Trainer Jos Luhukay und Geschäftsführer Michael Preetz können mit Herthas Saison bislang zufrieden sein
Trainer Jos Luhukay und Geschäftsführer Michael Preetz können mit Herthas Saison bislang zufrieden sein

Keine Angst vor der Vergangenheit

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Hamburg - Souverän hatte Hertha BSC den Zweitliga-Titel gewonnen und war in die Bundesliga aufgestiegen. Die Vorrunde beendeten die Berliner im gesicherten Mittelfeld. Dann gingen die ersten beiden Spiele der Rückrunde verloren.

An dieses Szenario aus der Saison 2011/12, als die Berliner in der Rückrunde nur noch elf Punkte holten und in der Relegation an Fortuna Düsseldorf scheiterten, fühlten sich die Fans der Alten Dame kürzlich erinnert - denn auch 2013 schaffte die Hertha es, souverän den Zweitliga-Titel zu gewinnen und zur aktuellen Saison sofort ins Oberhaus zurückzukehren. Die Blau-Weißen gingen als Siebter in die Winterpause. Wie 2012 gingen die beiden Auftaktspiele der Rückrunde verloren. Kehrt das Abstiegsgespenst zurück an die Spree?

Van den Bergh der "neue Bale"

"Nein", stellte Johannes van den Bergh nach dem 3:0 beim Hamburger SV klar. "Wir haben uns nach den zwei Niederlagen (zum Rückrundenauftakt, Anm. d. Red.) keine Sorgen gemacht. Letzte Woche gegen Nürnberg (0:1; Anm. d. Red.) haben wir, vor allem in der ersten Halbzeit, auch ein gutes Spiel gemacht, aber versäumt, Tore zu machen."

Die Aussage des "neuen Gareth Bale" wie Mannschaftskamerad Tolga Cigerci wegen seines Traumpasses zum 3:0 in der Mixed Zone den Außenverteidiger frotzelte, unterstrich Sebastian Langkamp. "Ich weiß, wie das ist. Ich habe jahrelang gegen den Abstieg gepielt", so der Ex-Augsburger. Daran fühle er sich aktuell nicht erinnert. "Dazu sind wir zu gefestigt."

Dem unterlegenen HSV, der erstmals seit 1991 und zehn Heimspielen wieder gegen Berlin verlor, gab der 26-Jährige noch einen Rat mit auf den Weg. "Das ist eine schwierige Situation. Da hilft es auch nicht mehr, mal gemeinsam Essen zu gehen. Man braucht dringend ein Erfolgserlebnis."

Skjelbred verdrängt Gedanken an HSV-Misere

Ein Erfolgserlebnis wie es am Samstag selbst Per Skjelbred genoss. "Die drei Punkte sind sehr wichtig für uns", so der norwegische Nationalspieler, der zugab, dass es "natürlich ein ganz besonderes Spiel für mich war", denn der 26-Jährige spielt nur auf Leihbasis - ausgerechnet vom Hamburger SV - bei der Hertha.

"Natürlich beschäftigt mich die Situation, und ich drücke dem HSV die Daumen, dass er in der Bundesliga bleibt. Aber heute habe ich mir keine Sorgen gemacht, denn wir waren ja Gegner." Ob er am Saisonende an die Elbe zurückkehren werde, ließ der Mittelfeldspieler offen. "Fragen Sie mich in vier Monaten noch mal", bat er bundesliga.de. "Bis dahin gebe ich alles für die Hertha. Ich fühle mich wohl hier."

Von Erleichterung keine Rede

Ein Wohlgefühl, zu dem auch Jos Luhukay beiträgt. "Der Trainer stellt uns auf jedes Spiel hervorragend ein", lobte Skjelbred. Und auch der Gelobte ist von seiner Mannschaft begeistert. "Es war ein sehr gelungenes Auswärtsspiel. 3:0 zur Pause ist schon verwunderlich", so der Holländer. "Der Sieg war über 90 Minuten nie gefährdet."

Um die Stärke seiner Mannschaft wissend, wollte er denn auch von Erleichterung nach dem Erfolg nichts hören. "Erleichtert ist das falsche Wort. Mit dem Thema Abstieg habe ich mich nie beschäftigt. Ich bin glücklich", so der 50-Jährige auf entsprechende Frage, ob er nach dem 3:0 "erleichtert" sei.

Europa kein Thema

Seinen Blick nach oben will Luhukay, dessen Team auf Rang 7 nur zwei Punkte hinter dem VfL Wolfsburg und seinem Ex-Club Borussia Mönchengladbach auf den Europa-League-Rängen liegt, aber auch nicht richten. "Nun mal langsam", mahnte der Coach. "Wir sind Aufsteiger und wollen in Berlin langfristig etwas aufbauen."

Bei der Umsetzung der kurzfristigen Ziele hilft besonders Top-Torschütze Adrian Ramos, der mit 14 Saisontoren vor dem zukünftigen Bayern-Angreifer Robert Lewandowski die Torjägerliste anführt.

Ramos köpft den HSV in den Keller

Seine Klasse stellte der 28-Jährige auch an der Elbe unter Beweis. Fünf Mal hatte er bis dahin per Kopf getroffen, aber bis in den hohen Norden nach Hamburg hatte sich die Kopfballstärke des Angreifers offensichtlich nicht herumgesprochen.

Direkt nach seinem von HSV-Keeper Rene Adler abgewehrten Elfmeter bewies Ramos nervenstärke und verlängerte nach einer Vietelstunde per Kopf den anschließenden Eckstoß auf Sami Allagui, der den Ball am langen Pfosten nur noch über die Linie drücken musste. Den Todesstoß versetzte Ramos den Gastgebern acht Minuten später persönlich und ebenfalls nach einem Standard, als Cigerci ihm einen Freistoß aus dem Mittelfeld auf den Kopf zirkelte. Eine Kombination, die noch zu zwei weiteren Kopfballchancen führte, bei denen der Ball nur knapp das Ziel verfehlte.

Wortloser Spiel-Gewinner Ramos 

Dass er es auch mit dem Fuß kann, bewies Ramos dann nach bereits erwähntem Traumpass von van den Bergh, als er in Minute 38 den Ball über den herausstürmenden Adler hinweg hob und zum 3:0-Endstand traf.

An den Medien-Vertretern ging Herthas Bester nach der Partie wortlos vorbei, er lässt lieber Taten sprechen. Tut er das auch in den ausstehenden 14 Spielen wie es gegen den HSV der Fall war, wird er entscheidend dazu beitragen, dass in der Hauptstadt Erinnerungen an 2012 auch weiterhin gar nicht erst aufkommen.

Aus Hamburg berichtet Jürgen Blöhs