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Marseille-Stürmer Jordan Ayew lässt sich nach einem Treffer von den OM-Fans feiern
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Große Liebe Olympique

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Marseille - Claude ist ein freundlicher Geselle. Der 37 Jahre alte Franzose liebt seinen Beruf als Taxifahrer und lässt es den Gast schon beim Eintritt in seinen in die Jahre gekommenen Dienstwagen spüren. Mit einem Lächeln heißt er einen schon am Flughafen in Marseille willkommen.

"Stadion ist meine zweite Heimat"

Wie wohl alle Einwohner der Hafenstadt im Süden der Republik gibt es für ihn - sportlich gesehen - nur eine große Liebe: Olympique. Das wird auf der rund 25 Minuten dauernden Fahrt in die Innenstadt schnell deutlich. Schon als Teenager schloss er sich einer der vielen Ultra-Gruppierungen des traditionsreichen Fußball-Clubs an, war mit Herzblut und Einsatz bei der Sache. Mit der Geburt seiner Söhne vor acht Jahren wurde er aber ein bisschen ruhiger. Sagt er zumindest.



Ins Stadion geht er aber selbstverständlich immer noch. "Das Velodrome ist meine zweite Heimat. Wir sind wie eine große Familie. Und das lassen wir den Gegner spüren", erklärt Claude die Faszination des Hexenkessels. Claude gehört(e) den South Winners an, einer 1987 gegründeten Ultra-Gruppe, die oftmals immer noch Bomberjacken verkehrt herum trägt und mit der dadurch zum Vorschein kommenden Farbe orange ein Zeichen gegen Rassismus setzen will.

"In Marseille vermischen sich viele Kulturen. Vor allem aus dem afrikanischen Raum. Bei uns gibt es aber kein schwarz und weiß, keinen Islam oder Christentum - wenn wir ins Stadion gehen heißt unsere Religion L OM", meint Claude. Er hat selbst eine enge Beziehung zum Norden Afrikas. Seine Schwiegereltern stammen aus Tunesien. "Eigentlich hätte ich mir eine Frau mit algerischen Wurzeln suchen sollen", erzählt er mit einem Schmunzeln.

Denn sein großes Idol hat genau diese Verbindung: Zinedine Zidane. Einer der wohl besten Spielmacher aller Zeiten ist im Norden Marseilles, im Vorort La Castellane, aufgewachsen. Zidanes Vater stammt aus Algerien. Das fußballerische Ein-mal-eins lernte "Zizou" bei US Saint-Henri und später bei SO Septemes-les-Vallones, ehe 1986 das passierte, was laut Claude niemals hätte passieren dürfen: Zidane wurde vom AS Cannes in das vereinseigene Internat gelotst.

Schwärmen über Ribery

"Wäre da nicht passiert, L OM wäre bis ins neue Jahrtausend die dominante Kraft in Frankreich und vielleicht auch in Europa geblieben", spielt Claude auf den Gewinn der Champions League 1993 an. Und auch wenn Zidane in seiner Karriere nicht ein Spiel im weiß-blauen Trikot von Olympique absolviert hat, so wird er immer noch verehrt als hätte er niemals irgendwo anders gespielt. Mit einem 10x15 Meter großen Porträt-Bild - mit Blickrichtung Algerien - wurde ihm im nördlichen Hafengebiet lange eine besondere Ehre zu teil.

"Er hat zwar nie für uns gespielt, aber er ist mehr Marseillaise als viele andere hier", so Claude. Ähnliches gilt für einen weiteren feinen Techniker, der am Mittwoch mit dem FC Bayern gegen seinen Ex-Club antritt: Franck Ribery. In nur zwei Jahren dribbelte sich Ribery in die Herzen der Olympique-Anhänger und so nahm ihm keiner den Wechsel nach München wirklich übel. Seine privaten Eskapaden und der Eklat bei der Weltmeisterschaft 2010 haben zwar für Negativschlagzeilen gesorgt, "doch Ribery bleibt auch für immer einer von uns."

Ob das auch noch gilt, wenn Ribery die Hausherren im Alleingang aus dem Wettbewerb schießt? Da senken sich die Mundwinkel von Claude doch merklich. Denn als echter, fanatischer Anhänger von OM ist eine Niederlage keine vorstellbare Option.

Aus Marseille berichtet Michael Reis