"Hoffe, dass die Bayern keinen Durchmarsch machen"

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München - Klaus Augenthaler spielte 15 Jahre für den FC Bayern, gewann Meisterschaften und mit der Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft. Von 2005 bis 2007 war er Trainer des VfL Wolfsburg - beide Clubs treffen am Freitag zum Saisonauftakt aufeinander.

Im Interview mit bundesliga.de spricht "Auge" über den Ausfall von Arjen Robben, die neu formierte Wolfsburger Innenverteidigung - und die Frage, ob ein starker Gegner zum Auftakt von Vorteil ist.

bundesliga.de: Herr Augenthaler, Sie spielten beim FC Bayern 15 Jahre lang in der Abwehr. Gegen wen hätten Sie lieber verteidigt: Den Wolfsburger Bundesliga-Torschützenkönig Edin Dzeko - oder Bayerns WM-Torschützenkönig Thomas Müller?

Klaus Augenthaler: Dzeko bringt alles mit, was man von einem Stürmer erwartet. Kopfballstark, robust, ballsicher. Müller ist unangenehm zu spielen, weil er fast keine Fehler macht, ob er ins Dribbling geht, wenn es notwendig ist, oder den richtigen Pass spielt. Schwer zu sagen - man kann es sich sowieso nicht aussuchen.

bundesliga.de: Im Februar haben Sie gesagt, der Kader der Bayern sei national mit keinem anderen zu vergleichen. Kann der Sieger am Freitag also nur Bayern München heißen?

Augenthaler: Eigentlich ja. Die Bayern haben sich nicht mit Ruhm bekleckert im Pokal. Aber Bundesligazeit ist immer eine andere Zeit, und da wissen die Bayern schon, um was es geht. Sie sind Meister und Pokalsieger gewesen, und sie werden gejagt von der ganzen Liga.

bundesliga.de: Bayerns Sportdirektor Christian Nerlinger hat angekündigt, gegen Wolfsburg nicht nur gewinnen, sondern ein Zeichen setzen zu wollen.

Augenthaler: Das hat man immer im Kopf, 3:0, 4:1 gewinnen. Nur man darf nicht vergessen, es war eine WM dazwischen, die Spieler sind zu verschiedenen Zeiten gekommen. Es war nicht so, wie man sich das als Trainer vorstellt. Die Wolfsburger haben sich sicher auch was ausgerechnet in München.

bundesliga.de: Sehen wir zum Auftakt bereits ein Duell um die Meisterschaft?

Augenthaler: Ich hoffe generell, dass die Bayern jetzt keinen Durchmarsch machen mit einem Sieg von 4:0 und dann gewinnen sie jedes Spiel. Für die Zuschauer ist es natürlich interessanter, wenn einige Mannschaften dabei sind wie die Schalker, die Wolfsburger, vielleicht die Hamburger, Bremen nicht zu vergessen.

bundesliga.de: In der vergangenen Saison hat Arjen Robben drei von sechs Toren gegen den VfL erzielt. Wie schwer wiegt sein Ausfall auf Münchener Seite?

Augenthaler: Man hat immer noch vor Augen, wie er die wichtigen Tore geschossen hat, da fehlt er eben. Ich glaube, Arjen Robben ist nicht zu ersetzen in seiner Art, aber durch andere Spieler vielleicht. Deswegen hat Bayern ja einen hervorragenden Kader, und nicht nur elf Spieler, die auflaufen.

bundesliga.de: Welche Rolle wird der wiedererstarkte Franck Ribery spielen?

Augenthaler: Ich glaube, dass viele Dinge ausgeräumt sind, ich hoffe auch, dass seine Verletzungsmisere nicht wiederkommt. Er steht ein bisschen in der Schuld, weil der FC Bayern ihn doch sehr unterstützt hat in allen Bereichen, ob sportlich oder auch privat. Ich hoffe, dass Ribery da vielleicht etwas zurückzahlen möchte.

bundesliga.de: Und Toni Kroos?

Augenthaler: Er hat eine hat enorme Entwicklung gemacht in Leverkusen, das war der richtige Weg für ihn. Gut, mit dem breiten Kader beim FC Bayern wird kein Spieler kommen, geschweige denn ein junger Spieler, der dann Ansprüche hat auf einen Stammplatz. Den muss er sich erkämpfen!

bundesliga.de: Sein Tor im Pokal gegen Windeck wird ihm sicher Auftrieb geben.

Augenthaler: Ich sehe ihn gerne spielen. Mein Co-Trainer hat ihn damals in der B-Jugend in Rostock gehabt, und da haben wir schon gesagt, das ist ein Super-Junge, wie er damals zum FC Bayern gewechselt ist. Und er hat wirklich Jahr für Jahr einen Schritt nach oben gemacht. Ich bin gespannt, wie viel er spielt, wie er spielt.

bundesliga.de: Abgesehen von Kroos hat Bayern ein eingespieltes Team, in Wolfsburg ist dagegen nicht nur Trainer Steve McClaren neu. Ein Nachteil?

Augenthaler: Mit Sicherheit. Das ist ein Vorteil, wenn der Trainer nicht wieder vier, fünf Spieler integrieren muss.

bundesliga.de: Sie haben in Ihren 15 Jahren als Spieler beim FC Bayern wechselnde Partner in der Verteidigung gehabt. Wird die neue VfL-Defensive um Simon Kjaer und Arne Friedrich von Anfang an funktionieren?

Augenthaler: Nach einer WM ist das ein bisschen problematischer, aber man hat ja doch einige Zeit, um sich einzustellen. Vor allem, wenn der Trainer weiß, das sind meine beiden Innenverteidiger, mit denen plane ich. Da kann man sich schon einspielen. Aber es ist sicher ein Vorteil, wenn ich schon einige Jahre zusammenspiele mit einem Partner.

bundesliga.de: Offensiv wurde mit Mario Mandzukic ein Torjäger aus Kroatien verpflichtet. Wird die VfL-Offensive damit noch unberechenbarer, noch gefährlicher?

Augenthaler: Den neuen Mann kennt man in der Bundesliga noch nicht so gut, genauso, wie man damals keinen Dzeko gekannt hat, keinen Grafite. Ich denke, die Bundesliga ist so stark und die Stürmer, die man geholt hat, sind so stark, dass da ohnehin keine Abwehrreihe sagt, gegen die können wir mit 80 Prozent spielen.

bundesliga.de: Ist es sogar positiv, gegen einen so starken Gegner zu starten?

Augenthaler: Ich war immer froh, wenn man ein Heimspiel hatte, egal, ob das jetzt ein starker Gegner war oder ein sogenannter kleinerer Gegner. Keine Mannschaft, egal, wie die Mannschaft heißt, kommt gerne in die Allianz Arena. Die kommen wahrscheinlich mit dem Gefühl: Mensch, vielleicht können wir da einen Punkt mitnehmen. Deswegen ist entscheidend, dass die Bayern mit drei Punkten starten.

Das Gespräch führte Peter Seiffert