Thiago Alcantara ist der Sohn des brasilianischen Weltmeisters Mazinho
Thiago Alcantara ist der Sohn des brasilianischen Weltmeisters Mazinho

Lopez: "Ich sehe Thiago als Achter"

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München - Marcos Lopez, 38, ist Spaniens bekanntester Fußball-Analyst. Er hat den A-Trainer-Schein und war von 2011 bis 2012 Sportdirektor beim AS Rom unter Trainer Luis Enrique. Derzeit arbeitet er unter anderem als Experte bei "Marca", dem Hörfunksender "COPE", dem Sport-Sender "Marca TV" sowie den Privatsendern "La Sexta" und "Antena 3". Seine Meinung ist in Spanien gefragt, wenn es darum geht, Mannschaften und Spieler einzuschätzen - auch von Seiten von Vereinen. Er gibt Vorträge an Universitäten über Taktik und Systeme, unter anderem auch gemeinsam mit dem jetzigen Cheftrainer des SSC Neapel, Rafael Benitez.

Teil 2: Lopez über Thiagos Ursprünge, Guardiolas Charakter und Dortmunds Neuzugänge

Im Interview spricht er über die Rolle von Thiago Alcantara beim FC Bayern, dessen "fröhlichen Knöchel" und die Position der Münchner im Vergleich mit Europas Top-Clubs.

bundesliga.de: Herr Lopez, Sie verfolgen und analysieren seit vielen Jahren die Entwicklung vieler Spieler, da ist natürlich Ihre Meinung zu Bayerns Neuzugang Thiago für die Fans in Deutschland sehr interessant. Wann haben Sie Thiago zum ersten Mal auf dem Radar gehabt?

Marcos Lopez: Ich habe Thiago zum ersten Mal wahrgenommen, da war er 14, 15 Jahre alt. Einerseits wegen seines natürlichen Talents, andererseits weil er der Sohn des brasilianischen Weltmeisters Mazinho ist. Als er noch in den Jugendteams des FC Barcelona war, konnte man schon erahnen, dass er aufgrund seiner individuellen Klasse den allerletzten Schritt in die erste Mannschaft schaffen könnte. Seine Art Fußball zu spielen, fällt einem sofort ins Auge, es machte damals jedem schon Spaß, ihm zuzusehen.

bundesliga.de: Trotz aller Lobeshymnen fragen sich viele - nicht nur Bayern-Fans - in Deutschland, ob der Wechsel Thiagos zum FC Bayern unbedingt notwendig war, wenn man sich den Kader des Triplegewinners anschaut. Warum wollte Guardiola den U21-Europameister unbedingt haben?

Lopez: Bayern hat einen riesigen Kader, ohne Zweifel. Aber Pep hat seine eigenen Ideen und Konzepte vom Fußball. Er ist ein Verfechter des Kombinationsfußballs, einige Konzepte werden neu sein für einige Bayern-Spieler. Thiago ist ein Spieler, der in diese Konzepte reinpasst, er kann den Spielern den Weg weisen, so muss Guardiola nicht allzu viel erklären von seiner Idee. Thiago kann die Arbeit seiner Mannschaftskameraden erleichtern. Ich glaube, dass ein Spieler wie Toni Kroos mit Thiago wachsen kann. Wenn beide zusammen auf dem Spielfeld sind, wäre das ein super Duo fürs Mittelfeld.

bundesliga.de: Der deutsche Fußball gilt als physischer und körperbetonter als der spanische. Könnte es sein, dass Thiago hiermit Probleme bekommt und nicht so richtig zur Entfaltung kommt, wenn er härter rangenommen wird?

Lopez: Für Guardiola ist es sehr wichtig, dass die Spieler richtig positioniert sind. Es muss nicht zu einem Zusammenstoß kommen, wichtig ist, den Ball sauber rauszuspielen. Den Fußballern des FC Barcelona wirft man ja manchmal vor, dass sie nicht richtig in die Zweikämpfe gehen. Tatsache ist, dass sie bei einem Zweikampf den Ball nicht einfach Rausschlagen. Sie vermeiden den Kontakt zum Gegenspieler, um den Ball sauber rauszuspielen und um so einen schnellen Übergang von der Abwehr zum Angriff zu bewerkstelligen. Ich denke, dass bei Bayern genauso wie bei Barca, der Ball sehr schnell gespielt werden wird, so dass man sofort ein Überzahlspiel hat mit dem Rücken zum Gegner. Wenn der Ball mit einem gewissen Tempo gespielt wird, wird der Gegner zu spät an den Ball kommen und so wird es nicht oft vorkommen, dass es zu Zusammenstößen zwischen zwei Spielern kommt.

bundesliga.de: Thiago haben wir im Telekom-Cup als Sechser mit Drang nach vorne gesehen, wo denken Sie wäre seine ideale Position beim FC Bayern?

Lopez: Thiago muss sich im gegnerischen Strafraum bewegen. Wenn er nur als Sechser spielt, dann kann er seine großen Qualitäten nicht ausspielen. Als Sechser braucht Guardiola einen Spieler, der schnell von Abwehr aus Angriff umschalten kann, das ist nicht die Stärke von Thiago. Seine Rolle sehe ich eher als Achter, immer in der gegnerischen Hälfte, da kann er die defensiven Mittelfeldspieler des Gegners beschäftigen und seine Stärken ausspielen. Insgesamt sehe ich Thiago in seiner besten Position als Achter in einem 4-3-3 System.

bundesliga.de: Auch die deutsche Presse zeigt sich positiv überrascht von den Qualitäten Thiagos. Sie kennen ihn seit Jahren. Wo liegen seine Schwächen, wenn er überhaupt welche hat?

Lopez: Über Thiago habe ich mal geschrieben er sei "der Fussballer mit dem fröhlichen Knöchel". Er ist fußballerisch noch am wachsen, er muss noch einiges lernen, er hat seinen Zenit noch nicht erreicht. Ich denke, er sollte schlau sein und sich die Tugenden des deutschen Fußballs aneignen, um seinen Level zu erhöhen. So wie das Javi Martinez gelungen ist. Martinez hat mit dem, was er in der Bundesliga gelernt hat, einen qualitativen Sprung nach vorne gemacht. Das, was bei Thiago den Unterschied macht, muss er in der gegnerischen Hälfte tun, er ist ein Spieler, der in der eigenen Hälfte einen Gegenspieler tunnelt oder die Ästhetik einer Aktion sucht, diese Dinge sollten limitiert werden. Thiago wird sich verbessern, ohne Zweifel, er steckt noch in einem Wachstums - und Lernprozess. Er ist in der Jugend des FC Barcelona sehr gut geschult worden, diese Fähigkeit den Ball millimetergenau zu spielen, haben nur wenige Spieler.

bundesliga.de: Dann fragen sich natürlich die User von bundesliga.de, warum so ein Spieler beim FC Barcelona so selten zum Zuge kam. Kann man sagen, dass er es bei den Katalanen nicht so richtig geschafft hat?

Lopez: Es gibt Hierarchien beim FC Barcelona. Nach den vielen Titeln in den letzten Jahren gibt es Spieler beim FC Barcelona, deren Status nicht zu diskutieren ist. Dieser Status schadet denen, die aus dem eigenen Nachwuchs kommen. Beziehungsweise denen, die sich weiterentwickeln wollen. Thiago schrie regelrecht nach Einsätzen, doch am Ende haben bei wichtigen Spielen immer die Gleichen gespielt. Deswegen glaube ich, dass nichts Komisches an dem Weggang von Thiago ist. Der Spieler wusste, dass auf seiner Position bei Barca ein Überangebot an Spielern ist, deswegen ging er weg, schlug sogar ein Angebot von Manchester United aus, um zu Guardiola zu wechseln. Und das, obwohl Bayern selber viele Top-Mittelfeldspieler hat.



Das Gespräch führte Miguel Gutierrez