Wolfgang Niedecken (r.) mit Kölns Trainer Christoph Daum
Wolfgang Niedecken (r.) mit Kölns Trainer Christoph Daum

"Ich bin ein Träumer von Übervorgestern"

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Nur wenige Prominente in Deutschland gehen mit ihrem Verein so mit Haut und Haaren durch dick und dünn wie Wolfgang Niedecken mit seinem 1. FC Köln.

Seit frühester Kindheit ist der heute 57-jährige Sänger und Gitarrist der Kölner Kultband "BAP", dem 1998 das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, Anhänger des rheinischen Traditionsvereins und treuer Dauerkarteninhaber.

Im Gespräch mit bundesliga.de drehte sich zwar vieles, aber nicht alles um den "FC". Wolfgang Niedecken verriet unter anderem auch, welcher Verein ihn negativ überrascht hat und was er Hoffenheim noch alles zutraut.

bundesliga.de: Herr Niedecken, alle Welt weiß, dass Sie bekennender Fan des 1. FC Köln sind. Aber wie ist es eigentlich dazu gekommen?

Wolfgang Niedecken: Ganz einfach, ich habe das praktisch in die Wiege gelegt bekommen. Mein Vater und mein zwanzig Jahre älterer Halbbruder waren FC-Fans und haben früher immer die Radioreportagen gehört, während ich als kleiner Junge auf dem Teppich mit den Matchbox-Autos gespielt habe. Da hörte ich immer Namen wie Hans Schäfer und Helmut Rahn. Schäfer war das Synonym für Fußball, und Fußball war der FC. So kam ich mit dem FC in Berührung. Ich habe zwar auch immer Sympathien für Fortuna Köln gehabt, aber im Ernstfall war ich für den FC. Eine Zeitlang habe ich Anfang der siebziger Jahre auch an den Wochenenden immer abwechselnd die Spiele des FC und von Fortuna in der Radrennbahn gesehen, als das Müngersdorfer Stadion gebaut wurde. Aber die Vereine haben ja leider nur ein Jahr zusammen in der Bundesliga gespielt.

bundesliga.de: Ihre Liebe zum FC ging auch so weit, dass Sie mit BAP das Lied "FC jeff Jas!" aufgenommen haben und der FC auch in anderen Songs hin und wieder vorkommt.

Niedecken: Das war eine Ausnahme im FC-Abstiegsjahr 1998. Wir haben dafür den Song "Für  ne Moment" umgedichtet. Bis dahin habe ich mich nicht großartig als FC-Fan geoutet. Aber damals hatte ich Angst, dass sich die Fans vom FC abwenden könnten. Aber die Angst war völlig unbegründet, es hätte meines Appells gar nicht bedurft. Wir haben den Song dann mehrfach umgeschrieben, erstmals nach dem Aufstieg 2000. Jetzt gibt es eine Version, die bestehen bleibt. Was musikalisch rund um den FC abgeht, darum beneiden uns ja viele Vereine.

bundesliga.de: Im RheinEnergieStadion sind Sie Stammgast. Wieviele Spiele haben Sie in dieser Saison gesehen?

Niedecken: Zu meinem Leidwesen habe ich drei oder vier Spiele verpasst, weil ich mit BAP auf der Bühne stand. Aber selbst bei den Konzerten wusste ich immer, wie es steht, weil einige Zuschauer die Zwischenstände auf Pappen gemalt haben, die dann hochgehalten wurden. Bei unseren Konzerten in ganz Deutschland merke ich immer, wieviel Sympathien der 1. FC Köln genießt. Es gibt nie Buh-Rufe, höchstens mal ein mitleidiges Lächeln.

bundesliga.de: Welches Spiel war für Sie in dieser Bundesliga-Saison das beste?

Niedecken: Das entscheidende Spiel war Köln gegen Schalke. Da wurde allen klar, dass ein Ruck durch den FC gegangen war. Die haben wie ausgewechselt gespielt und sich unheimlich gesteigert. Nichts war wie vorher und Schalke hätte statt des 0:1 auch eine Packung kriegen können.

bundesliga.de: Abgesehen vom 1. FC Köln, was hat Ihnen in der Hinrunde der Bundesliga gut gefallen?

Niedecken: Ich habe mich über Hoffenheim gefreut. Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich ja schon vor Saisonbeginn im "kicker"-Sonderheft prophezeit, dass das Hoffenheimer Model Erfolg verspricht. Ich finde es toll, was Ralf Rangnick da in den bald drei Jahren in Ruhe aufbauen konnte. Ich wäre froh, wenn so etwas auch einmal beim FC möglich wäre. Aber das ist ein frommer Wunsch in einer Großstadt wie Köln, wo immer mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Da bin ich ein Träumer von Übervorgestern. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, auch der Christoph Daum macht einen sehr guten Job.

bundesliga.de: Was hat Sie an den ersten 17 Spieltagen überrascht?

Niedecken: Negativ überrascht hat mich Werder Bremen. Für den Verein hege ich auch große Sympathien. Mit welcher Akribie dort in den letzten Jahren erfolgreich gearbeitet wurde, hat mir gut gefallen. Sie gehen gerade einen sehr holprigen Weg. Gefreut habe ich mich, wie gut der FC im Gegensatz zu früher eingekauft hat. Wer erinnert sich noch an die vielen Schweizer oder den "kölschen Türken" Alpay? Schön wäre es, wenn auch wieder Talente wie Podolski oder Sinkiewicz in den eigenen Reihen entdeckt würden.

bundesliga.de: Was erwarten Sie von der Rückrunde?

Niedecken: Es wird sehr spannend. Bis jetzt war toll, wie Hoffenheim die Liga aufmischt und auffrischt. Das tut der Liga sehr gut. Außerdem hoffe ich natürlich sehr, dass der FC drinbleibt. Aber die Chance ist ja in dieser Saison nach 22 Punkten in der Vorrunde sehr groß. Da muss man kein Zweckoptimist sein.

bundesliga.de: Kann Hoffenheim Meister werden?

Niedecken: Sie können es durchziehen. Am Ende wird es darauf ankommen, wer die besseren Nerven hat. Da spricht dann einiges für die Bayern. Außerdem muss man sich nur die Reservebank von Bayern München angucken. Das ist eine ganz andere Dimension. Die Spieler wären bei jedem anderen Bundesliga-Verein erste Wahl. Aber wie gesagt: Es wird spannend, und ich freue mich darauf.

Das Gespräch führte Tobias Gonscherowski