Erstmals in seiner Karriere als Bundesligatrainer erlebt Jens Keller auch die Saisonvorbereitung mit. Derzeit bereitet er sich mit seiner Mannschaft in Donaueschingen auf die Spielzeit 2013/2014 vor
Erstmals in seiner Karriere als Bundesligatrainer erlebt Jens Keller auch die Saisonvorbereitung mit. Derzeit bereitet er sich mit seiner Mannschaft in Donaueschingen auf die Spielzeit 2013/2014 vor

Jens Keller: "Um Julian Draxler beneidet uns die ganze Welt"

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Gelsenkirchen - Ende 2012 übernahm Jens Keller die erste Mannschaft des FC Schalke 04. In der Rückrunde gelang es ihm, ein verunsichertes Team zu stabilisieren und am Ende doch noch auf Platz 4 und in die Champions-League-Qualifikation zu führen.

Nun geht der 42 Jahre alte Fußballlehrer bei den "Knappen" erstmals in seiner Karriere als Bundesligatrainer in eine neue Saison. Im Interview spricht er über die Lehren aus einem schwierigen ersten Halbjahr, Julian Draxler und Pep Guardiola.

Frage: Herr Keller, fühlen Sie sich jetzt als richtiger Bundesligatrainer?

Jens Keller: Warum sollte ich mich nicht als richtiger Bundesligatrainer fühlen?

Frage: Weil Sie zum ersten Mal in Ihrer Karriere als Chefcoach in eine Saison starten.

Keller: Das ist richtig, aber auch die letzte halbe Saison war Bundesliga. Es ist sicherlich ein Vorteil, dass man eine längere Vorbereitung hat und den Kader mit beeinflussen kann. Aber ich fühle mich schon länger als Bundesligatrainer.

Frage: Sie hatten einen schweren Start auf Schalke, haben am Ende aber das Ziel Platz 4 erreicht. Was haben Sie mitgenommen aus dem ersten halben Jahr als Schalke-Trainer?

Keller: Dass wir nicht so viele Dinge falsch gemacht haben können. Die Mannschaft war körperlich fit und taktisch gut eingestellt. Sicherlich hat die Konstanz noch gefehlt. Im Großen und Ganzen haben wir den Job nicht so schlecht gemacht.

Frage: Und als Mensch?

Keller: Sehr viel. Mich kann die nächsten Jahre so schnell nichts erschüttern.

Frage: Haben Sie sich verändert? Sie wirken selbstbewusster im Auftreten, hauen mal den einen oder anderen Spruch raus - ganz anders als am Anfang.

Keller: An Selbstbewusstsein hat es mir noch nie gefehlt. Aber als ich übernommen habe, gab es keinen Grund, irgendwas rauszuhauen. Meine Worte waren schon sehr bedacht, weil ich in Stuttgart einen Fehler gemacht hatte. Ich musste ja auch erst mal etwas beweisen, um einen rauszuhauen.

Frage: Was passiert, wenn Sie die Champions-League-Gruppenphase verpassen? Geht dann alles wieder von vorne los?

Keller: Ach, das ist doch in dem Geschäft immer so. Es geht doch nicht nur mir so. Man hat in der Bundesliga nicht ein Jahr lang Ruhe, wenn's nicht läuft - vielleicht bei Bayern München, weil sie alles gewonnen haben.

Frage: Es gibt aber weiterhin bei den Buchmachern die niedrigste Quote, wenn man auf Sie als ersten Rauswurf setzt.

Keller: Letztes Jahr haben ja auch alle gesagt, ich bin schon weg. Wer bei uns schon alles auf der Bank saß - das war beeindruckend. So was interessiert mich nicht.

Frage: Hat sich vom DFB schon jemand gemeldet?

Keller:(lacht) Nationaltrainer? Der Jogi hat doch noch Vertrag.

Frage: Deshalb nicht, sondern um sich dafür zu bedanken, dass Sie das deutsche Mittelfeld für die WM 2018 aufbauen.

Keller: Um Gottes willen, nein. Wir haben uns gut verstärkt mit hungrigen Spielern mit einer guten Mentalität. Wenn man eines der Toptalente in Deutschland, hinter dem ganz Europa her ist, bekommt, hat man nicht so viel falsch gemacht im Transferpoker.

Frage: Sie sprechen von Leon Goretzka.

Keller: Man darf aber nicht vergessen, dass er noch A-Jugend spielen kann. Man muss ihm auch Zeit geben.

Frage: Als Trainer ist es doch ein Traumjob, mit Goretzka, Julian Draxler und Max Meyer drei der größten Talente auf so einer wichtigen Position unter seinen Fittichen zu haben.

Keller: Logisch. Ich bin immer gut mit jungen Spielern klargekommen. Spieler zu entwickeln, ist meine große Stärke. Ich habe mich natürlich super gefreut, dass wir jetzt auch noch Goretzka haben. Wir haben ja mit Max Meyer schon ein Toptalent. Und Julian Draxler ist zwar vom Alter her noch ein Talent, aber bei seinem Können und seiner Erfahrung muss er jetzt den nächsten Schritt machen und Verantwortung übernehmen.

Frage: Mario Götze ist bei den Bayern als ein herausragender Spieler in der Welt vorgestellt worden. Wer ist besser: Götze oder Draxler?

Keller: Ich bin froh, dass ich Julian bei mir habe. Ich denke, dass beide außergewöhnliche Spieler sind. Wir brauchen sie nicht zu vergleichen. Deutschland soll froh sein, dass es zwei so großartige junge Spieler hat.

Frage: Kann Julian Draxler eine Karriere hinlegen wie der Ex-Schalker Mesut Özil?

Keller: Man muss jetzt langsam ein bisschen aufpassen mit dem Hype um Julian Draxler. Der Junge ist 19. Auf ihn prasseln so viele Dinge ein, wenn man hört: 60 Millionen Gehalt, 45 Millionen Ablöse. Man muss den Ball flach halten. Wenn er so weiterarbeitet, glaube ich, dass er eine Weltkarriere machen kann. Er ist geerdet, aber bei so einem Hype muss man aufpassen, dass ein junger Spieler nicht in falsches Fahrwasser gerät.

Frage: Ist es ein Risiko, auf so einer wichtigen Position wie dem zentralen Mittelfeld fast nur auf so junge Spieler zu setzen?

Keller: Was für ein Risiko? Um Julian Draxler beneidet uns die ganze Welt. Er war mit entscheidend, dass wir unsere Ziele noch erreicht haben. Und auf Goretzkas Position haben wir auch erfahrene Spieler, sodass er die Zeit bekommt, da reinzuwachsen.

Frage: Eine Mannschaft kann also nicht zu jung sein?

Keller: Es ist schon wichtig, dass man eine gewisse Erfahrung in der Mannschaft hat. Man hat immer gesagt, man muss die jungen Spieler langsam aufbauen. Früher hat man so lange aufgebaut, bis einer mit 25 sein erstes Spiel gemacht hat. Mittlerweile übernehmen die jungen Spieler auch in der Nationalmannschaft dominante Rollen - es hat also alles nichts mit dem Alter zu tun.

Frage: Geht es nur um Platz 3, weil die ersten beiden Ränge wieder an Bayern und Dortmund vergeben sind?

Keller: Platz 1 wird sehr, sehr schwer zu erreichen sein, weil Bayern schon enorm stark ist. Jetzt kommt noch Pep Guardiola, und jeder Spieler ist neu motiviert. Aber wir haben zwei Mal gegen Dortmund gewonnen, sie haben mit dem Götze-Abgang zu kämpfen. Wir wollen vielleicht den einen oder anderen Platz besser werden. Ich glaube schon, dass wir uns mit den Vereinen messen können.

Frage: Freuen Sie sich, dass Pep Guardiola jetzt ein Kollege in der Bundesliga ist?

Keller: Es tut dem kompletten deutschen Fußball gut, wenn ein Trainer, der weltweit bei jedem Verein hätte anheuern können, sich für die Bundesliga entscheidet.

Frage: Gibt es Vorfreude auf die nächste Trainertagung, jemanden, den man nur aus dem Fernsehen kennt, persönlich kennenzulernen?

Keller: Bei allem Respekt - ich werde jetzt sicherlich nicht hingehen und ein Autogramm von ihm holen. Er ist ein großartiger Trainer, auf Jupp Heynckes hätte ich mich aber genauso gefreut.