Ottmar Hitzfeld führte die Bayern und den BVB zu insgesamt sieben Deutschen Meisterschaften
Ottmar Hitzfeld führte die Bayern und den BVB zu insgesamt sieben Deutschen Meisterschaften

"Gnadenloser Kampf um die ersten fünf Plätze"

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In den Trainingslagern und Testspielen wird die Basis für eine erfolgreiche Saison gelegt. Körperliche und geistige Fitness, die taktische Ausrichtung und mannschaftliche Geschlossenheit werden hier gelehrt und gearbeitet. Einer, dessen Name für Erfolg in der Bundesliga und außerhalb steht, ist Ottmar Hitzfeld.

Sieben Deutsche Meisterschaften, drei DFB-Pokalsiege, zwei Titel in der Champions League, ein Triumph im UEFA-Cup und zwei Weltpokalerfolge gewann der aktuell als Schweizer Nationaltrainer tätige Coach mit dem FC Bayern München und Borussia Dortmund.

Im Gespräch mit bundesliga.de erklärt Hitzfeld, was für ihn in der Saisonvorbereitung im Vordergrund stand, worauf er in den letzten Tagen vor Saisonstart besonderen Wert gelegt hat, und wie nervös er vorm 1. Spieltag war. Weiterhin spricht der 60-Jährige über die 1. Runde im DFB-Pokal und seine Erwartungen für die Bayern, Borussia und die Bundesliga.

bundesliga.de: Worauf haben Sie im Trainingslager immer besonderen Wert gelegt?

Ottmar Hitzfeld: Für mich standen Gespräche mit den Spielern unter anderem im Vordergrund. Vor allem mit den neuen Spielern. Da nimmt man sich auch die Zeit, um einen Spieler kennen zu lernen und ihm die Philosophie des Vereins zu vermitteln. Aber auch seine eigene Einstellung und Philosophie sind interessant. Auch die Zusammenführung der neuen Spieler und der bereits bestehenden Mannschaft ist wichtig. Es werden weiterhin die Maßstäbe für die physischen Voraussetzungen gesetzt, die nötig sind, um eine harte Saison zu bestehen. Es wird im taktischen Bereich gearbeitet - auch, um die neuen Spieler zu integrieren. Und vielleicht wird auch ein neues System ausprobiert.

bundesliga.de: Wie sehr haben sich die Camps verändert? Welche neuen Möglichkeiten der Vorbereitung aber auch der Teambildung gibt es heute im Vergleich zu früher?

Hitzfeld: Verändert haben sich die Trainingslager vor allem im Trainingsinhalt. Früher wurde unendlich viel gelaufen und viel auf Ausdauer Wert gelegt. Heute tendiert man mehr zum intermittierenden Konditionstraining. Dabei geht es um viele kurze, intensive Belastungen. Von Team-bildenden Maßnahmen halte ich nicht so viel. Man führt ja tägliche Gespräche, will man seiner Mannschaft eine gewisse Philosophie vermitteln. Da wird ein besonderes Erlebnis nicht gleich eine verschworene Truppe bringen. Denn Führung wird jeden Tag verlangt von der Mannschaft.

bundesliga.de: Was macht Österreich so interessant für die Teams?

Hitzfeld: Österreich hat ein gutes Klima, man hat einige gute Testpartner und die Landschaft ist natürlich sehr schön. Und für einige Bundesligisten ist Österreich vielleicht auch nicht so teuer wie die Schweiz (schmunzelt).

bundesliga.de: Was kann man als Trainer zwischen Ende Trainingslager und Saisonstart noch tun, um sein Team vorzubereiten?

Hitzfeld: Wichtig sind taktische Details. Standardsituationen werden nochmal intensiv geübt. Auch die richtige Dosierung der Trainingsinhalte ist wichtig.

bundesliga.de: Wie nervös waren Sie immer vor dem 1. Spieltag?

Hitzfeld: Die Spannung steigt natürlich schon eine Woche vorher. Man hat schon beim letzten Testspiel, also bei der Generalprobe, den ersten Pflichtspielgegner im Hinterkopf. Somit stieg die Spannung in den letzten Tagen vor Saisonstart immer gewaltig.

bundesliga.de: Das erste Pflichtspiel steht für alle aber schon vorher im DFB-Pokal an. Noch weiß keiner recht, wie eingespielt man wirklich ist. Liegt darin die Chance für die kleineren Teams?

Hitzfeld: Die Erfahrung lehrt uns ja, dass es immer wieder Überraschungen gibt, und dass die Gefahr da ist, unbewusst einen Gegner zu unterschätzen. Seinerzeit hatten wir das erste Pflichtspiel mit den Bayern mit Luca Toni und Franck Ribéry im Pokal gegen Burghausen (6. August 2007; 5:4-Sieg n.E.; Anm.d.Red.). Es ist einem Luca Toni als Weltmeister schwer zu vermitteln, Gegenspieler beim Namen zu nennen, die keiner kennt. Trotzdem sind das keine einfachen Spiele. Wir mussten mit den Bayern damals ins Elfmeterschießen. Das zeigt schon die ganze Problematik. Man nimmt solch einen Gegner unbewusst eben doch nicht so ernst wie einen Bundesliga-Gegner.

bundesliga.de: Der FC Bayern tritt an bei der SpVgg Neckarelz. Vielleicht ein unangenehmerer Gegner als Hoffenheim zum Ligastart?

Hitzfeld: Nein. Es liegt jetzt am Trainer, den Spielern Ernsthaftigkeit zu vermitteln und das Spiel durchzuziehen. Die SpVgg Neckarelz spielt in der 6. Liga. Burghausen war seinerzeit in der Regionalliga, was damals Drittklassigkeit bedeutete. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Da sehe ich überhaupt keine Gefahr für den FC Bayern.

bundesliga.de: Wird die Saison ähnlich spannend wie die vergangene oder eventuell doch nur ab Platz 2?

Hitzfeld: Ich gehe davon aus, dass die Bayern die richtigen Lehren aus der vergangenen Saison gezogen haben. Da dachte man ja noch oft, es würde irgendwann noch für ganz oben reichen. Doch die Bayern standen nie auf dem 1. Platz. Die Spieler stehen wieder unter Druck. Es herrscht ein harter Konkurrenzkampf. Einige gesetzte Spieler sind in Frage gestellt. Das macht Louis van Gaal schon gut, dass er da die nötige Spannung und Konzentration aufbaut. Aber wenn die Bayern ihr Potenzial abrufen - das normale Potenzial, das die Mannschaft hat - dann wird Bayern Meister.

bundesliga.de: Denken Sie, dass auch Ihr anderer ehemaliger Bundesliga-Arbeitgeber Dortmund eine große Rolle in dieser Saison spielen kann?

Hitzfeld: Die Frage ist, wie der neue Torjäger Lucas Barrios einschlägt und wie er Alexander Frei ersetzen kann. Frei hatte ja eine super Torausbeute. Wenn das gelingt, dann wird Dortmund auch in die internationalen Ränge kommen.

bundesliga.de: Alexander Frei haben Sie schon angesprochen. Er ist etwas überraschend in die Schweiz zurückgegangen. Was sagen Sie als sein Nationaltrainer zu der Entscheidung?

Hitzfeld: Mir ist es am liebsten, wenn ein Spieler Stammspieler ist. Bei Basel ist die Chance größer, dass Alex Frei Stammspieler ist, als es bei Dortmund der Fall war. Dort musste er immer wieder um seinen Platz kämpfen. Bei Basel ist er gesetzt, da ist er Leistungsträger. Da spielen auch noch drei andere Schweizer Nationalspieler. Von daher sehe ich das ziemlich relaxt. Mir wäre Dortmund genauso lieb gewesen wie Basel. Das hat meiner Meinung nach keine Nachteile.

bundesliga.de: Gibt es eine Mannschaft in der Bundesliga, die Ihrer Meinung nach in dieser Saison überraschen kann?

Hitzfeld: Ich glaube, dass Hamburg sich sehr gut verstärkt hat. Vielleicht hat der HSV jetzt den langen Atem und ihnen geht nicht wie in der vergangenen Saison am Ende die Luft aus. Die Hamburger haben schon vergangene Saison sehr stabil agiert. Wenn Leverkusen unter Jupp Heynckes die Kontinuität bekommt, die in der Vergangenheit gefehlt hat, dann glaube ich auch, dass Bayer ganz oben mitspielen kann. Beide Mannschaften haben ja vergangene Saison nicht bis zum Schluss durchgehalten. Aber die Konkurrenz ist groß. Es wird in der Bundesliga einen gnadenlosen Kampf um die ersten fünf Plätze geben. Denn zehn Mannschaften haben das Potenzial, dort oben mitzuspielen. Das macht es so spannend - immer wieder!

Das Gespräch führte Sebastian Stolz