Marcel Schäfer (r., gegen Artur Wichniarek) ist ein weiterer junger Spieler, der unter Magath den Sprung ins Nationalteam geschafft hat
Marcel Schäfer (r., gegen Artur Wichniarek) ist ein weiterer junger Spieler, der unter Magath den Sprung ins Nationalteam geschafft hat

Magaths Rasen-Schach

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Wären Sie bereit, auch mal am Wochenende zu arbeiten? Würden Sie für eine gutbezahlte Stelle auch Ihren Wohnort wechseln? Flexibilität, also laut Definition die Fähigkeit, sich wechselnden Situationen anzupassen, ist in der heutigen Arbeitswelt sehr wichtig geworden.

Felix Magath, Trainer und Geschäftsführer der Lizenzfußballabteilung des VfL Wolfsburg, ist flexibel. Doch er verdankt diese Eigenschaft nicht dem Besuch diverser Jobmessen, sondern seinem Hobby, dem Schachspiel.

Meistens mit Raute

"Es geht nicht allein darum, dass man voraus denkt. In jeder Situation muss man versuchen, nicht irgendeinen Zug zu machen, sondern den besten", sagt der leidenschaftliche Schachspieler und Botschafter der Schacholympiade 2008 in Dresden.

Diese Fähigkeit, auf Veränderungen beim Gegner und im Spiel zu reagieren, hat er bei den "Wölfen" in dieser Saison schon häufiger bewiesen. An 13 Spieltagen ließ Magath schon vier verschiedene Formationen spielen. Am häufigsten, sechs Mal, lief sein Team in einer 4-4-2-Aufstellung mit Mittelfeldraute auf.

Grundvoraussetzungen: Taktik und Strategie

Doch der taktisch interessierte Zuschauer konnte die Niedersachsen auch schon in einem 4-5-1 (auf Schalke) oder 4-4-1-1 (in Köln) beobachten. In der Schlussphase des Spiels beim Karlsruher SC ließ der Trainer durch die Einwechslungen von Dzeko und Saglik auf ein 4-3-3 umstellen.

Für Verwirrung bei den Spielern sorgt das nicht, da Magath bei seinen Verpflichtungen großen Wert auf taktisches Verständnis legt: "Sportler müssen Strategie und Taktik beherrschen, um Spitzenleistungen zu vollbringen."

Die Alphatiere der "Wölfe"

Doch egal welches System der 55-Jährige spielen lässt, die tragenden Säulen sind stets dieselben. Innenverteidiger Andrea Barzagli hat noch keine Sekunde dieser Bundesliga-Saison verpasst und 65 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen. Vor ihm spielt Mannschaftskapitän Josue im defensiven Mittelfeld. Der Brasilianer gibt den Abräumer vor der Abwehr und hat mehr Tacklings als jeder seiner Mitspieler.

Offensiv ruht das Spiel auf Regisseur Zvjezdan Misimovic, der mit vier Treffern und sechs Assists Denker und Lenker des "Wolfrudels" ist. Hinzu kommt mit Angreifer Grafite ein Spieler, der mit neun Toren und drei Vorlagen in zehn Einsätzen äußerst gefährlich ist. "Er ist ein Stürmer, der immer den direkten Weg zum Tor sucht. Das hat er anderen voraus", lobte Magath seinen Spieler nach dessen "Dreierpack" gegen Cottbus.

Offensiv-Liebhaber

"Torhunger" ist generell eines von Magaths Markenzeichen. Seit der Saison 2002/03 erzielten die von ihm trainierten Mannschaften immer mindestens 52 Tore pro Saison und gehörten nur ein Mal nicht zu den fünf besten Sturmreihen der Bundesliga (2003/04 beim VfB Stuttgart).

In dieser Saison fällt dieser Spielweise aber die Defensive zum Opfer. Nach 13 Spielen hat Wolfsburg bereits 21 Treffer kassiert. Nur sechs Teams fingen noch mehr Gegentore.

Herz für die Jugend

Ein weiteres Indiz für Magaths Handschrift ist das Alter, besser gesagt die Jugend der Mannschaft. Von den Spielern, die regelmäßig zum Einsatz kommen, sind Josue und Grafite mit jeweils 29 Jahren die "Opas" im Team. Das Durchschnittsalter der Spieler, die in dieser Saison mindestens sechs Mal zum Einsatz gekommen sind, liegt bei 25,2 Jahren.

Bereits bei Stuttgart hatte Felix Magath, der mit erstem Vornamen Wolfgang heißt, eine Vorliebe für Nachwuchsspieler. 2003 holte er Philipp Lahm von den Bayern-Amateuren zum VfB. In seiner Zeit bei den Schwaben reifte der damals 19-jährige Außenverteidiger nicht nur zur unverzichtbaren Kraft im Club, auch in der DFB-Auswahl gehörte er bald zur Stamm-Elf.

"Wölflinge" auf dem Sprung

Ähnlich hat sich Marcel Schäfer, ebenfalls Linksverteidiger, unter Magath entwickelt. Beim Freundschaftsspiel gegen England am 19. November 2008 gehörte der 24-Jährige erstmals zum Kader von Bundestrainer Joachim Löw. "Ich freue mich riesig, dass ich bei der Nationalmannschaft dabei sein kann", sagte Schäfer vor dem Spiel im Berliner Olympiastadion.

Ein weiterer Kandidat auf dem Sprungbrett nach ganz oben ist Ashkan Dejagah. Der 22-Jährige könnte in einiger Zeit für Löw interessant werden. Bis es soweit ist, sorgt er erstmal "nur" bei der U21-Nationalmannschaft und beim VfL Wolfsburg für ein Matt des Gegners. Ganz im Sinne des Schachspielers Felix Magath.

Gregor Nentwig