Der Ex-Freiburger Ralf Kohl räumt "seinem" SC gute Chancen im Abstiegskampf ein: "Ich bin mir sicher, dass wir die nötigen Punkte gegen die Konkurrenz holen werden" (© Imago)
Der Ex-Freiburger Ralf Kohl räumt "seinem" SC gute Chancen im Abstiegskampf ein: "Ich bin mir sicher, dass wir die nötigen Punkte gegen die Konkurrenz holen werden" (© Imago)

Kohl: "Eher steigt Stuttgart ab..."

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München - Die Bundesliga geht allmählich in die entscheidende Phase. Der Tabellenkeller ist eng, der Kampf um den Klassenerhalt eröffnet. Ex-Profi Ralf Kohl weiß, worauf es nun besonders ankommt. Mit dem SC Freiburg hat der heutige Sportgeschäft-Besitzer den ein oder anderen Fahrstuhlgang zwischen 1. und 2. Bundesliga mitgemacht.

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Im exklusiven Interview spricht der "Kanzler", der insgesamt 147 Spiele für die Breisgauer absolvierte, mit bundesliga.de über die Chancen des SC auf den Klassenerhalt, das besondere Umfeld im Breisgau, den legendären Abstiegskrimi der Saison 1998/99 und über den neuen Stolz der ganzen Stadt.

bundesliga.de: Herr Kohl, Matthias Ginter hat sein Debüt für die Nationalmannschaft gegeben. Christian Streich hatte schon nach der Nominierung gesagt, Ginter sei der Stolz Freiburgs. Wie wird das in Freiburg aufgenommen?

Ralf Kohl: Natürlich ist das für einen Verein wie den SC Freiburg schön, so einen Spieler herauszubringen. Aber auch in der Vergangenheit hat es das ja schon gegeben. Für die Region ist das ganz toll, denn er ist ein Junge, der von hier kommt und die Freiburger Fußballschule durchlaufen hat. Das zeigt auch, dass im Nachwuchsleistungszentrum gute Arbeit geleistet wird. Man kann stolz sein, so einen Spieler ausgebildet zu haben.

bundesliga.de: Neben der tollen Erfahrung für Ginter stehen beim SC aber doch die Sorgen im Vordergrund. Letzte Saison lief es super, der Club qualifizierte sich sogar für die Europa League. Woran liegt es, dass es in dieser Spielzeit nicht so läuft?

Kohl: Es kann immer mal einen Ausreißer nach oben geben. Dafür muss alles zusammen passen, jedes Rädchen muss ins andere greifen, dann ist auch mal so eine starke Saison drin, in der man sogar einen europäischen Wettbewerb erreicht. Generell muss man in Freiburg aber auch damit rechnen, dass man gegen den Abstieg spielt.

bundesliga.de: Immer wieder merkt man gerade Überraschungsteams der Vorsaison die Doppelbelastung stark an. Ist die Europa League also eher Fluch als Segen?

Kohl: Der Verein musste auch viele Abgänge von Leistungsträgern verkraften. Einige der Neuverpflichtungen standen anfangs aufgrund von Verletzungen gar nicht zur Verfügung. Wenn dann neue Spieler nicht direkt die Erwartungen erfüllen, wird es besonders mit der Doppelbelastung schwierig.

bundesliga.de: Dennoch ist der Sport-Club den Abstiegskampf ja gewohnt. Ist das ein Vorteil gegenüber Teams wie Hamburg, Bremen oder Stuttgart?

Kohl: Zumindest das Umfeld bewahrt erst mal die Ruhe, das ist ein riesiger Vorteil. Dass man voll hinter dem Trainer steht und an einem Strang zieht, ist gerade im Abstiegskampf wichtig. Als Spieler ist man natürlich verunsichert, wenn man unten steht. Aber viele der Freiburger Jungs sind noch unerfahren.

bundesliga.de: Für den SC brechen jetzt die Wochen der Wahrheit an. Ab nächster Woche heißen die Gegner Frankfurt, Bremen, Hamburg, Nürnberg und Braunschweig... 

Kohl: Das ist natürlich eine vorentscheidende Phase. Jetzt kommt erst noch das Spiel gegen Dortmund (Fakten zum Spiel). Da hat man nichts zu verlieren, aber ist nie ganz chancenlos. Die Begegnungen danach gegen Frankfurt, Bremen oder Braunschweig werden richtungsweisend. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir dort die nötigen Punkte holen werden.

bundesliga.de: Sie waren beim legendären Abstiegskrimi 1999 dabei, als sich Freiburg rettete und Nürnberg abstieg (Freiburg siegte in Nürnberg am letzten Spieltag mit 1:2, Anm. d. Red.). Welche Erinnerungen haben Sie an damals?

Kohl: Sehr schöne. Es war eigentlich noch schöner als ein Aufstieg. Mit uns hat überhaupt keiner mehr gerechnet, wir waren auch fast schon abgestiegen. Das war eine Situation, in der eigentlich kein Druck mehr da war. Dann haben wir das drittletzte Spiel in Stuttgart gewonnen und haben wieder angefangen, an uns zu glauben. Ich bekomme dabei heute noch Gänsehaut, es war eine Sensation und ein ganz tolles Gefühl.

bundesliga.de: Wird es in dieser Saison ebenso viel Dramatik geben?

Kohl: Ich hoffe es aus Freiburger Sicht natürlich nicht, aber es könnte durchaus sein. Es bleibt bis zu den letzten zwei, drei Spielen spannend  - und dann schafft Freiburg den Klassenerhalt.

bundesliga.de: Wem trauen Sie abgesehen von Freiburg zu, die Kurve zu bekommen - und wer steigt ab?

Kohl: Neben Braunschweig muss auch Frankfurt kräftig zittern. Und einen etablierten Verein wie den HSV könnte es auch erwischen. Dann gibt es noch drei, vier Vereine, zu denen auch der SC gehört, für die es schwer wird. Bremen hat meiner Meinung nach so viel Potenzial, dass sie mit dem Abstieg wohl nichts zu tun haben werden. Und eher steigt Stuttgart ab, als Freiburg. Nicht aufgrund der Rivalität, aber weil auch dort nicht diese Ruhe herrscht.

Das Gespräch führte Sebastian Blome