Fanny Boyn arbeitet an einem Konzept, das für mehr Inklusion im Hamburger Volksparkstadion sorgen soll - © © Hamburger SV
Fanny Boyn arbeitet an einem Konzept, das für mehr Inklusion im Hamburger Volksparkstadion sorgen soll - © © Hamburger SV

Inklusionsbeauftragte Fanny Boyn: "Wir wollen die Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderung beim Hamburger SV verbessern"

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Köln - Fanny Boyn ist seit drei Jahren Inklusionsbeauftragte beim Hamburger SV. Sie kümmert sich an Spieltagen um alle Fans mit Behinderung, die das Volksparkstadion besuchen. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg erstellt die gelernte Krankenschwester und studierte Pflegewirtin derzeit ein "Handlungskonzept für die Weiterentwicklung und Förderung der Inklusion beim Hamburger SV“. Der Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur (PFiFF) der DFL Deutsche Fußball Liga unterstützt das Projekt finanziell. Im Interview spricht Boyn über ihre Erfahrungen an Spieltagen, verrät, welche Schritte der HSV in Zukunft für mehr Inklusion unternehmen wird und erklärt, wie Ordner besser geschult werden können.

bundesliga.de: Guten Tag Frau Boyn. Bei ihrem Projekt geht es darum, ein Handlungskonzept zu erstellen. Können Sie schon sagen, was dieses beinhalten wird?

Fanny Boyn: Bei dem Handlungskonzept geht es zum einen darum, die Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderung beim Hamburger SV zu verbessern. Da geht es beispielsweise um bauliche Maßnahmen. Zum anderen wollen wir eine Schulung für die Ordner durchführen, die am Spieltag primär für die Fans mit Behinderung zuständig sind. Gemeinsam mit der Hochschule für angewandte Wissenschaften hier in Hamburg erstelle ich derzeit ein Schulungskonzept.

bundesliga.de: Wissen Sie schon, was den Ordnern vermittelt werden soll?

Boyn: Wir haben zunächst mal eine Bedarfsanalyse gemacht, um Probleme bei uns im Stadion zu identifizieren. Sechs Studierende der Hochschule haben an Spieltagen die Daten erhoben. Zunächst durch teilnehmende Beobachtung und anschließend durch Interviews mit Fans und Ordnern. Der Bericht der Hochschule liegt uns bereits vor. Wie die Schulung genau aussehen wird, ist noch nicht ganz klar, aber ich gehe davon aus, dass wir mit einer Tagesschulung mit fünf bis zehn Ordnern starten werden. Die Tagung soll einen theoretischen und einen praktischen Teil beinhalten. Im theoretischen Teil wird es viel um die Vermittlung von medizinischen Grundkenntnissen gehen. Da ist die Unsicherheit bei den Ordnern teilweise sehr hoch. Für den praktischen Teil werde ich auch Fans mit Behinderung einladen. Unser Vorteil ist, dass wir Ordner mit festen Zuständigkeiten in den Bereichen haben, wo sich die Anhänger mit Behinderung im Stadion aufhalten. Da kann man vielleicht auch einmal ein paar Grundbegriffe der Gebärdensprache vermitteln. Auch, wenn es zunächst nur 'Hallo' oder 'Auf Wiedersehen' ist. Die Ordner sollen auch die Möglichkeit bekommen, selbst einmal die Rollstuhlrampe hochzufahren, um sich besser in die Rolle der Fans hineinversetzen zu können.

"Wir wollen auch das HSV-Museum barrierefrei gestalten." Fanny Boyn

Bei jeder Partie im Volksparkstadion verfolgen blinde und sehbehinderte Fans das Spiel dank einer speziellen Reportage - © Hamburger SV

bundesliga.de: Um welche Grundkenntnisse wird es konkret im Theorie-Teil der Schulung gehen?

Boyn: Ich komme selber aus dem Bereich der Pflege und kann da gerade auch im Umgang mit den Fans mit Behinderung weiterhelfen. Wie gehe ich mit jemandem um, der im Rollstuhl sitzt? Oder wie gehe ich mit jemandem um, der eine Sprachstörung oder einer Aphasie (bezeichnet eine Sprachbeeinträchtigung nach einer Krankheit, wie z.B. einem Schlaganfall, d. Red.) hat? Wie gehe ich mit gehörlosen oder blinden Anhängern um. Es wird neben diesen Fragen aber auch um rechtliche Grundlagen gehen. Welche verschiedenen Ausweise gibt es und wie definiert der Gesetzgeber eigentlich den Begriff Behinderung? Das werden die wesentlichen Aspekte sein.

bundesliga.de: Sie haben bauliche Maßnahmen angesprochen. Gibt es da schon Ergebnisse?

Boyn: Ja, ein positives Beispiel ist der Gehörlosenblock, den wir bereits geschaffen haben. Auch die Plätze für unsere Sehbehindertenreporter, die bis zu 30 Nutzern im Stadion das Spielgeschehen in einer Livereportage schildern, werden jetzt mit Bildschirmen ausgestattet. Außerdem wollen wir ein Leitsystem einrichten, damit sich die Fans mit Sehbehinderung besser im Stadion zurechtfinden. Darüber hinaus wird derzeit an einem Windschutz für die Rollstuhlfahrer gearbeitet. Wir wollen auch das HSV-Museum barrierefrei gestalten und beispielweise Gebärdensprachendolmetscher zur Verfügung stellen oder Beschreibungen von Ausstellungsstücken in Blindenschrift übersetzen.

bundesliga.de: Gab es einen bestimmten Auslöser, der Sie auf die Idee eines Handlungskonzepts gebracht hat?

Boyn: Es gab nicht einen bestimmten Auslöser, aber ich habe schon häufig beobachtet, dass es an der Rollstuhlrampe viele Berührungsängste gab, die vor allem durch Unkenntnis entstanden sind. Da lag die Idee nahe, die Ordner dementsprechend zu schulen und besser auf den Umgang mit Menschen mit Behinderung vorzubereiten. Ich denke, dadurch lassen sich die meisten Ängste schon beheben.

bundesliga.de: Wie kam dann der Gedanke zustande, dass Projekt könnte auch etwas für PFiFF sein?

Boyn: Ein Kollege hat bei einem Informationstag zu PFiFF teilgenommen. Im Anschluss haben wir in unserer Teamsitzung der Fanbetreuung überlegt, ob das nicht auch etwas für uns wäre. Wir haben dann im Inklusionsbereich relativ schnell viel Potential gesehen und den Antrag gestellt.

Das Gespräch führte Florian Reinecke

Zwei Reporter schildern über 90 Minuten das Spielgeschehen. Die Reporterplätze wurden vor kurzem mit einem Bildschirm ausgestattet - © Hamburger SV
Steife Brise ade: Die Plätze für Rollstuhlfahrer im Volksparkstadion wurde mit einem Windschutz angenehmer gestaltet - © Hamburger SV