Im Meisterkrimi 1992 wurde Guido Buchwald zum gefeierten Helden der Stuttgarter Fans
Im Meisterkrimi 1992 wurde Guido Buchwald zum gefeierten Helden der Stuttgarter Fans

"Im Vorfeld hat man gerechnet"

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Eines der spannendsten Meisterschaftsfinals in der Geschichte der Bundesliga spielte sich in der Saison 1991/92 ab. Damals gingen drei Mannschaften - Eintracht Frankfurt, VfB Stuttgart und Borussia Dortmund - punktgleich in die letzte Runde. Die Schwaben verdrängten die Hessen schließlich dank eines späten Treffers von der Tabellenspitze.

Sieg- und somit Meistertorschütze damals war Guido Buchwald. Noch heute bekommt der Weltmeister strahlende Augen, wenn er an jenen 16. Mai 1992 zurückdenkt. Mit bundesliga.de spricht Buchwald darüber, wie er die zwei letzten Spieltage jener Marathonsaison mit 38 Spieltagen erlebt hat.

Außerdem äußert er sich zu den Partien der vier Titelkandidaten - VfL Wolfsburg, FC Bayern, Hertha BSC und Stuttgart - am 33. Spieltag. Buchwald erwartet nur einen klaren Sieg, aber auch keine Vorentscheidung. Die Meisterschaft könnte seiner Meinung nach wie einst 1992 von der Tordifferenz abhängen.

bundesliga.de: Herr Buchwald, Sie selbst waren 1991/92 in solch einem spannenden Meisterschaftsfinale dabei. Welche Erinnerungen haben Sie an die letzten zwei Spieltage?

Guido Buchwald: Ich habe in der Hinsicht natürlich nur positive Erinnerungen. Schließlich waren wir mit dem VfB Stuttgart die Mannschaft, die am Ende Deutscher Meister wurde. Aber ich kann mich noch gut an die zwei letzten Spieltage erinnern. Im Vorfeld hat man sich immer Gedanken gemacht und man hat gerechnet: ‚Was müssten die anderen Mannschaften machen? Was müsste man selbst machen, um Meister zu werden‘? Man wird auch vom gesamten Umfeld mit diesem Thema konfrontiert. Das ist eine Riesen-Sache. Es war einfach unheimlich spannend.

bundesliga.de: Denken Sie, dass die Tordifferenz den Meister ermitteln wird?

Buchwald: Ich denke schon. Es kann sehr gut sein, dass die Tordifferenz ausschlaggebend sein wird.

bundesliga.de: Am 33. Spieltag tritt Wolfsburg in Hannover zum Niedersachsenderby an. 96 ist heimstark aber unheimlich abwehrschwach. Wird der VfL dort seinen Weg gehen?

Buchwald: Meiner Meinung nach schon. Man hat ja gesehen, wie Wolfsburg das Heimspiel gegen Dortmund bestritten hat. Dortmund hatte sieben Spiele in Folge gewonnen und war in einer sehr guten Verfassung, ehe die Mannschaft nach Wolfsburg gekommen ist. Die Wolfsburger Mannschaft ist ‚heiß‘, die möchte gewinnen. Ich glaube auch, dass so ein Derby eine gute Voraussetzung dafür ist, ein gutes und erfolgreiches Spiel absolvieren zu wollen. Die Wolfsburger sind die qualitativ bessere Mannschaft und für Hannover geht es eigentlich um nichts mehr. Da ist vielleicht ein wenig Spannung weg. Da könnten die letzten zehn Prozent mehr Konzentration und mehr Wille Ausschlag geben. Und da bin ich überzeugt davon, dass Wolfsburg sich durchsetzen wird.

bundesliga.de: Hoffenheim empfängt den FC Bayern: Kann das Spiel die Klasse des Hinspiels erreichen?

Buchwald: Für mich war das Hinspiel nicht das beste Spiel der Saison. Aber die Spannung, die dieses Duell in der Vorrunde mit sich brachte, die wird mit Sicherheit erreicht. Es wird ein ganz knappes Ergebnis. Die Hoffenheimer sind wieder leicht im Aufwind. Die werden die Punkte nicht verschenken. Beide Mannschaften haben ihre Stärken in der Offensive, weshalb ich denke, dass einige Tore fallen werden. Es wird eine spannende Partie.

bundesliga.de: Hertha ist seit fünf Spielen ungeschlagen und empfängt nun den FC Schalke, der drei Mal in Folge verlor. Auf dem Papier eine klare Sache - und auf dem Platz?

Buchwald: Klar wird es mit Sicherheit nicht, weil die Berliner selten ein Spiel klar gewonnen haben. Sie haben immer engere Spiele gehabt, auch weil sie vom spielerischen Potenzial nicht so gut sind, dass sie Spiele deutlich für sich entscheiden können. Das trifft vor allem zu, wenn sie auf eine Mannschaft wie Schalke treffen. Auch diese Begegnung wird ganz eng. Entscheidend wird meiner Meinung nach auch das Quäntchen Wille für Hertha BSC sein. Man hat auch das Gefühl, auf Schalke fehlt es nach der Verpflichtung von Felix Magath ein wenig an der Motivation.

bundesliga.de: Stuttgart bekommt Besuch aus Cottbus. Klare Sache oder Stolperstein?

Buchwald: Das wird eine klare Sache! Da passiert gar nichts Überraschendes.

bundesliga.de: Könnte also das Gastspiel der Stuttgarter in München am letzten Spieltag eine Art Endspiel um den Titel werden?

Buchwald: Eine Art Endspiel wird es nicht werden, da die Wolfsburger und die Berliner ja auch noch eine gewichtige Rolle spielen. Aber es wird ein Spiel, in dem die Meisterschaft oder die Champions-League-Teilnahme schon involviert sein werden. Ich glaube nicht, dass das Spiel Bayern gegen Stuttgart allein die Meisterschaft entscheiden wird. Vor allem Wolfsburg hat da ein gehöriges Wort mitzureden.

bundesliga.de: Wer wird Ihrer Meinung nach am Ende die Schale gen Himmel strecken dürfen?

Buchwald: Vor ein paar Wochen hätte ich noch auf den FC Bayern getippt. Jetzt meine ich aber, dass Wolfsburg sich das nicht mehr nehmen lässt.

Das Gespräch führte Sebastian Stolz