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Christoph Kramer debütierte in der Nationalelf beim Länderspiel gegen Polen
Christoph Kramer debütierte in der Nationalelf beim Länderspiel gegen Polen

Ein Typ wie Hacki Wimmer

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München - Wenn Christoph Kramer in einer fernen Zukunft einmal seinen Enkeln etwas vorlesen sollte, dann wird er auf ein ganz besonderes Buch zurückgreifen - eines, bei dem er selbst der Autor ist. Der Profi von Borussia Mönchengladbach schreibt zu jedem seiner Spiele über "spezielle Momente, die einfach cool waren". Die vergangenen Monate haben bereits viele Kapitel beansprucht - und so wie es aussieht, wird sich das in den nächsten Wochen auch nicht ändern.

"Er ist eine Maschine"

Der 23-jährige Mittelfeldspieler, der sich nach seinem Wechsel vom VfL Bochum an den Niederrhein zum absoluten Stammspieler bei den Fohlen aufschwang, rutschte völlig unerwartet in den vorläufigen WM-Kader, nachdem er im Test-Länderspiel gegen Polen (0:0) Bundestrainer Joachim Löw überzeugt hatte. Und Kramer hat sogar gute Chancen, im Flieger nach Brasilien zu sitzen.

"Er war sehr präsent in den Zweikämpfen und ist viele Wege gegangen", lobte Löw an jenem 13. Mai in Hamburg, nachdem Kramer seinem Ruf als "Pferdelunge" mit einer Laufleistung von knapp 14 Kilometern alle Ehre machte. "Im zentralen Mittelfeld haben wir einige Spieler, die zuletzt angeschlagen waren oder längere Pausen hinter sich haben. Wir wollen deswegen eine weitere Option haben, um für alle Fälle vorbereitet zu sein", sagte Löw über Kramers überraschende Nominierung.

Weil der Bundestrainer bei der WM in Brasilien kurzfristig auf den verletzten Lars Bender verzichten muss und das Leistungsvermögen des wiedergenesenen Sami Khedira schwer abschätzbar ist, stehen die Chancen des Gladbachers gut, sogar zum endgültigen WM-Kader zu gehören (Das DFB-Team nach dem Bender-Schock).

Dabei würde eine Nominierung Kramers vor allem unter den gegebenen klimatischen Bedingungen durchaus Sinn machen. "Er ist eine Maschine", staunte Gladbachs Cheftrainer Lucien Favre bereits nach wenigen Trainingseinheiten im vergangenen Sommer, als sich sein neuer Schützling Blasen an den Fußsohlen lief. Der gebürtige Solinger unterstrich die Einschätzung seines Coaches während der gesamten Saison eindrucksvoll, indem er in allen Spielen Borussias die größte Laufleistung aufwies. Beim 1:0-Sieg auf Schalke riss er 13,8 Kilometer herunter (Analyse), im Saisonschnitt waren es 13,1 Kilometer - beide Werte sind ligaspitze.

Dauerkarte beim VfL Bochum 

Nichtsdestrotz stapelte Kramer tief, als er kurz vor dem Beginn des Trainingslagers in Südtirol (XL-Galerie: So läuft die WM-Vorbereitung) gefragt wurde, wie er seine WM-Chancen einschätze. "Es ist ein Wunder, dass ich mit dabei bin. Es kann viel passieren, aber ich gehe nicht davon aus, dabei zu sein. Ich sehe mich eher als ersten Streichkandidaten", sagte Borussias "Marathonmann" im vereinseignenen "Fohlen-TV". 

Kramers Understatement lässt sich nicht nur mit dessen Status als DFB-Novize erklären - markige Worte sind ihm ebenso fremd wie hochtrabende Träumereien. Und er ist bodenständig. Nachdem er im vergangenen Jahr Zweitligist Bochum Richtung Mönchengladbach verließ, kaufte er sich kurzerhand eine Stehplatz-Dauerkarte und feuerte sein Ex-Team an, so oft es zeitlich möglich war.  

Dass  der ehemalige Bundestrainer Berti Vogts diesem Christoph Kramer in Brasilien über den Weg laufen wird, darauf setzt der Ex-Borusse. "Ich hoffe, er gehört zum 23-er-Aufgebot für die WM", sagt Vogts, der im Trainerstab von Jürgen Klinsmanns US-Amerikaner steht und im Gruppenspiel auf die DFB-Elf treffen wird. Vogts vergleicht den hoch aufgeschossenen Kramer mit einem Teamkollegen aus Gladbacher Zeiten, mit dem er 1974 Weltmeister wurde: "Er ist ein Typ wie Hacki Wimmer."

"Kann nicht leiden, wenn der Gegner den Ball hat"

Wimmer galt im Gladbacher Meisterteam als das Laufwunder und hielt damit Günter Netzer den Rücken frei. Ähnliches könnte man sich in Brasilien mit Kramer vorstellen, der jedoch nicht nur durch seine Laufleistung glänzt, sondern mittlerweile - dank Favres Schulung - auch "intelligentere" Wege auf dem Platz bestreitet. "Vom Naturell her, bin ich ein Spieler, der versucht, überall zu helfen. Ich bin immer bestrebt, meiner Mannschaft den Ballbesitz zu ermöglich, ich kann es nicht leiden, wenn der Gegner den Ball hat. Um das zu ändern, muss man mitunter weite Wege auf sich nehmen. Ich mache das gern", sagt er. 

All dies könnte dazu führen, dass Christoph Kramer sein persönliches Fußballbuch in den kommenden Wochen um einige Kapitel bereichern wird. Und, wer weiß, vielleicht wird er einmal seinen Enkeln vorlesen wie es war, als er am 13. Juli 2014 in Rio de Janeiro den Weltmeisterpokal in die Höhe hielt. So wie Hacki Wimmer 40 Jahre davor.

Johannes Fischer