"Litti" der Weltenbummler: Zwischen 2004 und 2006 arbeitete Pierre Littbarski beim Sidney FC in Australien
"Litti" der Weltenbummler: Zwischen 2004 und 2006 arbeitete Pierre Littbarski beim Sidney FC in Australien

"Jetzt werde ich mir die Bundesliga anschauen"

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Am heutigen Freitag (16. April) feiert einer der ganz Großen des deutschen Fußballs seinen 50. Geburtstag: Pierre Littbarski. Der gebürtige Berliner nahm an drei Weltmeisterschaften teil und gewann 1990 nach zwei verlorenen Endspielen 1982 und 1986 den Titel.

Der nur 1,68 Meter große Dribbelkünstler brachte es zwischen 1981 und 1990 auf 73 Länderspiele.

116 Tore für die "Geißböcke"

In der Bundesliga war Littbarski nur für einen Club aktiv. 406 Spiele bestritt er für den 1. FC Köln, 116 Mal traf er dabei ins Tor. 1983 gewann er mit den Rheinländern den DFB-Pokal, 1986 stand "Litti" mit dem FC im UEFA-Cup-Finale. Littbarski kickte ein Jahr in Frankreich für den Racing Club Paris. 1993 wechselte er in die neugegründete J. League nach Japan, wo er seine Spielerkarriere bei JEF United ausklingen ließ.

Danach wurde er Trainer. In Japan und Australien gewann er drei Landesmeisterschaften, seine kurzen Gastspiele im Iran und in Deutschland blieben nicht von Erfolg gekrönt. Als Assistent von Berti Vogts endete sein Engagement 2001 in Leverkusen ebenso vorzeitig wie seine einzige Cheftrainerstelle in Deutschland beim MSV Duisburg. Zuletzt war Pierre Littbarski für den FC Vaduz in Liechtenstein verantwortlich, wo er am Montag entlassen wurde.

bundesliga.de: Am Freitag feiern Sie Ihren 50. Geburtstag? Was ist geplant, gibt es eine große oder kleine Feier?

Pierre Littbarski: Ich bin da durch meine Zeit in Japan geprägt. Dort ist das kein besonderer Anlass. Es gibt keine große Feier. Ich werde mit meiner Frau und den beiden Kindern schön essen gehen und einen schönen Tag verbringen.

bundesliga.de: Kurz vor Ihrem Geburtstag hat Ihnen Ihr Verein FC Vaduz als Geschenk die Papiere überreicht. Kam das für Sie überraschend?

Littbarski: Sehr überraschend. Wir hatten zwar die letzten drei Spiele verloren, aber wir sind wegen vieler verletzter Spieler auch nur mit einer Rumpfmannschaft angetreten, mit sechs Mann Ersatz. Das konnten wir nicht kompensieren. Aber wir haben nur noch ein paar Spiele und konnten nicht mehr aufsteigen. Ich war gerade in Österreich beim Zahnarzt als mich mein Co-Trainer Dietmar Schacht anrief und mir von der Entlassung berichtete.

bundesliga.de: Empfanden Sie das als stillos?

Littbarski: Das kann jeder sehen, wie er möchte. Es gab im Januar einen Umbruch im Verein. Der Sportdirektor, der mich geholt hatte, ist jetzt weg. Und der Neue hat andere Planungen. Für mich war klar, dass im Juni sowieso Schluss gewesen wäre. Jetzt ist es halt ein paar Wochen früher passiert.

bundesliga.de: Als Spieler haben Sie eine aufregende Karriere erlebt. Was sind im Rückblick Ihre schönsten Erinnerungen an Ihre aktive Zeit?

Littbarski: In erster Linie natürlich der WM-Titel 1990. Zusammen mit Lothar Matthäus war ich ja schon bei den WMs 1982 und 1986 dabei, als wir jeweils im Endspiel verloren. Außergewöhnlich war auch das Pokalendspiel mit dem 1. FC Köln 1983, als ich das entscheidende Tor geschossen habe. Oder das erste Spiel nach meinem Kreuzbandriss, ein Pokalviertelfinalspiel gegen den VfB Stuttgart, das wir in der Verlängerung 1:0 gewonnen haben. Highlights waren auch die Zusammenarbeit mit so außergewöhnlichen Persönlichkeiten wie Franz Beckenbauer, Hennes Weisweiler, Rinus Michels, später Christoph Daum oder Berti Vogts. Bei dem Gedanken daran, läuft es mir jetzt noch kalt den Rücken runter. Das war eine tolle Schule.

bundesliga.de: Kommen wir auf die Bundesliga zu sprechen.

Littbarski: Sehr gerne. Ich werde jetzt wieder von Freitag bis Samstag vor dem Fernseher sitzen und mir mit meinen beiden Jungs die Spiele anschauen. Die sind Fans von Bayern, Hamburg und Leverkusen.

bundesliga.de: Das sind die Clubs, die in der Hinrunde dominiert haben. Jetzt hat sich Bayern etwas abgesetzt. Glauben Sie, dass eine Vorentscheidung im Meisterschaftsrennen gefallen ist?

Littbarski: Ich glaube, die zwei Punkte Vorsprung reichen den Bayern. Auch wenn Schalke sehr gut da steht und bislang überrascht und die Saison mit Bravour gespielt hat. Die Bayern könnte nur noch ein Ausscheiden in der Champions League aus der Bahn werfen, weil jetzt jeder im Halbfinale gegen Lyon den Einzug ins Endspiel erwartet. Aber das werden ganz schwere Spiele. Für die Bayern wäre es fast besser gewesen, gegen Barcelona oder Inter zu spielen, weil da die Erwartung nicht so hoch wäre. Wenn sie gegen Lyon das Hinspiel gewinnen, sind sie für mich als Meister durch.

bundesliga.de: Und Schalke 04?

Littbarski: Ich hoffe nicht, dass sie das "Leverkusen-Syndrom" bekommen und nie etwas gewinnen. Sie haben eine großartige Saison gespielt. Das kam für mich sehr überraschend. Es ist erstaunlich, in welch kurzer Zeit Felix Magath das Team geformt hat. Sie sind nicht nur körperlich, sondern auch taktisch stark, auch wenn sie fußballerisch nicht so glänzen. Ihre Rückwärtsbewegung ist einmalig. Nach Ballverlust und bei Standards ist Schalke die beste Mannschaft der Liga.

bundesliga.de: Leverkusen spielt für Sie keine Rolle mehr im Meisterschaftskampf?

Littbarski: Nein. Ich kenne Jupp Heynckes ja schon lange. Er hat das Maximale herausgeholt. Grandios war die Verpflichtung von Sami Hyppiä. Ich verfolge die Premier League schon lange. Der Mann kann eine Mannschaft positiv beeinflussen, er ist ein sehr positiver Charakter. Hinten stimmt es und vorne haben sie ohnehin Qualität.

bundesliga.de: Wenn Schalke und Leverkusen positiv überrascht haben, wer hat Ihrer Meinung nach enttäuscht?

Littbarski: In der Hinrunde hat mich Wolfsburg enttäuscht. Es war traurig, dass wir nicht mehr so schöne Tore von Grafite zu sehen bekamen. Dafür ist Dzeko noch besser geworden. Inzwischen haben sie sich wieder gefangen. Stuttgart blieb in der Hinrunde auch hinter den Erwartungen zurück. Und dann kommt ein neuer Trainer und holt wieder aus der Mannschaft alles heraus. Erst das Erfolgserlebnis in der Champions League, dann hat er die Sturmformation durcheinander gewirbelt. Schon läuft es.

bundesliga.de: Wir hätten jetzt erwartet, dass Sie als gebürtige Berliner als erstes die Hertha nennen würden?

Littbarski: Bei Hertha hat der Misserfolg ja eine Ursache. Sie haben mit Voronin, Pantelic und Simunic drei Stützen abgegeben, dann fiel der Keeper aus und konnte nicht ersetzt werden. Alle Verantwortung lastete auf Arne Friedrich, die anderen waren Mitläufer. Für die Hauptstadt ist die Entwicklung traurig. Aber man sollte sie noch nicht ganz abschreiben. Ich halte Friedhelm Funkel für den richtigen Trainer. Wenn es einer schafft, dann er.

bundesliga.de: Wie gefällt Ihnen die Entwicklung bei Ihrem Ex-Verein 1. FC Köln?

Littbarski: Mein Eindruck ist, dass sich die Spieler nicht richtig mit dem Verein identifizieren. Mir fehlt das Herz. Sie machen Dienst nach Vorschrift, statt sich - pardon - den Hintern aufzureißen. Wenn sie unter Druck sind und gewinnen müssen, landen sie die Siege, um sich einigermaßen über dem Strich zu halten. Die Spieler haben die verdammte Pflicht, wegen der hohen Summen, die gezahlt werden, Leistung abzuliefern. Ich kann nicht verstehen, dass die Spieler unter der Woche in der Disco feiern. Sie sollen sich auf ihren Job konzentrieren.

bundesliga.de: Sie haben in Japan, Australien und im Iran gearbeitet. Wie wird die Bundesliga im Ausland aus Ihrer Sicht wahrgenommen?

Littbarski: Sie wird sehr hoch gehandelt wie der deutsche Fußball insgesamt. Sie hat einen hohen Stellenwert. Man hat Respekt vor dem Willen und der Leistungsbereitschaft der Deutschen. Und die letzten Ergebnisse in der Champions League und der Europa League sind fantastisch. Es macht Spaß, neben den Bayern auch Leverkusen, den HSV oder Werder Bremen spielen zu sehen. In der Bundesliga wird ein guter Fußball gespielt. Und die deutschen Nachwuchsteams sind ja auch sehr erfolgreich.

bundesliga.de: Was machen Sie jetzt in den nächsten Monaten?

Littbarski: Ich werde bei großen Vereinen hospitieren, hoffentlich nächste Woche schon bei Bayern München und danach beim AC Mailand. Gegen dessen Trainer Leandro habe ich selbst noch gespielt. Er hat mich eingeladen.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski


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