Christian Gross ist seit dem 6. Dezember Trainer des VfB Stuttgart. Zuvor hatte er zehn Jahre lang erfolgreich den FC Basel trainiert
Christian Gross ist seit dem 6. Dezember Trainer des VfB Stuttgart. Zuvor hatte er zehn Jahre lang erfolgreich den FC Basel trainiert

"Gross könnte aus dem Kohlenpott stammen"

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Der VfB Stuttgart ist seit dem Amtsantritt von Cheftrainer Christian Gross wie verwandelt. Sieben Siege und ein Remis stehen seitdem zu Buche. Doch was zeichnet den Schweizer Coach aus? bundesliga.de begibt sich auf Spurensuche und fragt einen, der es wissen muss: Schweiz-Experte Friedel Rausch.

bundesliga.de: Herr Rausch, Sie haben jahrelang als Trainer in der Schweiz gearbeitet, unter anderem beim FC Basel. Einer Ihrer Nachfolger, nämlich Christian Gross, startet momentan beim VfB Stuttgart so richtig durch. Wie würden Sie ihn charakterisieren?

Friedel Rausch: Ich kannte ihn schon als Spieler, er hat sich einen exzellenten Ruf in der Schweiz erarbeitet. Gross könnte genauso gut aus dem Kohlenpott stammen, er ist ein Kind der Straße. Er sagt, was er denkt, hat keine Probleme damit. Dabei ist er zwar autoritär, aber gleichzeitig menschlich und kameradschaftlich geblieben.

bundesliga.de: Hätten Sie ihm diesen Erfolg so schnell zugetraut?

Rausch: Davon war ich überzeugt. Zum einen wusste ich, dass der VfB eine gute Mannschaft hat. Sie konnten ja nicht das Fußballspielen über Nacht verlernt haben. Zum anderen hat er aber auch einige phantastische Sachen gemacht - wobei ihm Sportdirektor Horst Heldt scheinbar noch ein paar Tipps gegeben hat. Das ist dann im Team gut angekommen.

bundesliga.de: Was hat Gross in der Kürze der Zeit verändert?

Rausch: Im Spielsytem gar nicht so viel, denke ich. Gross hat natürlich auch ein bisschen Glück gehabt. Unter seinem Vorgänger Markus Babbel ging der Ball oft gegen die Latte und ist dann rausgesprungen, bei Gross geht er dann eben ins Tor. Aber es ist beleibe nicht nur das Glück. Babbel hat beispielsweise in seinen jungen Jahren noch nicht die Autorität, die Gross besitzt. Er war vielleicht noch zu sehr Spieler und muss als Trainer noch etwas reifen. Bei Ciriaco Sforza ist es zurzeit ähnlich: Er war seinerzeit ebenfalls ein exzellenter Spieler und tut sich nun schwer mit der Rolle des Cheftrainers bei Grasshoppers Zürich.

bundesliga.de: Erfahrung ist demnach eine der wichtigsten Komponenten im Trainerjob?

Rausch: Genau! Gross hat schon alles mitgemacht. Er ist ein kluger und cleverer Mann, der zwar autoritär ist - aber er ist eben auch ein Trainer mit Herz.

bundesliga.de: Glauben Sie, dass der VfB sogar noch das Zeug hat, sich für die Europa League in der kommenden Saison zu qualifizieren?

Rausch: Das würde ich nicht ausschließen. Ich kann mir vorstellen, dass Gross beim Amtsantritt drei Phasen vorgegeben hat. Das wichtigste war natürlich, zunächst die Abstiegszone zu verlassen – was schnell geschehen ist. Die zweite Phase, in der sich Stuttgart momentan befindet, ist das Konsolidieren im gesicherten Mittelfeld. Wenn es weiterhin so gut läuft und alle gesund bleiben, dann tritt Phase drei ein: der Angriff auf die internationalen Plätze.

bundesliga.de: In der Bundesliga arbeiten traditionell viele Schweizer Trainer. Warum sind die Übungsleiter aus unserem Nachbarland hierzulande so begehrt?

Rausch: Die Trainerausbildung in der Schweiz ist hervorragend. Sie sind sehr akribisch und solide. Als ich in jungen Jahren als Trainer in die Schweiz ging, dachte ich erst, ich würde in eine Amateurliga kommen. Dem war aber mitnichten so. Die Strukturen sind professionell, das habe ich schnell gemerkt. Und was die Ausbildung angeht, muss man nur auf die Erfolge der Schweizer Juniorenmannschaften schauen - nicht umsonst sind sie U-17-Weltmeister geworden.

bundesliga.de: Apropos Talente: Glauben Sie, dass Gross das ein oder andere Schweizer Talent zum VfB lotsen kann?

Rausch: Das ist selbstverständlich. Er kennt die Liga seit langem und weiß, welche Qualitäten sie zu bieten hat. Ich gehe fest davon aus, dass Gross einige Schweizer Spieler, aber nicht nur Talente, zu sich holen wird.

Das Gespräch führte Johannes Fischer