Idole, die zum Gegner wechseln

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Dortmund/Gelsenkirchen - Wenn am kommenden Sonntag Schalke 04 und Borussia Dortmund zum 77. Mal in der Bundesliga aufeinander treffen, wird der Rasen brennen. Die Veltins Arena wird kochen, die Fangemeinden einander stimmgewaltig mit Hohngesängen überziehen. Und einer ist mittendrin, der das ganze sicher mit gemischten Gefühlen verfolgen wird: Christoph Metzelder.

Sieben Jahre lang trug er das Trikot von Borussia Dortmund. Dann verabschiedete er sich 2007 ausgerechnet mit einem 2:0-Heimsieg gegen Schalke, der den "Knappen" auch noch die Meisterschaft nahm, von den BVB-Fans in Richtung Real Madrid.

"Der ein oder andere Spruch gehört dazu"

Mehr noch, auf seiner Homepage ließ "Metze" damals auch noch Anti-Schalke-Shirts mit dem Aufdruck "Meister der Herzensbrecher" und "zweizunull" verkaufen, angeblich ohne sein Wissen, wie er später beteuerte. Um so erstaunter war die Schalker Anhängerschaft, dass der eloquente Verteidiger von Felix Magath im April als Neuzugang präsentiert wurde.

Die Begrüßung der Fans beim Trainingsauftakt sei "positiv gewesen", meinte Christoph Metzelder. "Der eine oder andere Spruch gehört nun mal dazu." Das hat sich inzwischen geändert. Nach mäßigen Leistungen in den ersten drei Spielen wurde der Defensivspieler zuletzt aber auch von eigenen Fans ausgepfiffen.

Es ist immer eine heikle Sache, wenn Spieler von Dortmund nach Schalke wechseln oder umgekehrt. In den meisten Fällen ist es gut ausgegangen, konnten die in der Regel überdurchschnittlich begabten Kicker die Fans doch durch Leistung überzeugen.

Kwiatkowski der erste "Frontenwechsler"

Selbst dem auf Schalke nicht gerade gut gelittenen Andreas Möller gelang es schnell, sich Respekt und Anerkennung zu verschaffen. Wenn die neuen Stars die Mannschaft weiterbrachten, waren sie zumindest akzeptiert, auch wenn die ganz große Liebe nicht entflammen wollte.

In den vergangenen 60 Jahren haben viele Topstars die Fronten gewechselt. Der erste prominente Fußballer war der 1926 in Gelsenkirchen geborene Heinrich Kwiatkowski, der von 1947 bis 1950 auch für Schalke auflief und dann zwei Jahre später nach einem Zwischenstopp bei Rot-Weiss Essen in Dortmund landete.

Der talentierte Torwart machte erst in Dortmund die große Karriere, war zweiter deutscher Keeper bei der WM 1954 und wurde mit dem BVB dreimal Deutscher Meister, Pokal- und Europapokalsieger. Bis zu seinem Tod vor zwei Jahren gehörte der allseits geschätzte Heinrich Kwiatkowski dem Ältestenrat von Borussia an.

Libuda von beiden Lagern verehrt

In den sechziger Jahren sorgte der Wechsel von Reinhard "Stan" Libuda von Schalke nach Dortmund für Schlagzeilen. Als neunjähriger Knirps wurde er 1952 von seinem Vater beim FC Schalke 04 angemeldet. Mit 17 wurde er Vertragsspieler. Eine legendäre Karriere begann.

Der dribbelstarke Rechtsaußen vernaschte seine Gegenspieler dermaßen, dass er nicht nur den Spitznamen Stan (nach dem berühmten englischen Außenstürmer Sir Stanley Matthews) verpasst bekam. Noch mehr ins Gedächtnis der Fußballfans hat sich der Spruch "An Gott kommt keiner vorbei - außer Stan Libuda" gebrannt.

1965 wechselte Libuda an den Borsigplatz, wo er ein Jahr später mit dem Gewinn des Europapokal der Pokalsieger (als Torschütze im Endspiel) seinen größten sportlichen Erfolg feierte. Nach drei Jahren in Dortmund ging es aber wieder zurück zu S04. Auch 14 Jahre nach seinem frühen Tod 1996 wird Libuda von den Fans beider Clubs verehrt.

Assauer holt Möller nach Schalke

Ebenfalls von Schalke nach Dortmund gingen Anfang der achtziger Jahre mit den Nationalspielern Rüdiger Abramczik und Rolf Rüssmann sowie "Arbeitsbiene" Uli Bittcher nacheinander gleich drei "Ur-Schalker". Es war die Zeit, in der Schalke finanziell klamm war und notgedrungen etwa seinen "Flankengott" Abramczik abgeben musste. Außerdem hatten die "Königsblauen" auch sportlich den Anschluss an den Erzrivalen verpasst.

In dieser Zeit, 1981, begann Rudi Assauer als Manager bei Schalke. Nach seiner erfolgreichen Profikarriere bei Borussia Dortmund und Werder Bremen wagte sich der passionierte Zigarrenraucher auf fremdes Terrain. 1986 wurde er gefeuert, 1993 zurückgeholt. Bis 2006 prägte er als von allen Fans akzeptierter starker Mann die Geschicke von S04.

Assauer war es auch, der im Jahr 2000 das große Wagnis einging, den Dortmunder Andreas Möller zu verpflichten. Der war bereits beinahe 33 Jahre alt, hatte eine schwache Saison hinter sich und war bei den Schalke-Anhängern extrem unbeliebt.

Anderbrügge vom BVB-Spieler zum "Eurofighter"

Doch das Risiko zahlte sich aus. Möller konnte zumindest in den ersten beiden seiner drei Jahre auf Schalke überzeugen und zwei Pokalsiege feiern. Zuvor war der Welt- und Europameister bereits mit Borussia Dortmund deutscher Meister, Pokalsieger, Champions League- und Weltpokalgewinner geworden.

Mit solchen Titeln konnte sich Ingo Anderbrügge nicht schmücken. Dafür wurde der Ex-Dortmunder nach zwölf Jahren bei Schalke in die Jahrhundertelf des Vereins gewählt. Die schwarz-gelben Anfänge seiner Karriere zu Beginn der achtziger Jahre waren dem Mitglied der legendären Schalker "Eurofighter-Elf", die 1997 den UEFA-Cup gewann, da längst verziehen.

Auch Toni Schumacher wechselte das Lager

Ob die Schalker dagegen ihrem mehrmaligen Meisterspieler Hermann Eppenhoff sein Trainer-Engagement in Dortmund übel nahmen, lässt sich heute nur schwer sagen. Auf alle Fälle war es ausgerechnet Eppenhoff, der als Coach Borussia Dortmund zum Titelgewinn 1963 dirigierte.

Ähnliches gelang rund 30 Jahre später auch Toni Schumacher, der in seiner Vita, neben einem einjährigen Intermezzo als Spieler bei S04 in der Saison 1987/88, auch drei erfolgreiche Jahre im Dortmunder Trainerstab von Ottmar Hitzfeld stehen hat und die große Epoche des BVB in den neunziger Jahren mitprägte.

Für Christoph Metzelder ist also längst noch nichts verloren. Mit einem Tor im Derby gegen die Borussia würde seine Beliebtheit in Gelsenkirchen schlagartig steigen.

Tobias Gonscherowski