Bernd Cullmann (l.) und Jens Nowotny kommen gemeinsam auf die stolze Zahl von 675 Bundesliga-Spielen
Bernd Cullmann (l.) und Jens Nowotny kommen gemeinsam auf die stolze Zahl von 675 Bundesliga-Spielen

"Manchmal ist man in Köln schon etwas aufgeregter"

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Köln - Der eine hat 14 Jahre für den 1. FC Köln in der Bundesliga gespielt, der andere zehn Jahre für Bayer Leverkusen. Heute teilen Bernd Cullmann (61) und Jens Nowotny (37) als Geschäftsführer der Spielerberatungsagentur Insoccer gemeinsam ein Büro und sind weiter ganz nah dran am Bundesliga-Geschehen.

Nur logisch, dass das Derby am Samstag zwischen dem FC und Bayer beide Ex-Nationalspieler nicht kalt lässt. Schon gar nicht nach dem aktuellen Rücktritt von FC-Trainer Frank Schaefer. Im Doppelinterview mit bundesliga.de sprechen beide über das Derby, den Bundesliga-Endspurt und (un)typisch Kölsches.

bundesliga.de: Bernd Cullmann, wenn wir uns vor drei oder vier Wochen über den 1. FC Köln unterhalten hätten, was hätten Sie dann gesagt?

Bernd Cullmann: Vor drei Wochen habe ich die Lage beim FC entspannter gesehen als jetzt. Wir hatten schon 35 Punkte und noch sechs Spiele, da wäre ich mir ziemlich sicher gewesen, dass wir die fehlenden drei Punkte zum Klassenerhalt noch holen. So sicher bin ich mir im Moment nicht mehr.

bundesliga.de: Wie bewerten Sie die aktuellen Geschehnisse mit dem Rücktritt von Trainer Frank Schaefer?

Cullmann: Es hatte sich in den letzten Wochen schon in der Berichterstattung einiger Medien angedeutet, dass eine gewisse Unruhe im Verein aufgekommen ist. Das kann ich aber nicht beurteilen. Sicher ist aber, dass dem FC so eine Situation nicht gelegen kommt.

bundesliga.de: Sehen Sie Ereignisse als typisch für den FC oder sind das Dinge, die überall im Abstiegskampf vorkommen?

Cullmann: Wenn bei einem abstiegsbedrohten Verein der Trainer gewechselt wird, dann ist das ein normales Szenario in der Bundesliga. Beim 1. FC Köln ist die Situation ein bisschen anders: Es ist jetzt schon der zweite Trainer. Er war anfangs sehr erfolgreich und leider Gottes ist die Situation zuletzt sehr unerfreulich geworden. Ob das typisch Köln ist, weiß ich nicht. Aber manchmal ist man in Köln schon etwas aufgeregter als bei anderen Vereinen in der Bundesliga.

bundesliga.de: Jens Nowotny, Sie haben mit Bayer 04 meistens oben mitgespielt, aber in der Saison 2002/03 auch mal einen turbulenten Abstiegskampf erlebt.

Jens Nowotny: Im Abstiegskampf und in Situationen, in denen es nicht wie gewünscht läuft, passieren oft rational schwer nachzuvollziehende Dinge. Ich kann mich an eine Situation 2004 in der Champions League erinnern. Da kam vor dem Auswärtsspiel gegen Real Madrid ein Vereinsoffizieller zu mir und sagte: "Wenn wir morgen verlieren, ist der Trainer weg." Das war damals Klaus Augenthaler und wie gesagt, es war in Madrid! Wir haben dann 1:1 gespielt und Augenthalers Vertrag wurde verlängert. Die aktuelle Situation ist also nicht typisch Köln, sondern typisch Fußball.

bundesliga.de: Gibt es aus Ihrer Leverkusener Sicht überhaupt ein typisch Kölsches Verhalten?

Nowotny: Ich tu mich immer schwer mit Begriffen wie typisch FC, Vizekusen oder Mia san mia. Es geht zwar immer um denselben Verein, aber es sind immer neue handelnde Personen. In Köln steht jetzt Volker Finke neu in der Verantwortung, der über Jahre erfolgreich für den SC Freiburg gearbeitet hat. In Leverkusen stehen jetzt ganz andere Spieler auf dem Platz als zu meiner Zeit, aber trotzdem wird von Vizekusen gesprochen.

Cullmann: Das Ungewöhnliche an dieser Kölner Situation ist, dass ein Trainer innerhalb einer kurzen Zeit zwei Mal eine eindeutige Entscheidung getroffen hat. Erstens, nach dieser Saison als FC-Trainer aufzuhören und zweitens, sofort aufzuhören - sicher auch bestärkt durch das Ergebnis vom Wochenende.

bundesliga.de: Wird die Entscheidung von Frank Schaefer das Derby Samstag gegen Leverkusen in irgendeiner Form beeinflussen?

Cullmann: Es geht ja für beide Mannschaften um sehr viel. Für Leverkusen besteht durchaus noch die Chance Meister zu werden, wenn Dortmund nochmals schwächelt. Für den FC geht es schlicht und ergreifend darum, noch drei Punkte zu holen und den Abstieg zu vermeiden. Beide Mannschaften stehen also unter hoher Anspannung, wobei die aktuellen Geschehnisse sicher nicht zur Beruhigung des Umfelds in Köln beitragen.

bundesliga.de: Werden sich die Bayer-Spieler jetzt auch intensiver mit der Lage beim 1. FC Köln beschäftigen?

Nowotny: Intensiver überhaupt nicht. Man registriert es in den Zeitungen und im Fernsehen, mehr aber auch nicht. Man sollte sich als gegnerischer Spieler auch nicht vorher dazu äußern, das kann nur den Gegner motivieren. Jeder muss sich allein auf seine Leistung fokussieren, dann gibt es auch keine Ausreden.

bundesliga.de: Was ist für Sie beide wahrscheinlicher: dass der FC in der Bundesliga bleibt oder dass Bayer Deutscher Meister wird?

Cullmann: Ich hoffe natürlich, dass der FC drin bleibt und sehe das auch als wahrscheinlicher an. Schon wegen der Tatsache, dass es der 1. FC Köln selbst in der Hand hat. Leverkusen ist aber darauf angewiesen, dass Dortmund noch Spiele verliert.

Nowotny: Ich sehe es genauso.

bundesliga.de: Herr Cullmann, zu Ihrer aktiven Zeit war der 1. FC Köln meist der Derbyfavorit, nachdem Bayer erst 1979 in die Bundesliga aufgestiegen ist.

Cullmann: Damals war der FC der dominante Verein und die Derbys gegen Mönchengladbach waren für uns Spieler von viel größerer Rivalität. Da trafen oft vier, fünf Nationalspieler auf jeder Seite aufeinander, und jedes Mal wurde das Duell der Spielmacher Wolfgang Overath gegen Günter Netzer hochgekocht. Bayer hatte von Anfang an den Vorteil, dass das Werk hinter der Mannschaft stand, das muss man ganz klar so sagen. Aber was sie in den folgenden Jahren daraus gemacht haben, ist wirklich erstaunlich. Sie haben einfach einen guten Job gemacht.

Nowotny: Für mich war das Derby emotionslos, es war ein Spiel wie jedes andere auch. Ich komme nicht aus Leverkusen und hatte daher keine Leverkusener Tradition. Für die Fans sind Derbys wichtiger.

bundesliga.de: Sie haben ähnliche Karrieren als Abwehrspieler mit mehr als 300 Bundesliga-Spielen bestritten. Sie, Herr Cullmann, haben aber deutlich mehr Titel geholt. Ziehen Sie Ihren Kollegen damit im Büro schon mal auf?

Nowotny: Pokalsieger werden viele. Weltmeister und Deutsche Meister werden auch viele. Aber ich bin Rekordhalter der Roten Karten, da gibt es nur einen!

Cullmann: Hin und wieder wird mal geflachst. Aber wir sind ja auch eine andere Spielergeneration, das kann man nicht richtig vergleichen.

bundesliga.de: Nur noch drei Bundesliga-Spieltage stehen aus und fast traditionell ist noch nichts entschieden. Wie sind Ihre Prognosen für alle Entscheidungen?

Cullmann: Ich glaube, dass Dortmund Meister wird. Sie hätten es auch verdient, weil sie über die ganze Saison den besseren Fußball mit dieser jungen Mannschaft gespielt haben. Hannover oder Bayern ist ein ganz offenes Rennen um Platz 3, auch weil die Bayern einfach keine Stabilität in ihre Leistung bekommen. Nach einem guten Heimspiel patzen sie wieder auswärts, sie hätten in Frankfurt eigentlich verlieren müssen. Also, ich tippe schon fast auf Hannover.

Nowotny: Ich sehe das etwas nüchterner. Wer hat denn als Dritter die besseren Chancen, Deutschland und die Bundesliga gegen die vermeintlich Großen besser zu vertreten? Ich würde es Hannover natürlich gönnen, aber größere internationale Chancen haben die Bayern.

bundesliga.de: Und wie geht es unten aus?

Cullmann: Gladbach hat man vor vier Wochen praktisch beerdigt und St. Pauli war fast gerettet. Jetzt hat sich wieder einiges geändert: Wolfsburg ist noch dabei, auch Frankfurt und leider der FC. Vielleicht entscheidet sich der Abstieg am letzten Spieltag sogar über das Torverhältnis.

Nowotny: Ich gehe auch davon aus, dass sich alles erst am letzten Spieltag entscheidet.

Das Gespräch führte Stefan Kusche