Motivator und Taktikfuchs: Hertha-Trainer Jos Luhukay (© Imago)
Motivator und Taktikfuchs: Hertha-Trainer Jos Luhukay (© Imago)

Luhukay: Euphoriebremser mit Plan B

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München - Die Euphoriebremse hat im Fußball-Geschäft bereits große Berühmtheit erlangt. Über die ganze Bundesrepublik verteilt wird sie in sämtlichen Vereinen immer wieder und gerne getreten. Beim Hauptstadtclub Hertha BSC wird sie derzeit nicht nur getreten, sondern gar bis zum Anschlag durchgedrückt. Eine Vollbremsung quasi. Euphorie komplett auf null gestellt.

Luhukay stolz, aber nicht euphorisch

"Die Tabelle können sich die Fans ausdrucken, mit ins Büro nehmen und jedem zeigen, der sie sehen will", witzelte Verteidiger Johannes van den Bergh im "Tagesspiegel". Es wird wohl nicht wenige Anhänger geben, die mit dem Gedanken spielen, den nicht ernst gemeinten Ratschlag van den Berghs tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Stolz wie schon lange nicht mehr feierten die Fans im Berliner Olympiastadion ihre Alte Dame nach dem am vergangenen Samstag. "Europapokal, Europapokal", sangen die Hertha-Fans, um danach gleich eine Kampfansage an den nächsten Gegner zu richten. "Zieht den Bayern die Lederhosen aus."



"Die Fans sind natürlich sehr stolz im Moment", sagte Trainer Jos Luhukay. "Sie sind euphorisiert." Und das auch zu Recht. Die Hertha belegt mit 15 Punkten aus neun Spielen sensationell Platz 4, der für die Champions-League-Qualifikation berechtigt. In keinem der neun Spiele gingen die Berliner unter und auch bei den Niederlagen in Wolfsburg und gegen Stuttgart war der Aufsteiger ebenbürtig.

Zwar keine Euphorie, aber ein wenig Stolz wollte bei Luhukay schließlich doch noch aufkommen. Denn die positiven Ergebnisse nach gut einem Viertel der Saison sind natürlich hausgemacht. "Es ist eigentlich beeindruckend, wie schnell sich die Mannschaft in der Bundesliga eingelebt hat", sagte Luhukay. "Das ist nicht normal." Nicht normal und auch kein Zufall. Im Spiel gegen die Fohlen demonstrierte die Hertha eindrucksvoll ihre taktische Flexibilität.

Langkamp: "Der Trainer hatte zwei Pläne"



Fabian Lustenberger und Co. fingen mit offensivem Pressing an, doch weil die Gäste sich davon nicht beeindrucken ließen, reagierte Luhukay. "Der Trainer hatte zwei Pläne", erklärte Abwehrspieler Sebastian Langkamp in der "Berliner Morgenpost". "In den ersten Minuten sollten wir offensiv richtig Druck machen, um den Gegner zu verunsichern. Wenn wir aber merken, dass Gladbach sich nicht verunsichern lässt und gefährlich kontert, sollten wir uns nach 15 Minuten zurückziehen und die Räume eng machen."

Gesagt, getan. Die Mannschaft setzte die Änderung der taktischen Marschroute eins zu eins in die Tat um, gewann das Spiel und blieb erneut ohne Gegentor.

Stabile Defensive als Erfolgsbasis



Lediglich neun Mal musste Hertha-Keeper Thomas Kraft den Ball in der laufenden Saison aus dem Netz holen. Hinter Bayern und Dortmund stellen die Berliner somit die drittbeste Defensive der Liga, die gleichzeitig die Basis für den Erfolg ist. Sollte die Abwehrreihe weiterhin so stabil bleiben, kann sich die Elf von Luhukay auch ohne offensiven Hurra-Fußball im oberen Tabellendrittel festbeißen und es den Spitzenmannschaften im direkten Duell schwer machen.

Trotzdem will man beim Hauptstadtclub nichts von Europapokal-Euphorie wissen. Natürlich nicht. "Wir werden sehr nüchtern und sehr realistisch mit dieser Situation umgehen", versicherte Luhukay, und Torhüter Kraft, der gegen Gladbach einmal mehr ein verlässlicher Rückhalt war, erinnerte daran, dass "uns immer bewusst sein muss, worum es geht". Nämlich um den Klassenerhalt, nichts als das.

David Schmidt