Jörg Albertz wechselte 2003 vom Hamburger SV zu Shanghai Shengua nach China
Jörg Albertz wechselte 2003 vom Hamburger SV zu Shanghai Shengua nach China

Albertz: "Zhang hat bestimmt Potenzial"

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Köln - Der VfL Wolfsburg hat am Dienstag seinen chinesischen Neuzugang Xizhe Zhang vorgestellt. Der 23-jährige chinesische Nationalspieler verstärkt den Tabellenzweiten zur Winterpause. bundesliga.de hat mit Jörg Albertz über den Wechsel gesprochen. Der Ex-HSVer ist China-Experte, denn er spielte selbst zwei Jahre lang für Shanghai Shengua und wurde 2003 zum Spieler des Jahres in China gewählt.

Infografik: Chinesen in der Bundesliga

bundesliga.de: Herr Albertz, vor elf Jahren haben Sie sich auf das Abenteuer China eingelassen und wechselten 2003 vom HSV zu Shanghai Shengua. Was haben Sie damals gedacht als Sie aus dem Flieger ausgestiegen sind?

Jörg Albertz: Es war riesiger Kulturschock für mich und meine damalige Freundin. Wir sind dort angekommen und ich saß im Hotelzimmer und wollte direkt wieder nach Hause. Wir haben dann aber den nächsten Tag abgewartet und den Trainer kennengelernt. Er hat mir das Trainingsgelände gezeigt und das war damals schon ganz gut. Die Gespräche mit dem Coach waren okay, er konnte deutsch, weil er in Köln studiert hatte. Ich habe mich dann für den Wechsel entschieden, weil ich beim HSV nur noch auf der Bank gesessen habe und noch ein bisschen spielen wollte. Im Nachhinein muss ich sagen, war das eine ganz tolle Erfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann.

bundesliga.de: Im Gegensatz zu weiten Teilen des Landes gilt Shanghai als weltoffene, kosmopolitische Stadt. War das auch ein Vorteil für Sie, um sich vor Ort besser einzuleben?

Albertz: Sicherlich. Shanghai ist eine Weltstadt und nicht mit anderen Städten in China vergleichbar. Ich weiß nicht, ob ich mein Engagement durchgezogen hätte, wenn ich in der Provinz gespielt hätte.

bundesliga.de: Was waren die größten Probleme im Alltag?

Albertz: Die Größe des Landes erschlägt einen, es ist alles soweit von einander entfernt, aber wenn man sich auskennt, ist das alles gar kein Problem. In China bekommt man bekommt auch seine Thomy-Remoulade oder frisches Weißbrot. Negativ ist sicherlich das wahnsinnige Verkehrsaufkommen. Da erlebst du Sachen ... Für mich war das aber alles nicht so schlimm, ich kann mich schnell anpassen. 

bundesliga.de: Sie waren einer der ersten Ausländer im Team. Wie lief die Kommunikation mit den Chinesen ab?

Albertz: Das war kein Problem. Das ganze Team hat sich Riesenmühe gegeben, der ein oder andere hat auch ein paar Brocken englisch gesprochen, außerdem hatte ich einen eigenen Dolmetscher. Auf dem Platz haben ich die wichtigsten Wörter wie links, rechts oder geradeaus schnell gelernt und auf dem Rasen gibt es Methoden, dass der eine den anderen versteht.

bundesliga.de: Gleich in ihrer ersten Saison sind Sie zum besten Spieler der Saison gewählt worden und haben mit ihrem Team die Meisterschaft gewonnen. Wie würden Sie das Niveau der Liga damals einschätzen?

Albertz: Als ich dort angefangen bin, gab es die Liga erst seit zehn Jahren. Es hat sich in China zwar viel getan, aber es muss dort noch viel passieren, wenn man international mithalten möchte. Die Chinesen sind aber sehr lernwillig. China hat ein Riesenpotenzial schon aufgrund der großen Bevölkerungszahl. Einige Dinge müssen aber noch professioneller gelebt werden, der europäische Fußball ist die Maßgabe. Zu meiner Zeit hatten die Topteams in China Zweitliga-Niveau.

bundesliga.de: Wie musste man sich so einen Spieltag in China vorstellen?

Albertz: Zu den Spielen sind wir teilweise vier, fünf Stunden geflogen. Vor Ort saßen wir dann noch einmal drei Stunden im Bus. Einige Spieler mussten auf Kisten platz nehmen, da denkt man schon, dass man sich so nicht professionell auf ein Spiel vorbereiten kann. Die Infrastruktur hat sich aber mittlerweile verbessert. Es ist viel professioneller geworden. Wir haben uns beispielsweise immer direkt umgezogen und im Hotel geduscht.

bundesliga.de: Glauben Sie, dass der neue Wolfsburger Neuzugang Xizhe Zhang eine Verstärkung für das Team sein kann?

Albertz: In den letzten Jahren hat sich das Niveau der chinesischen Liga verbessert. Von Trainern wie Marcello Lippi (trainiert den Meister Evergrande, Anm. d. Red.) können die Spieler viel lernen. Die Chinesen sind schnell und technisch stark, auch wenn oft die nötige Disziplin fehlt.Die Scouting-Abteilung des VfL wird den Spieler beobachtet haben. Die wissen schon was sie tun.

bundesliga.de: Zhang war immerhin zehnfacher chinesischer Nationalspieler ist und 2012 Nachwuchsspieler des Jahres. Wie schnell kann er sich in Deutschland akklimatisieren?

Albertz: Ich gehe davon aus, dass er für den VfL ein Perspektivspieler sein soll. Der Junge wird bestimmt Potenzial haben. Ob er kurzfristig oder langfristig eine Verstärkung wird, muss man sehen. Wichtig ist, dass er sich schnell in Deutschland zurechtfindet und wohlfühlt.

bundesliga.de: Chinesen gelten im Allgemeinen als sehr schüchtern und introvertiert. Wie kann man Zhang am schnellsten integrieren?

Albertz: Chinesen sind sehr familienbezogen. Einen jungen Chinesen aus seiner gewohnten Umgebung zu holen, ist nicht einfach. Zhang muss sehr charakterstark sein, um in Deutschland Fuß zu fassen, denn es wird sicherlich am Anfang der Fall sein, dass er wenig spielt. Ein ehemaliger Mitspieler von mir in Shanghai, Du Wei, wechselte 2005 zu Celtic Glasgow und kam dort gar nicht klar und verließ Schottland nach einer Saison wieder. 

bundesliga.de: Wann waren Sie das letzte Mal in China?

Albertz: Im letzten Jahr hat mich der Verband und der Verein eingeladen. Sie haben ein Jubiläumsspiel gegen Real Madrid veranstaltet. Ich habe dort immer noch einen sehr guten Ruf und habe mich gefreut, dass ich noch einmal nach China fliegen dürfte.

Das Gespräch führte Alexander Barklage