Danke für die Blumen: Christoph Metzelder (l.) wird von Schalkes Sportvorstand Horst Heldt verabschiedet
Danke für die Blumen: Christoph Metzelder (l.) wird von Schalkes Sportvorstand Horst Heldt verabschiedet

Metzelder: "WM 2006 war der Höhepunkt meiner Karriere"

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Gelsenkirchen - Christoph Metzelder setzt nach dieser Saison einen Schlussstrich unter seine aktive Laufbahn. Im Interview spricht er über die Zeit in der Bundesliga, das Highlight WM 2006 und seine Pläne für die Zukunft.

Frage: Am Samstag wurden Sie nach drei Jahren bei Schalke 04 in der Arena offiziell verabschiedet. Welche Gedanken gingen Ihnen bei Ihrer Ehrenrunde durch den Kopf?

Christoph Metzelder: Es war sehr viel Wehmut dabei. Besonders, als ich vor dem Spiel noch mal mit der Mannschaft und meiner Tochter aufs Feld gelaufen bin. Dort unten zu stehen, auf die vollen Ränge zu schauen und zu wissen, dass es nicht nur mein letztes Heimspiel auf Schalke, sondern auch mein Karriereende sein wird, da musste ich schon mit den Tränen kämpfen.

Frage: Ihre Karriere war geprägt durch viele Höhen und Tiefen. Wie lautet Ihr persönliches Fazit nach 13 Profijahren?

Metzelder: Ich blicke voller Dankbarkeit zurück auf eine tolle Karriere. Mit 19 Jahren habe ich mein Abitur gemacht und zwei Monate später war ich plötzlich Bundesligaprofi, nur ein Jahr später bereits Nationalspieler. Wenn ich zurückblicke, dann sehe ich nichts, was besser hätte laufen können. Auch die Verletzungen gehören zu meiner Geschichte dazu. Wegen einer Achillessehnenverletzung konnten Sie zwischen 2003 und 2004 kein Spiel bestreiten.

Frage: Haben Sie in der Zeit auch daran gedacht, Ihre Karriere mit Anfang 20 schon zu beenden?

Metzelder: Ich stand kurz davor, meine Karriere beenden zu müssen. Ich habe noch einen Brief meiner Krankenversicherung aufbewahrt, in der mir mitgeteilt wurde, dass ich Sportinvalide sei. Damals war ich 23! Doch ich habe mich zurückgekämpft, noch viele tolle Jahre mit der Teilnahme an der WM 2006 und EM 2008 sowie dem spektakulären Wechsel zu Real Madrid und der Bundesliga-Rückkehr zu Schalke 04 erleben können.

Frage: Von 2007 bis 2010 haben Sie bei Real Madrid und damit für den größten Verein der Welt gespielt. Wie hat Sie diese Zeit sportlich als auch menschlich geprägt?

Metzelder: Als ich kürzlich vor dem Champions League-Halbfinal-Hinspiel in Dortmund im Hotel von Real war, sagte Präsident Florentino Perez zu mir, dass Real Madrid immer mein Zuhause sei und ich Fußspuren in Spanien hinterlassen habe. Nicht nur bei Real erinnern sich die Menschen gerne an mich. Man hat mich bei meinem Abschied von Madrid sogar offiziell im Bernabeu-Stadion verabschiedet, was eine ganz große Ehre ist.

Frage: Sie sind über den Umweg Madrid von Dortmund zu Schalke gewechselt. Wie haben Sie es geschafft, mit Ihrer BVB-Vergangenheit auf Schalke akzeptiert zu werden?

Metzelder: Es war eine schwierige Anfangszeit, die Ressentiments gegenüber meiner Person waren groß. Ich habe versucht, auf und außerhalb des Platzes für meine Mannschaft und den Verein alles zu geben. Auch als meine Einsatzzeiten weniger wurden, hat das an meinem Engagement für den Erfolg des Teams nichts geändert. Wenn es gefordert war, war ich da! Ein Großteil der Fans auf Schalke hat mich gerade deswegen respektiert.

Frage: Auch mit der deutschen Nationalmannschaft haben Sie viele Erfolge gefeiert. 2002 sind Sie nach gerade mal drei Länderspielen für die WM in Japan und Südkorea nominiert. Dann waren Sie eine Entdeckung des Turniers, haben alle Spiele bestritten und wurde Vizeweltmeister. Vor der EM 2008 in der Schweiz und Österreich waren Sie fünf Monate verletzt, sind so gerade noch ins Aufgebot gerutscht und verloren als Stammspieler das Endspiel gegen Spanien. Wie sehr schmerzen heute noch die Final-Niederlagen gegen Brasilien und Spanien bei beiden Turnieren?

Metzelder: Wenn man bei einem Finale aufs Feld läuft, dann weiß man, wie nahe man vor einem großen Triumph steht und einen nur noch 90 Minuten vom Pokal trennen. Egal wie stark und renommiert der Gegner ist, wenn das Momentum auf deiner Seite ist, kannst du Geschichte schreiben. Mir und meiner Generation war es leider nicht vergönnt, einen großen internationalen Titel zu holen. Dennoch können wir stolz sein, was wir erreicht haben, denn in beiden Endspielen sind wir nur knapp und unglücklich gescheitert. Es hätte nicht viel gefehlt und wir hätten uns unserem großen Traum erfüllen können. Das ist umso beachtlicher, weil wir die Qualität der heutigen Nationalmannschaft nie hatten.

Frage: Die WM 2006 hat die ganze Nation verändert. Wie haben Sie persönlich das Sommermärchen erlebt?

Metzelder: Es bleibt der Höhepunkt meiner Karriere. Diese sieben Wochen zwischen dem ersten Trainingslager mit Jürgen Klinsmann auf Sardinien und dem Empfang durch eine Million Menschen auf der Fanmeile am Brandenburger Tor waren die schönste Zeit, die ich als Fußballprofi erleben durfte. Eine WM im eigenen Land zu spielen und von einer Welle der Begeisterung durch die Nation getragen zu werden, ist etwas Großartiges, das sicher niemand von uns je vergessen wird. Ich habe damals ein Tagebuch geschrieben, eigentlich müsste ich das mal veröffentlichen.

Frage: Ihre alten Weggefährten Sebastian Kehl und Roman Weidenfeller sind ebenfalls Jahrgang 1980 und haben Ihre Verträge bei Borussia Dortmund aktuell verlängert. Was hat Sie dazu bewogen, die Fußballschuhe jetzt schon an den Nagel zu hängen?

Metzelder: Die "Generation Sommermärchen" tritt langsam ab. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, noch weiter zu spielen, aber ich war sehr ehrlich zu mir selbst. Ich fühle mich körperlich nicht mehr in der Lage, auf diesem Niveau dauerhaft mitspielen zu können und nach 13 Jahren hat mich auch das Feuer verlassen, dass für diesen Beruf notwendig ist. Ich habe zu viel Respekt vor dem, was der Fußball für die Menschen in diesem Land bedeutet. Ich trete eher ab, als ich müsste, aber ich tue es rechtzeitig!

Frage: Der Profifußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Konnten Sie dennoch in in all den Jahren Freundschaften zu Mitspielern oder Betreuern aufbauen?

Metzelder: Ich habe durch den Fußball viele Menschen kennengelernt, die mich in dieser Zeit begleitet haben. Als Mit- und Gegenspieler, Funktionäre, Manager und Trainer oder Physios, Zeugwarte, Ärzte, Pressechefs, Busfahrer, Fans und Journalisten -diese Liste ist sehr lang. Ich möchte mich bei allen bedanken. Für ihre Unterstützung und ihre Kritik, für den Applaus und die Pfiffe. All das hat mich geprägt.

Frage: Seit frühster Kindheit war Ihr Leben durch den Sport bestimmt. Was werden Sie ab der kommenden Saison vermissen (und was eher nicht)?

Metzelder: Im Fußball geht es um Sieg oder Niederlage. Das wird sich nie ändern. Was auch immer bestehen bleibt, egal wie modern der Fußball noch werden wird, ist die Kameradschaft. Das werde ich vermissen! Mit meinen Mannschaftskollegen in der Kabine zu sitzen, zu quatschen und zu lachen. Ich bin nur froh, dass ich keine Saison-Vorbereitung mehr machen muss...

Frage: Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach Ihrer Karriere?

Metzelder: Ab der kommenden Saison werde ich das Team von SKY als Experte bei den Spielen der Bundesliga und der Champions League unterstützen. Böse Zungen sagen ja, dass ich als Spieler immer ein besserer Pressesprecher war. Dem Wunsch komme ich also gerne nach...

Frage: Wer Sie kennt weiß, dass Sie ein Unruhegeist sind und ständig Ideen voran und umsetzen möchten. Haben Sie Angst, ab Juni in ein Loch zu fallen oder welche Pläne haben Sie für die zukünftigen Werktage?

Metzelder: Neben meiner Tätigkeit für SKY bin ich in Gesprächen für ein weiteres spannendes Engagement. Da gibt es hoffentlich in den nächsten Wochen konkreten Vollzug zu melden. Grundsätzlich bereite ich mich aber ab dem Sommer darauf vor, mittelfristig eine Position im Management eines Vereins zu übernehmen. Darin sehe ich meine Zukunft, schon als Spieler hat mich immer interessiert, wie Vereine funktionieren und organisiert sind. Bei meinem Heimatverein TuS Haltern mache ich das ja schon seit einigen Jahren auf kleinem Niveau...

Frage: Apropos TuS Haltern: Werden die Schuhe doch nicht ganz an den Nagel gehängt?

Metzelder: Der TuS Haltern ist nicht nur mein Heimat- sondern auch mein absoluter Herzensverein. Mein Spielerpass geht mit Sicherheit an die "Stauseekampfbahn", ob ich dann aber wirklich dort nochmals auflaufe oder nur abtrainiere, das überlege ich mir noch.

Frage: Ansonsten schlägt Ihr Herz ja auch für Ihre Stiftung und damit ein anderes Ihnen sehr wichtiges Projekt...

Metzelder: Ja, schon seit langem schenke ich der Arbeit für die Christoph Metzelder Stiftung große Aufmerksamkeit, investiere dafür mit einigen Mitstreitern viel Zeit und Ideen. Unsere Arbeit für benachteiligte Kinder in unserem Land ist wichtiger und aktueller denn je. Junge Menschen auf ihrem Lebensweg von der Schule bis in den Beruf zu begleiten und zu unterstützen, ist mir eine Herzensangelegenheit. Darin sehe meine Lebensaufaufgabe - unabhängig von allen sportlichen Plänen und Herausforderungen!