Ottmar Hitzfeld sieht seine ehemaligen Clubs Borussia Dortmund und FC Bayern München vor den Halbfinal-Rückspielen bei Real Madrid und dem FC Barcelona gut gerüstet - und glaubt an ein deutsches Finale
Ottmar Hitzfeld sieht seine ehemaligen Clubs Borussia Dortmund und FC Bayern München vor den Halbfinal-Rückspielen bei Real Madrid und dem FC Barcelona gut gerüstet - und glaubt an ein deutsches Finale

Hitzfeld: "Die Kräfteverhältnisse haben sich deutlich verschoben"

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Hamburg - Ottmar Hitzfeld weiß, wie es sich anfühlt, die Champions League zu gewinnen. Der 64-Jährige hat es sogar schon zwei Mal erleben dürfen: 1997 mit Borussia Dortmund und 2001 mit dem FC Bayern München. Jenen Teams also, die auf der europäischen Bühne in dieser Saison gemeinsam für Furore sorgen und in den Halbfinal-Hinspielen die spanischen Traditionsclubs Real Madrid und FC Barcelona das Fürchten lehrten.

"Es steht eine Wachablösung im europäischen Fußball im Raum. Aber dafür müssen die Bayern und die Dortmunder ihre Leistungen im Rückspiel bestätigen", sagte Hitzfeld vor den Rückspielen am Dienstag und Mittwoch (jeweils ab 20:15 Uhr im Live-Ticker) im Interview mit bundesliga.de.

Der heutige Schweizer Nationaltrainer ist davon überzeugt, dass es zu einem deutschen Finale kommt, mahnt aber die Dortmunder in Madrid zur Vorsicht. Hitzfeld spricht über seine Präferenzen im möglichen Traumfinale, Rotationen, drohende Gelbsperren und die Transferspekulationen der vergangenen Tage.

bundesliga.de: Herr Hitzfeld, haben wir in der vergangenen Woche eine Wachablösung an der Spitze des europäischen Fußballs gesehen?

Ottmar Hitzfeld: Erst einmal war es eine fantastische Leistung von beiden deutschen Mannschaften. Die Art und Weise, wie die Spiele gewonnen wurden, waren wirklich beeindruckend. Und wenn der Tabellenführer der Bundesliga den Spitzenreiter der Primera Division 4:0 und der Tabellenzweite aus Deutschland den Zweiten aus Spanien 4:1 schlägt, dann haben sich die Kräfteverhältnisse deutlich verschoben. Es steht eine Wachablösung im europäischen Fußball im Raum. Aber dafür müssen Bayern und Dortmund ihre Leistungen im Rückspiel bestätigen.

bundesliga.de: Könnte es für Dortmund in Madrid im Vergleich zum Bayern-Spiel noch einmal eng werden?

Hitzfeld: Dieses eine Gegentor macht ja schon einen großen Unterschied aus. Und ich weiß, wie schwierig es ist, im Bernabeu-Stadion zu bestehen. Ein schnelles 1:0 in der ersten Halbzeit und Real wird mit der aufgeheizten Stimmung im Rücken das mögliche Wunder vor Augen haben. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, dass der BVB mit den Bayern das Finale erreichen wird. Aber für die Borussia wird es keine leichte Aufgabe.

bundesliga.de: Aber auch im Camp Nou haben sich deutsche Clubs zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Bayern (2008/09) und Stuttgart (2009/10) verloren in Barcelona in der Champions League jeweils 0:4, Leverkusen (2011/12) gar 1:7.

Hitzfeld: Ja, aber das 4:0 ist schon eine sichere Sache. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Barcelona erneut vier Tore gegen diese Bayern schießt. Die Münchner spielen jetzt eine ganz andere, dominantere Rolle als bei der Pleite damals unter Trainer Jürgen Klinsmann.

bundesliga.de: Aufpassen muss der neue Deutsche Meister aber trotzdem, denn mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Javier Martinez, Dante, Luiz Gustavo und Mario Gomez sind gleich sechs Spieler von einer möglichen Gelbsperre fürs Finale bedroht. Wie werden die Bayern-Verantwortlichen reagieren?

Hitzfeld: Jupp Heynckes wird sich in der Hinsicht sicherlich seine Gedanken machen und nicht alle vorbelasteten Spieler aufstellen. Auf alle kann er nicht verzichten, denn das wäre zu riskant und das wäre wohl auch das falsche Zeichen an die Mannschaft.

bundesliga.de: In der Bundesliga lässt Heynckes ja schon fleißig rotieren. Ist das das richtige Mittel?

Hitzfeld: Es ist wichtig, die Kräfte einzuteilen. Vor allem vor so einem Rückspiel. Für die Bayern ist diese Rotation nicht so problematisch, denn sie verfügen über einen qualitativ hochwertigen Kader. Dortmund hat das auch schon gemacht, ihnen fällt es aber nicht so leicht, wie man es zum Beispiel gegen Augsburg sehen konnte.

bundesliga.de: Nach dem Wechsel von Mario Götze zum FC Bayern wird in den Medien derzeit auch viel über einen Transfer von Robert Lewandowski spekuliert. Stört so etwas nicht in der Vorbereitung?

Hitzfeld: Nein, das ist ein normaler Vorgang, wenn ein großer Transfer getätigt wurde. Dann wird überall spekuliert, wer welchen Spieler ersetzen könnte, wie jetzt am Beispiel Robert Lewandowski. Ich sehe das aber auch nicht leistungsmindernd. Das hat man ja in den Hinspielen deutlich gesehen.

bundesliga.de: Die junge Dortmunder Mannschaft hat noch nicht sehr viel internationale Erfahrung. Könnte das im Bernabeu-Stadion ein Stolperstein werden?

Hitzfeld: Ich bin überzeugt, dass Trainer Jürgen Klopp seine Spieler wieder optimal einstellen wird. Im Gruppenspiel war der BVB ja auch schon ganz nah an einem Auswärtssieg dran. Es ist ein Duell auf Augenhöhe. Und Real hat sehr viel Respekt vor Borussia Dortmund. Ich bin sehr optimistisch.

bundesliga.de: Real Madrids Stürmer-Legende Alfredo di Stefano sprach in den spanischen Medien von einer Falle, die Real den Dortmundern stellen müsse, um das Wunder zu schaffen. Kann man seine Gegner auf diesem Niveau eigentlich noch derart überraschen?

Hitzfeld: Die Teams kennen sich sehr genau. Da kann und wird auch nicht mehr viel verheimlicht werden. Vielmehr geht es für die Trainer darum, noch einmal genau in die Mannschaft zu horchen, welcher Spieler vielleicht noch eine Pause benötigt, um dann situativ am Spieltag über die Startaufstellung zu entscheiden.

bundesliga.de: Also können die Trainer gar nicht mehr tricksen?

Hitzfeld: Es gibt immer ein paar taktische Möglichkeiten und Systemumstellungen, die man vornehmen kann. Aber Dortmund und Real haben in dieser Saison schon drei Mal gegeneinander gespielt und sind dabei immer mit der stärksten Elf angetreten. Von daher kennt man sich ganz genau und es gibt keine Geheimnisse.

bundesliga.de: Welchem Team würden Sie im Fall eines deutschen Finals die Daumen drücken?

Hitzfeld: Ich bin da ziemlich neutral. Ich habe zwei Lebensabschnitte bei diesen Vereinen verbracht und wunderschöne Erlebnisse gehabt. Von daher habe ich zu beiden Clubs auch noch eine tiefe innere Beziehung.

bundesliga.de: Wäre es für die Bayern eine verkorkste Saison, wenn Dortmund die Champions League gewinnen würde?

Hitzfeld: Ich betrachte die Saison alleine aus Trainersicht. Und da haben die Bayern mit all den Rekorden und den Erfolgen großartiges geleistet. Aber mit dem Gewinn der Champions League kann ein jeder Fußball-Geschichte schreiben. Und dieser Titel fehlt der erfolgreichen Generation um Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger nun einmal noch.

bundesliga.de: Der FC Bayern stand 2010 und 2012 im Endspiel, verlor aber beide Male. Haben Sie es vielleicht auch deshalb verdient, sich diese Saison zu den Königen von Europa zu krönen?

Hitzfeld: Bayern wäre im Finale auf jeden Fall der Favorit. Aber den Titel hat letztlich der Verein verdient, der im Endspiel eine Top-Leistung abruft, die Nerven bewahrt und dann auch gewinnt.

bundesliga.de: Zum Abschluss bitte noch Ihre Tipps für die Rückspiele.

Hitzfeld: Ich glaube, dass weder Dortmund noch die Bayern in Spanien verlieren werden.

Das Gespräch führte Michael Reis