Uwe Kamps (l.) gibt seine Erfahrung von 390 Bundesligaspielen an Marc-Andre ter Stegen weiter
Uwe Kamps (l.) gibt seine Erfahrung von 390 Bundesligaspielen an Marc-Andre ter Stegen weiter

"Man sollte immer daran glauben!"

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München - 16 Jahre liegen zwischen den letzten beiden internationalen Spielen von Borussia Mönchengladbach. Am 29. Oktober 1996 schied der VfL nach einem 0:1 im Rückspiel beim AS Monaco aus, letzte Woche setzte es gegen Dynamo Kiev ein 1:3. Damals wie heute war Uwe Kamps live dabei - 1996 zwischen den Gladbacher Pfosten, jetzt als Torwart-Trainer von Shootingstar Marc-Andre ter Stegen.

Mit bundesliga.de spricht Kamps über Gladbachs Chancen auf eine Sensation im Rückspiel (Mi., ab 20:30 Uhr im Live-Ticker) und die Entwicklung seines Schützlings ter Stegen - und dessen großem Auftritt gegen Lionel Messi.

bundesliga.de: Herr Kamps, was trauen Sie der Mannschaft noch zu? Hat sie das Zeug für ein Wunder?

Uwe Kamps: Das ist ja das Schöne daran - alles ist möglich! Wir können es dementsprechend auch angehen. Irgendwo haben wir das ganze Ding durch das Hinspiel ja schon fast verloren. Dass wir jetzt nur noch gewinnen können - das könnte unsere Chance sein.

bundesliga.de: Der VfB Stuttgart hat so etwas 1998 vollbracht. Nach einem 1:3 in der ersten UEFA-Cup-Runde zuhause gegen Rotterdam siegten Fredi Bobic und Co. auswärts sensationell mit 3:0...

Kamps: Ich habe in den letzten Jahren so viel erlebt mit der Borussia. Alles, was möglich ist - vom Fast-Abstieg bis ins internationale Geschäft. Man sollte immer daran glauben! Es sind noch 90 Minuten zu spielen. Es gehört sicher Glück dazu, ein frühes Tor vielleicht, das den Gegner etwas verunsichert. Und eben mit der Einstellung rein gehen, dass wir nichts mehr zu verlieren haben.

bundesliga.de: Muss das Team von Beginn an auf Offensive setzen?

Kamps: Klar. Ein Tor zu machen, wird erst mal das Wichtigste sein. Nur so können wir unsere Chance wahren.

bundesliga.de: Wie haben Sie das Spiel gegen Kiev erlebt?

Kamps: Es war eine tolle Atmosphäre. Es macht Spaß, auf diesem Level Fußball zu spielen und das ganze Drumherum mitzuerleben. Wir haben das Spiel auch ganz gut angegangen, und sind in der ersten halben Stunde gut gestanden und sind in Führung gegangen. Durch das Gegentor sind wir leider etwas aus dem Tritt gekommen.

bundesliga.de: Woran hat es am meisten gehapert?

Kamps: Nach dem 1:1 wollten die Jungs direkt eins nachlegen. Dabei sind sie es in einigen Situationen zu etwas zu offensiv angegangen. Daraus hat sich dann auch das 2:1 ergeben. Dann war es schwierig - gegen so einen erfahrenen Gegner, der schon öfter in der Champions-League-Qualifikation und in der Champions League war. Da haben wir dann Lehrgeld bezahlt.

bundesliga.de: Hätte sich die Mannschaft anders verhalten, wenn sie schon etwas mehr internationale Erfahrung in den Knochen hätte?

Kamps: Es macht schon etwas aus, wenn man regelmäßig international spielt. Kiev tut das, das ist ein großer Vorteil für sie. Für uns ist es - von ganz wenigen Spielern abgesehen - nach langer Zeit wieder das erste Mal gewesen.

bundesliga.de: Ist dieser europäische Auftritt mit dem letzten der Borussia und auch von Ihnen - im Jahr 1996 - zu vergleichen?

Kamps: Damals hieß es ja noch UEFA-Pokal und nicht Europa League. Damals wie heute sind da namhafte Teams dabei - selbst die, die sich jetzt noch in den Playoffs qualifizieren müssen. Im Bereich Champions League habe ich mich damals leider nicht bewegen dürfen, das ist jetzt für mich auch das erste Mal. Von daher ist es umso schöner, dass ich das jetzt alles miterleben darf.

bundesliga.de: Was würden Sie der Mannschaft in der Champions League zutrauen, wenn sie das Wunder doch noch schafft?

Kamps: Dann wird es noch schwerer, da kommen ja dann noch Gegner dazu, die noch stärker sind als Kiev. Auch bei Dortmund hat man das im letzten Jahr gesehen, die in Deutschland überragend gespielt haben, aber in der Champions League richtig Probleme hatten. Wenn eine so unerfahrene Truppe wie wir dann wirklich die Gruppenphase überstehen würde, wäre das schon eine Sensation.

bundesliga.de: Wie schätzen Sie das neu formierte Gladbacher Team nach dem Saisonstart ein, im Vergleich zum letzten Jahr?

Kamps: Es ist immer anders, wenn neue Leute dazu kommen. Sie müssen sich einspielen, die Mannschaft muss sich neu finden. Dante oder Marco Reus haben mehrere Jahre für uns gespielt, da gab es aber auch Phasen, in denen es nicht so lief. Aber mit dem aktuellen Kader können wir ebenfalls wieder eine sehr gute Rolle spielen.

bundesliga.de: Sie arbeiten täglich mit Marc-Andre ter Stegen zusammen, der vor kurzem in der Nationalelf seinen großen Auftritt hatte, als er Lionel Messis Elfmeter hielt. Wie sehen Sie seine Chancen im DFB-Trikot?

Kamps: Das Unglück von Ron-Robert Zieler war in der Situation natürlich sein Glück. Da hat er seinen nächsten Schritt gemacht, denn beim 3:5 in der Schweiz ist es noch sehr unglücklich gelaufen. Das war diesmal richtig ordentlich. Reinkommen, direkt den Elfmeter halten - das gibt natürlich Auftrieb. Schon die Tatsache, dass er nachnominiert worden ist, sagt eine Menge aus. Er ist auf dem richtigen Weg, aber erst muss er seine Leistung in der Bundesliga bestätigen - und die neue Doppelbelastung im Europapokal meistern.

bundesliga.de: Die internationale Erfahrung, die er in dieser Saison sammeln wird, wird im Kampf um den Platz im DFB-Team sicher kein Nachteil sein...

Kamps: Richtig, das ist ein ganz klarer Vorteil. Das war eine Sache, die Zieler ihm bisher voraus hatte. Oder ein Bernd Leno, der sich in der Champions League präsentieren konnte. In der Bundesliga hat er ja schon aufmerken lassen. Jetzt hat er die Chance, sich auf diesem Level ebenfalls zeigen zu können.

bundesliga.de: Merken Sie es auch im Training, dass er sich in den letzten Monaten extrem weiterentwickelt hat? Manche Experten hielten ihn für den besten Keeper der vergangenen Saison.

Kamps: Das ist ein ständiges Weiterentwickeln. Er ist ja noch ein junger Kerl mit 20 Jahren. Auch, wenn es oft so wirkt, dass er schon total abgeklärt ist! Aber es gibt immer noch mehr, was er dazu lernen kann, und da ist er auch sehr willig. Die englischen Wochen, die jetzt schon in der Hinrunde kommen, werden da auch eine Rolle spielen. Das wird ihn weiter pushen.

Das Gespräch führte Christoph Gschoßmann