Der Hamburger SV spielt auswärts zu harmlos. Der Bundesliga-Dino kassierte in Hannover die siebte Auswärts-Pleite in Folge
Der Hamburger SV spielt auswärts zu harmlos. Der Bundesliga-Dino kassierte in Hannover die siebte Auswärts-Pleite in Folge

HSV zwischen Auswärtsfluch und Abstiegsangst

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Hannover - Gemeinsam waren die Fans der beiden HSV zum Nord-Derby Hannoverscher Sportverein von 1896 gegen den Hamburger Sportverein in die HDI Arena gepilgert. Viele trugen zum Dress ihrer Mannschaft die Schals beider Clubs.

HSV-Leihspieler Rudnevs schweigt

Dass Hamburgs "Perlensänger" Lotto King Karl in der Fankurve die Ausfstellung seines HSV verlas, war dann der ultimative Beweis für die enge Fan-Freundschaft zwischen den beiden Traditionsvereinen aus dem Norden.

Mit Anpfiff von Schiedsrichter Robert Hartmann wurde dann die Fan-Freundschaft für 90 Minuten ad acta gelegt (zum Spielbericht). Auf dem Spielfeld galt das allerdings nur für die Gastgeber. Während die 96er "uns von der ersten Sekunde den Schneid abgekauft" haben, wie Hamburgs Sportdirektor Oliver Kreuzer feststellte, agierten die Hanseaten wie bei einem Freundschaftskick. Dem überragenden Lars Stindl, den Tayfun Korkut auf der ungewohnten Position als hängende Spitze hinter Didier Ya Konan aufbot, ließ Hamburgs Defensive allen Platz der Welt.

Folgerichtig brachte der 96-Kapitän sein Team bereits nach neun Minuten in Front, als er völlig freistehend eine Flanke von Edgar Prib einköpfte. Ya Konan versetzte vier Minuten vor dem Ende den Gästen, die zwischenzeitliche durch Hakan Calhanoglu ausgeglichen hatten, den Todesstoß.

Da passte es ins Bild, dass ausgerechnet Artjoms Rudnevs den Treffer einleitete. "Ich spiele jetzt für Hannover 96. Da möchte ich jetzt nicht über den HSV reden", sagte Rudnevs zu bundesliga.de. "Aber für die kommenden Spiele drücke ich natürlich die Daumen."

Djourou "hatte gewarnt"

"Hannover hat sehr stark begonnen, war ungemein aggressiv. Davor hatte ich gewarnt", sagte der Ex-96er Johan Djourou. Eine Warnung, die offensichtlich ebenso überhört wurde, wie die Einstellung, die Mirko Slomka seiner Mannschaft für die Partie bei seinem Ex-Club mit auf den Weg gegeben hatte.

"Wir haben immer wieder lange Bälle gespielt. Das war der falsche Weg und so nicht abgesprochen", sagte der 46-Jährige. "96 hat unser Mittelfeld permanent überlaufen. Ich bin enttäuscht."

Zwar präsentierten sich die Hanseaten, die bereits Minuten vor Wiederanpfiff auf dem Platz standen, in der zweiten Hälfte etwas geschlossener, aber "wir haben es nicht geschafft, den Hebel umzulegen", sagte Slomka.

Hamburg vor schwerem Restprogramm

Viele Worte habe der Coach in der Pausenansprache nicht benötigt. "Er ist nicht laut geworden. Wir alle wussten, dass wir so wie in der ersten Halbzeit nicht weitermachen durften, wenn wir hier was mitnehmen wollen", verriet Calahanoglu.

Der HSV ist nach dem 1:2 an der Leine dem Schreckens-Szenario Abstieg angesichts des Restprogramms ein weiteres Stück nähergerückt. Im heimischen Volkspark treten noch Champions-League-Aspirant VfL Wolfsburg und der Deutsche Meister Bayern München an, und auswärts warten mit Augsburg und Mainz zwei Teams, die um die Europa-League-Teilnahme spielen.

Slomka fehlen die Alternativen

Zu dem schweren Restprogramm kommt ein schon beinahe unglaubliches Verletzungspech. Den Rothosen fehlten Top-Torjäger Pierre-Michel Lasogga, Nationalspieler Marcell Jansen, Maximilian Beister, Milan Badelj, Slobodan Rajkovic - unter Slomka allesamt Stammspieler. Zudem musste Slomka in Hannover Heiko Westermann (17. Minute) und zur Pause Rafael van der Vaart verletzungsbedingt ersetzen.

Alternativen auf der Bank gibt es kaum. Gerade mal 36 Spiele - meist Kurzeinsätze - haben die in Hannover als Ersatz aufgebotenen Jaroslav Drobny, Ivo Ilicevic, Robert Tesche, Lasse Sobiech, Ola John und Ouasim Buoy in der aktuellen Saison absolviert.

"Man muss auch auswärts mal was holen"

"Ich habe keine Angst vor dem Abstieg", stellte Calahnoglu klar. Aber "wenn man in der Liga bleiben will, muss man auch auswärts mal was holen", konstatiert Kreuzer. Doch die Zeichen für einen Auswärtspunkt stehen alles andere als gut. Die letzten sieben Spiele in der Fremde verlor der HSV - und Slomkas Auswärtsfluch lässt nichts Gutes ahnen: Saisonübergreifend wartet der Trainer nach dem 1:2 in Hannover seit 14 Spielen auf einen Punkt auf des Gegners Platz.

"Ich habe keine Ahnung, warum es auswärts nicht läuft", sagte Tolgay Arslan fast schon verzweifelt. "Uns läuft die Zeit davon." Noch vier Spiele bleiben dem Traditionsverein, um den ersten Abstieg seiner Bundesliga-Geschichte zu verhindern. In Hannover drückt man dem Dino die Daumen. Kaum hatten die 96-Fans den wichtigen Sieg mit ihrer Mannschaft gefeiert, besannen sie sich auf die Fan-Freundschaft und sprachen den Anhängern der Hamburger Trost und Mut zu.

Aus Hannover berichtet Jürgen Blöhs