Horst Heldt blickt zufrieden auf die Saison zurück. Er fordert von seinen Schalkern, mehr Konstanz. Dann könne man sogar Dortmund angreifen
Horst Heldt blickt zufrieden auf die Saison zurück. Er fordert von seinen Schalkern, mehr Konstanz. Dann könne man sogar Dortmund angreifen

Heldt: "Hätte im Winter nicht mehr mit Platz 3 gerechnet"

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Gelsenkirchen - Schalke 04 hat die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte gespielt und sich mit Platz 3 direkt für die Champions League qualifiziert.

Im Interview mit bundesliga.de spricht Sportdirektor Horst Heldt über die Situation im Winter nach dem Pokal-Aus gegen Hoffenheim, über die Entwicklungschancen der jungen Schalker Mannschaft und über erholsamen Schlaf.

bundesliga.de: Herr Heldt, mit Platz 3 und 64 Punkten hat Schalke das beste Ergebnis seit vier Jahren erreicht; hätten Sie das im Winter nach einer ordentlichen, aber nicht konstanten Hinrunde für möglich gehalten?

Horst Heldt: Ich sehe es wie Sie, dass die Hinrunde keinen Anlass für ein Katastrophen-Szenario geboten hat. Wir haben auch in dieser Hinrunde einiges richtig gemacht. Wir haben die Gruppenphase der Champions League erreicht und später die Gruppe überstanden. In der Liga haben wir gepunktet, wenn auch die Konstanz gefehlt hat. Teams wie Leverkusen oder Gladbach haben diese Konstanz gezeigt, so dass wir bereits einen erheblichen Abstand zu den begehrten Plätzen hatten, und man kaum damit rechnen konnte, dass wir schnell wieder rankommen.

bundesliga.de: ...und diese Teams sogar überholen würden.

Heldt: Exakt. Damit hätte ich im Winter wirklich nicht mehr gerechnet. Wenn Gladbach und Leverkusen weiter gepunktet hätten wie in der Hinrunde, hätten wir noch so viele Punkte sammeln können, unser Ziel hätten wir nur noch sehr schwer  erreicht. Natürlich haben wir auch gehofft, dass Klaas-Jan Huntelaar möglichst früh wieder in die Rückrunde würde starten können. Zudem habe ich darauf gesetzt, dass die genannten Clubs kaum über eine komplette Saison so konstant spielen würden. Denn bis auf die Bayern und - tendenziell - den BVB nimmt sich jeder Verein irgendwann im Laufe einer Saison "seine" Schwächeperiode. Wir wollten unsere Hausaufgaben machen und diese Schwächephase ausnutzen. Und ich bin sehr glücklich, dass uns das gelungen ist und wir noch den dritten Platz erreicht haben (zur Abschlusstabelle).

bundesliga.de: Können Sie den Unterschied zwischen Platz 3 und der direkten Champions-League-Teilnahme und Platz 4, der eine Qualifikation erfordert, beziffern in mehr oder weniger Kopfzerbrechen, mehr oder weniger schlaflosen Nächten und vielleicht auch in mehr oder weniger Euros?

Heldt: Das größte Plus ist selbstverständlich die Planungssicherheit. Wir müssen Ende August keine Entscheidungsspiele absolvieren, so dass wir die Saisonvorbereitung und etwaige Personalentscheidungen viel entspannter angehen können. Mit dem sicheren Erreichen der Gruppenphase stehen uns nicht nur ein Basisbetrag zur Verfügung, sondern auch Sponsorengelder, die sonst vielleicht nicht in diesem Maße fließen würden. Und all das führt tatsächlich dazu, dass man weitaus mehr Nächte hat, in denen man richtig gut schläft (lacht).

bundesliga.de: Wie viel mehr steckt noch in dieser Mannschaft?

Heldt: Ich glaube, dass wir sehr gut gerüstet sind. Unser Ziel ist es, möglichst mit allen Leistungsträgern weiter zusammen zu arbeiten. Und es gibt klare Signale - auch von Julian Draxler, der wegen seiner besonderen Klasse auch in Zukunft mit anderen Clubs in Verbindung gebracht werden wird - dass wir diesbezüglich auf einem sehr guten Weg sind. Zudem bleibt festzuhalten, dass wir in der abgelaufenen Saison eine sehr junge Mannschaft auf dem Platz hatten. Diese Jungs haben einerseits sehr gut gespielt, haben andererseits aber auch noch Luft nach oben. Die Entwicklung ist also längst noch nicht abgeschlossen.

bundesliga.de: Zudem können Sie auf Rückkehrer wie Kirchhoff und Aogo bauen...

Heldt: Wir mussten leider auf viele Spieler, die eine enorme Qualität haben, lange Zeit verzichten. Ich denke an Dennis Aogo, an Marco Höger, aber auch an Kyriakos Papadopoulos, der genau genommen fast die gesamte Saison ausgefallen ist. Mit diesen Spielern können wir für die kommende Saison fest planen. Das hebt die Qualität, ist aber angesichts von erneut vier Wettbewerben - Bundesliga, Champions League, DFB-Pokal sowie die Abstellung für die Nationalmannschaften - auch dringend erforderlich.

bundesliga.de: Kerngeschäft bleibt die Bundesliga. Ist es machbar, den BVB als zweite Kraft hinter den Bayern abzulösen?

Heldt: Ich glaube, dass es wichtig ist, sich überhaupt erst einmal solche Ziele zu setzen. Ob sich das später tatsächlich realistisch darstellen lässt, wird man im Laufe der Saison sehen. Mit sieben Punkten war der Rückstand auf den BVB in der abgelaufenen Spielzeit allerdings nicht so groß. Wir waren im Laufe der Saison mal weiter weg, aber auch mal näher dran.

bundesliga.de: ...mit der Möglichkeit, den BVB sogar zu überholen.

Heldt: Das Schlüsselspiel war wohl die Partie des BVB in München, das die Dortmunder verdient gewonnen haben. Wir hatten auf einen Bayern-Sieg gesetzt und gehofft, den BVB dann überholen zu können. An diesem Tag aber sind die Dortmunder uns enteilt, während wir selbst zwei Spiele in Folge nicht gewinnen konnten. Mag sein, dass wir mehr Verletzte hatten als Dortmund, aber auch dort musste man einige gravierende Ausfälle verkraften. In Sachen Konstanz haben wir also noch etwas aufzuholen. (Alle Ergebnisse der Schalker)

bundesliga.de: Wie groß ist die Gefahr, von hinten überrollt zu werden?

Heldt: Wir dürfen auf gar keinen Fall nur nach vorne, sondern müssen auch nach hinten schauen. Der VfL Wolfsburg wird mit Macht kommen und finanziell kräftig nachlegen. Auch Gladbach hat sich bereits gut verstärkt, und Leverkusen wird ebenfalls viel Geld in die Hand nehmen, um die eigene Position zu festigen. Die Saison ist gerade einmal drei Tage vorbei, da müssen wir uns bereits wieder akribisch auf eine sehr intensive Spielzeit vorbereiten. Denn im Gegensatz zu den Bayern haben wir nie die Sicherheit automatisch unter die ersten Drei zu kommen.

bundesliga.de: Stichwort Bayern: Zwischenzeitlich musste man befürchten, dass die Bayern die Liga über Jahre dominieren würden. War das zunächst auch Ihre Befürchtung, bzw. haben sich alle Experten in der Bewertung der Münchener Stärke getäuscht?

Heldt: Mir steht es nicht zu, die Saison der Münchner haarklein zu analysieren. Allerdings glaube ich, dass das Bayern-Spiel in Augsburg entscheidend war für den weiteren Verlauf. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits seit Wochen fest, dass der FC Bayern Meister werden würde. Man hatte die Liga und Europa dominiert und hätte nun das Ziel angehen können, ungeschlagen durch die Saison zu gehen. Nach Augsburg war das nicht mehr möglich, und es kam auch zum Aus in Europa. Ich denke, dass die Verantwortlichen in München am besten wissen, warum es diesen Bruch gegeben hat. Und ich bin gespannt, wie man nun in die nächste Saison gehen wird.

bundesliga.de: Auf Schalke war das Schlüsselspiel der abgelaufenen Saison das DFB-Pokal-Aus gegen Hoffenheim Anfang Dezember. Damals muss der Druck von außen auf Sie und auf Trainer Jens Keller sehr groß gewesen sein...

Heldt: Der Druck war tatsächlich sehr groß.

bundesliga.de: So groß, dass es ernsthafte Verhandlungen mit dem damaligen Mainzer Trainer Thomas Tuchel über einen Engagement ab Sommer 2014 gegeben haben soll...

Heldt: Wie gesagt, das war eine sehr schwierige Phase. Schalke ist ein großer Verein, der von den Medien immer intensiv begleitet wird. Das ist oft von Vorteil für uns, bringt aber, wenn es nicht gut läuft, auch schnell Unruhe. Dann gehört es zu meiner Aufgabe, gewisse Szenarien durchzuspielen. Das Hoffenheim-Spiel war ein solches Szenario. Man kann im DFB-Pokal ausscheiden - in diesem Wettbewerb scheiden schließlich alle Teams bis auf die zwei Finalisten aus - aber nicht in dieser Weise.

bundesliga.de: Schalke lag bereits zur Halbzeit mit 0:3 zurück...

Heldt: Und es war in keiner Weise zu erkennen, dass wir das nochmal umbiegen würden. Trotzdem war recht schnell klar, dass wir definitiv mit Jens Keller in die Rückrunde gehen, auch wenn uns das zum damaligen Zeitpunkt niemand geglaubt hat. Wir haben im Winter alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine bessere Rückrunde zu spielen - und das ist uns auch gelungen. Nichtsdestotrotz war der Winter auch der Zeitpunkt, um ein Worst-Case-Szenario für den Sommer 2014 durchzuspielen. Deswegen wurden auch Gespräche mit anderen Trainern geführt. Es gehört eben auch zu meinen Aufgaben, alle theoretisch irgendwann denkbaren Szenarien vorher auch hinsichtlich ihrer Machbarkeit zu prüfen.

bundesliga.de: Jens Keller hat Schalke mittlerweile zwei Mal in Folge in die Champions League geführt; glauben Sie, dass ihm diese Leistung im Umfeld und bei den Medien die notwendige Anerkennung bringt, um auch dann unumstritten zu bleiben, wenn es mal nicht rund läuft?

Heldt: Verdient hätte er das auf alle Fälle! Jens und sein Trainer-Team tragen großen Anteil daran, dass wir in aller Ruhe die neue Saison planen können. Bei allen Differenzen, die es immer mal geben kann, muss die grundsätzliche Ausrichtung stimmen. Und die hat nicht nur in der abgelaufenen, sondern schon in der vorletzten Saison bei Jens immer gestimmt. Aber jeder in diesem Geschäft weiß auch, dass immer dann, wenn Konstanz und Ergebnisse ausbleiben, etwaige Namen ins Spiel gebracht werden. Das können wir nur verhindern, wenn wir gute Arbeit machen und erfolgreich sind. Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Das Gespräch führte Andreas Kötter