Der Schuss ins Bayern-Glück: Arjen Robben (nicht im Bild) überwindet Keeper Edwin van der Saar zum 2:3-Anschluss, der das Halbfinale bedeutet
Der Schuss ins Bayern-Glück: Arjen Robben (nicht im Bild) überwindet Keeper Edwin van der Saar zum 2:3-Anschluss, der das Halbfinale bedeutet

"Madrid Calling" nach magischer Nacht

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Es war einer dieser magischen Momente, in einer geschichtsträchtigen Nacht im Old Trafford Stadion. Franck Ribery zirkelte einen Eckball raus an die Stafraumgrenze. Arjen Robben stand sträflich frei, nahm Maß und hämmerte das Leder mit links, volley ins lange Ecke. Ein Traumtor des Niederländers. Wie schon in Florenz bewahrte er den FC Bayern mit einem Treffer zum 2:3-Endstand vor dem Aus in der Champions League.

Dabei sollte Robben zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr auf dem Platz stehen. Nach seiner Wadenverletzung aus dem Schalke-Spiel hatte ihn die medizinische Abteilung der Münchner nur unter großen Aufwand für die Partie gegen Manchester United fit gemacht. "Der Doc wollte eigentlich, dass ich nach 60 Minuten runter gehe. Aber ich habe ihm gesagt, er solle warten. Nach dem Tor hat mich der Trainer aber dann sofort ausgewechselt", erklärte Robben.

Rummenigge träumt vom Finale

So war der Flügelflitzer wieder einmal die Lebensversicherung für den deutschen Rekordmeister, der erstmals seit dem Titelgewinn 2001 wieder das Halbfinale der Königsklasse erreicht hat. Die Fans zeigten ihren Helden aber schon gleich nach dem Abpfiff, dass sie jetzt den ganz großen Coup wollen. "Madrid calling", Madrid ruft, stand auf einem Transparent geschrieben.

Das Endspiel in der spanischen Hauptstadt schwirrte auch schon bei Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge im Kopf herum. "Wir sind sehr stolz und glücklich, dass wir das Halbfinale erreicht haben. Wir haben eine Chance aufs Finale, wenn wir auch gegen Lyon wieder Willen und Leidenschaft präsentieren", sagte er auf dem traditionellen Bankett nach dem Spiel im Mannschaftshotel "Marriott Worsley Park and Country Club".

Ribery beschenkt sich selbst

Für die Spieler blieb in dem pittoresken Golfressort nur wenig Zeit zum Feiern. "Samstag wartet schon wieder Leverkusen, da dürfen wir nicht träumen. Wir sind zwar Tabellenführer, stehen im Pokalfinale und jetzt auch im Halbfinale der Champions League, aber gewonnen haben wir noch gar nichts. Und ich warne jetzt schon vor Olympique Lyon. Das ist eine ganz schwierig zu spielende Mannschaft", sagte Kapitän Mark van Bommel.

Franck Ribery hob ebenfalls mahnen den Zeigefinger vor seinen Landsleuten. "Lyon ist in der Liga stark zurückgekommen und hat auch in der Champions League überzeugt. Es wird eine schwierige Aufgabe", meinte der Franzose, der gegen Manchester in der ersten Halbzeit enttäuschte, im zweiten Durchgang dann aber immer wieder das Spiel ankurbelte und sich somit an seinem Geburtstag mit einer guten Leistung beschenkte.

"Natürlich bin ich stolz"

Überhaupt zeigten die Bayern nach dem Wiederanpfiff ein ganz anderes Gesicht, als die 45 Minuten zuvor. Das sah auch Trainer Louis van Gaal ähnlich: "Natürlich bin ich stolz. Wenn wir 0:3 in Rückstand sind, dann ist es unglaublich, was wir in der zweiten Halbzeit geleistet haben. Wir hatten eine gute Mentalität, haben es taktisch gut gemacht und aggressiv gespielt."

Doch in der Stunde des Erfolges galt es auch, Fehler zu analysieren."Wir müssen von der ersten Minute an da sein. Das habe ich vor dem Spiel gesagt", so van Gaal. Denn wie in der vergangenen Woche gerieten die Bayern früh in Rückstand. Nach sieben Minuten stand es bereits 0:2.

Ungute Erinnerungen an Barcelona

Bei dem ein oder anderen wurden Erinnerungen an das Viertelfinale aus der vergangenen Saison wach, als der FC Barcelona im Hinspiel nach 27 Minuten mit 4:0 führte. "Mich hat das Spiel zu Beginn an Barcelona erinnert. Da lagen wir auch früh hinten", sagte Bastian Schweinsteiger, der nach seiner Gelb-Sperre aus dem Hinspiel wieder seinen Platz im Mittelfeld ausfüllte. Doch zum Glück kam alles anders.

Nun also Lyon im Halbfinale. Sechs Mal trafen beide Teams bislang in der "Königsklasse" aufeinander, mit zwei Siegen, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen ist die Bilanz ausgeglichen. Dennoch, ein machbarer Gegner. Das Endspiel in Madrid ist zum Greifen nahe. Damit hätte zu Saisonbeginn wohl kaum einer gerechnet.

"Hinterlistiges" Geschenk für Ribery

Ribery wohl auch nicht. Er kokettierte in der Vergangenheit aufgrund mangelnder sportlicher Perspektiven offen mit einem Wechsel, kommt nun aber wohl so langsam ins Grübeln, ob nicht eher die Bayern anstatt Real Madrid oder der FC Chelsea eine Top-Adresse in Europa ist.

Auf dem Bankett sorgte Rummenigge auf jeden Fall dafür, dass der Franzose für eine mögliche Vertragsverlängerung schon einmal bestens ausgerüstet ist. Denn Ribery bekam zu seinem Geburtstag als Geschenk "einen Kugelschreiber. Und wir erwarten, dass er damit irgendwann seinen neuen Vertrag unterschreibt", so Rummenigge.

Aus Manchester berichtet Michael Reis