Wolfgang Overath ist seit 14.Juni 2004 Präsident des 1. FC Köln
Wolfgang Overath ist seit 14.Juni 2004 Präsident des 1. FC Köln

"Lukas macht das sensationell"

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Generationen-Treff beim 1. FC Köln: Die Legende und amtierender Präsident Wolfgang Overath und das Idol Lukas Podolski im Doppel-Interview mit bundesliga.de - über die Liebe zu ihrem Club, die "Poldimania" in Köln und über ihre Freundschaft.

bundesliga.de: Wolfgang Overath, erinnern Sie sich spontan daran, wann Sie Lukas Podolski zum ersten Mal bewusst wahrgenommen haben?

Wolfgang Overath: So richtig, als er schon in der ersten Mannschaft gespielt hat, vor fünf Jahren in seiner ersten Saison bei den Profis, als wir mit dem neu gewählten Präsidium begonnen haben. Der damalige Trainer Marcel Koller hatte ihn in der Rückrunde aus der Jugend geholt, danach ging es unter Huub Stevens weiter.

bundesliga.de: Lukas Podolski, wann sind Sie Wolfgang Overath zum ersten Mal begegnet?

Lukas Podolski: Ehrlich gesagt kann ich mich an das genaue Datum nicht mehr erinnern. Aber schon als Jugendspieler war ich hier ständig auf dem Clubgelände am Geißbockheim, das die tolle Möglichkeit dieser Nähe zu den Profis für den Nachwuchs bietet. Wolfgang Overath ist nicht nur für mich eine ganz besondere Persönlichkeit für diesen Verein und den gesamten deutschen Fußball. Er war einer der besten deutschen Spieler überhaupt. Ein bisschen ist er auch Vorbild für mich. Als Fußballer und als Menschen schätze ich ihn sehr.

bundesliga.de: Wie war Lukas Podolski damals?

Overath: Ein junger Kerl, ein Jugendspieler. Mit einer freundlichen Art, die schon damals ankam: Alle mochten ihn, wirklich alle. Aber er war auch noch verspielt mit seinen 18, 19 Jahren.

bundesliga.de: Aber dann trennten sich die Wege.

Overath: Wir hätten Lukas auch nach dem erneuten Abstieg sehr gerne gehalten. Er ist aber gegangen, wofür wir Verständnis haben mussten, hat aber nie den Kontakt nach Köln verloren. Und die gegenseitige Sympathie wurde immer wieder deutlich. Bei Spielen gegen die Bayern haben sich die Kölner für Lukas gefreut, obwohl der FC 0:3 verloren hat.

Podolski: Ich war zwar drei Jahre lang in München, aber nie so richtig weg aus Köln. Es gab in dieser Zeit immer wieder mal Aktionen von einzelnen Personen oder Gruppen, die mich zurückholen wollten. Das habe ich natürlich verfolgt, und nun freue ich mich, wieder hier zu sein, und den Fans geht es ebenso.

bundesliga.de: Drei Jahre FC Bayern - für Ihre Entwicklung eine wichtige Erfahrung?

Podolski: Der FC Bayern ist die Nummer eins in Deutschland, wenn man um Titel mitspielen und groß herauskommen will. In München ist eigentlich immer garantiert, dass die Mannschaft oben mitspielt. Und obwohl ich dort nicht so oft gespielt habe: Das waren drei tolle Jahre in München, in denen ich sehr viel gelernt und mich entwickelt habe. Deshalb war dieser Schritt absolut richtig.

bundesliga.de: Nun aber der Schritt zurück.

Overath: Lukas braucht für sein Spiel Sicherheit, Selbstvertrauen und Unterstützung, was überhaupt kein Vorwurf in Richtung München ist. Dort gibt es eine Menge Nationalspieler. Und bei einem wie Lukas entscheidet dann nicht allein das Geld, sondern auch die heimische Umgebung, in der er sich wohlfühlt. Irgendwann hat er deshalb gesagt: 'Ich gehöre nach Köln.' Dadurch ist es für uns einfacher geworden, ihn wieder zurückzuholen. Normalerweise hatten wir ja überhaupt keine Chance bei jemandem, der mit 24 Jahren schon über sechzig Länderspiele hat. Ein Spieler seiner Klasse hätte sich seine Mannschaft aussuchen können: in der Bundesliga, in England oder sonst wo. Für uns war es ein Riesenglück, dass Lukas sich in München nicht richtig zurechtfand und er nach Hause wollte. Natürlich verdient er auch bei uns nicht schlecht, woanders hätte er aber sicher viel mehr bekommen können. Diese Einstellung gibt es heute nur noch ganz, ganz selten. Das ist etwas Besonderes und in der Bundesliga aus meiner Sicht einmalig.

bundesliga.de: Liegt der Präsident mit dieser Einschätzung richtig?

Overath: Er kann ja jetzt schlecht sagen, dass ich nicht Recht habe…

Podolski: Mein Weggang hatte damals ja Gründe. Der FC war leider abgestiegen. Sonst hätte ich den Verein nie verlassen, der etwas ganz Besonderes ist. Die ganze Stadt denkt an Fußball und fiebert mit dem Club, wie es das im Fußball nicht so oft gibt. In jedem Imbiss, jeder Pommes-Bude oder sonst wo gibt es FC-Schals oder -Wimpel.

bundesliga.de: Gute Worte alleine reichen aber oft nicht aus für einen Transfer.

Overath: Wir haben als Verein alles daran gesetzt, Lukas zu kriegen - und das war schwer. Dass er nun wieder bei uns ist - nicht nur als Spieler -, ist eine super Geschichte, eine besondere Auszeichnung für den FC.

bundesliga.de: Lukas Podolski als ein Gesicht des 1. FC Köln?

Overath: Nein, nicht ein Gesicht. Das Gesicht. Lukas ist das Gesicht dieses Clubs, obwohl es eine ganze Reihe weiterer wunderbarer Spieler bei uns gibt. Aber das Gesicht von seiner Geschichte her ist Lukas. Wie früher Hans Schäfer.

bundesliga.de: Und Wolfgang Overath.

Overath: Diese Einordnung überlasse ich anderen. Lukas kann Fußball spielen wie kaum ein anderer. Und dass er mit Menschen umgehen kann, zeigt er jeden Tag.

bundesliga.de: Für die Euphorie schon bei der Saisoneröffnung war Ihre Rückkehr ausschlaggebend. Wie fühlen Sie sich in der Rolle als ständiger Mittelpunkt?

Podolski: Ich habe damit überhaupt kein Problem, sehe es eher als normal an - wie es in Köln halt so ist. Die Leute hier lieben den Fußball, die Begeisterung wird schon bei jedem Training deutlich und erst recht bei den Spielen. Wer einmal im RheinEnergieStadion war, der ist beeindruckt von der Atmosphäre. Wenn die FC-Hymne gespielt wird und die Fans feiern, ist das auch für mich als Spieler einfach etwas Geiles.

Overath: Lukas kommt glänzend damit zurecht, er macht das sensationell.

bundesliga.de: Bleibt da in einer so fußballverrückten Stadt noch ein Stück Freiraum?

Podolski: Den habe ich ja zuhause bei meiner Familie, zu der seit einem Jahr ja auch unser Sohn Louis gehört. Dort kann ich abschalten und mich erholen. Jeder braucht doch Phasen, in denen er sich mal zurückziehen muss. Und wir können auch immer noch zum Essen in ein Restaurant gehen. Andererseits kann ich mit meiner Situation gut umgehen und empfinde die Begeisterung der Fans als etwas Positives, auch als etwas, das mich beflügelt.

Overath: Sich zuhause am wohlsten zu fühlen, hilft Lukas auch dabei, mit seiner Situation fertig zu werden. Es ist doch eine Stärke, sich dort zu erholen. Was um diesen Jungen hier heute abgeht, was er hier aushalten muss: Manchmal tut er mir richtig Leid. Lukas sagt immer, er habe keinen Druck. Das finde ich toll. Aber ich bin froh, dass ich in einer anderen Zeit gespielt habe, obwohl ich in jungen Jahren nach meinem ersten Länderspiel mit 19 beim FC ja eine ähnliche Position hatte wie er jetzt. Aber miteinander vergleichen lassen sich diese Zeiten überhaupt nicht. Da gibt es keinerlei Parallelen.

bundesliga.de: Wird der Rummel wirklich nicht zur Belastung?

Podolski: Ich selbst empfinde das nicht so. Vielleicht hat der eine oder andere Journalist mehr Druck dadurch, dass er jeden Tag über mich berichten muss.