern war David Alaba maßgeblich am 4:0-Sieg der Bayern gegen Schalke beteiligt

Ohne Fernglas auf den Gipfel

xwhatsappmailcopy-link

München - Nein, Glückwünsche zum Meistertitel wollten die Bayern-Verantwortlichen nach dem naturgemäß noch nicht entgegennehmen. Wer aber genau hinhörte, der vernahm, dass sich Matthias Sammer und Karl-Heinz Rummenigge sehr wohl bewusst waren, dass dieser 21. Spieltag zumindest eine Vorentscheidung Richtung Meisterschaft brachte.

Rekordvorsprung nach 21 Spieltagen

"Wir haben heute einen Elfmeter bekommen, und ihn verwandelt", versinnbildlichte Sportvorstand Sammer die abgelaufenen 90 Minuten in der bitterkalten Allianz Arena. Er hätte auch sagen können, dass sein Team die Steilvorlage der schwächelnden Konkurrenten bereitwillig annahm. Den "Elfmeter" hatte der BVB, Leverkusen und Frankfurt den Münchnern auf dem Silbertablett vorgelegt, indem sie drei Stunden zuvor geschlossen patzten.



Nach Dortmunds 1:4 gegen den HSV und den beiden Unentschieden von Leverkusen und Frankfurt ist der Vorsprung des Rekordmeisters mittlerweile auf satte 15 Punkte angewachsen. Eine derartige Überlegenheit sucht man in der Bundesliga-Geschichte nach 21 Spieltagen bislang vergebens. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel schafften es die Bayern in der Saison 2002/03 zwar, ihren Vorsprung auf Dortmund auf 18 Zähler auszubauen - doch damals benötigte man 33 Spieltage für den zum heutigen Zeitpunkt geltenden Rekordvorsprung.

"Wir haben eine sensationelle Leistung abliefert", freute sich FCB-Präsident Uli Hoeneß, als er im "Sport1-Doppelpass".zugeschaltet wurde. Doch anders als in früheren Zeiten, als der damalige Manager metaphorisch gerne das Fernglas herausholte, um die Distanz auf die Kontrahenten zu unterstreichen, hielt sich auch Hoeneß vornehm zurück. "Wir tun gut daran, nicht in Euphoire zu verfallen. Es war ein wunderbarer Spieltag für uns, aber von einer Vorentscheidung zu sprechen, halte ich für zu früh."

Hoeneß vergaß allerdings nicht zu erwähnen, wem dieser Erfolg vor allem zuzuschreiben ist. "Jupp hat das total im Griff. Es war schon überraschend, drei Neue zu bringen, aber es hat sehr gut funktioniert", so Hoeneß über seinen Freund und Cheftrainer Jupp Heynckes.

Gomez: "...dann hätte er es abbekommen"



, vergaß auch Mario Gomez nicht, der am Samstagabend in der Rückrunde sein Startelfdebüt gab - und den 4:0-Endstand herstellte "Ich finde es schon mutig, dass er auf mich gesetzt hat - gerade weil sich jeder über mich ausgetobt hatte. Ich habe großen Respekt vorm Trainer. Es hätte ja auch in die Hose gehen können - dann hätte er es abbekommen.

Heynckes hatte nicht nur Gomez das Vertrauen geschenkt, sondern auch Arjen Robben und Jerome Boateng von Beginn an gebracht. Der Niederländer, der zuvor schon mit den Hufen gescharrt hatte, zeigte eine gute Leistung und bereitete den letzten Treffer gekonnt vor. Boateng hatte angesichts der harmlosen Gäste-Offensive ebenfalls keinerlei Schwierigkeiten, sich nahtlos ins harmonische FCB-Gefüge einzubringen.

"Wer soll die Bayern aufhalten?"



Für Heynckes dürfte die Erkenntnis, sich auf sein gesamtes Personal verlassen zu können, vor den nahenden englischen Wochen Gold wert sein. Der am Saisonende scheidende Übungsleiter freute sich entsprechend über den erneut souveränen Auftritt seiner Mannschaft, die in vier Rückrundenspielen die Maximalpunktzahl errang und noch kein einziges Gegentor schlucken musste. "Wir haben mit Autorität Fußball gespielt. Es hat leicht ausgeschaut, was eigentlich sehr schwer ist. Das ist das Produkt harter Arbeit", so Heynckes.

Selbstverständlich ließ sich auch der Cheftrainer nicht dazu hinreißen, auch nur ein Wort über eine vorzeitige Entscheidung im Titelkampf zu verlieren. "Wir lassen uns von unserem Weg nicht abbringen und werden weiterspielen, bis man uns auch theoretisch nicht mehr einholen kann", kündigte er an.

Während sich also die bayerischen Protagonisten des neuerlichen Spektakels in Sachen Meisterschaft weiterhin in Bescheidenheit üben, ist die Sache für Timo Hildebrand klar. "Ich weiß nicht, wer die Bayern noch aufhalten soll?", fragte der bedauernswerte Schalke-Keeper nach den einseitigen 90 Minuten. Das kann der Rekordmeister tatsächlich nur noch selbst - doch auch ohne Fernglas scheint der Aufstieg zum Gipfel diesmal wie von selbst zu gehen.

Aus der Allianz Arena berichtet Johannes Fischer