Das norwegische Team ist auf Spurensuche nach vergangenen Erfolgen
Das norwegische Team ist auf Spurensuche nach vergangenen Erfolgen

Galgenhumor gegen die anhaltende Krise

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"Wir müssen endlich wieder Spiele gewinnen. Ein Jahr wie 2008 darf sich nicht wiederholen", sagt Sondre Kaafjord, Präsident des Norwegischen Fußball-Verbandes (NFF), vor dem Länderspiel gegen Deutschland am Mittwoch (ab 20:15 Uhr im Live-Ticker).

Doch alle Vorzeichen weisen darauf hin, dass eine Fortsetzung des schlechtesten Fußball-Jahres seit 1978 droht - mit oder ohne Matthäus, den das Boulevardblatt VG als möglichen Nachfolger von Interimstrainer Egil Olsen nannte.

Aus dem Winterschlaf gerissen

Der Test in Düsseldorf kommt jedenfalls ungelegen. "Wir treffen auf einen verdammt harten Gegner, der mitten in der Saison steht", sagt Kaafjord. Im norwegischen 18er-Kader dagegen stehen zehn Profis aus der heimischen Tippeliga, die bereits seit über drei Monaten im Winterschlaf schlummert. Außerdem muss Trainer Olsen auf sieben Spieler verzichten, darunter so prominente wie John Carew (Aston Villa) und John Arne Riise (AS Rom).

Der 60-jährige Kaafjord begleitet den Niedergang der norwegischen Nationalmannschaft mit wachsender Sorge. 1994 und 1998 nahm sie mit Trainer Olsen noch an der WM teil, es gab Siege gegen die Fußball-Großmächte Brasilien, England, Italien und Niederlande. Das Erreichen der EM 2000 unter Olsens Nachfolger Nils Johan Semb war der bislang letzte Höhepunkt - danach ging es bergab.

Altbewährtes bewährt sich nicht neu

Als zum Ende des vergangenen Jahres, das keinen einzigen Sieg brachte, Sembs Erbe Aage Hareide abtrat, versuchte Kaafjord mit einem Schritt zurück in die Zukunft die Voraussetzungen für einen neuen Aufschwung zu schaffen: Er holte Olsen zurück. Doch der 66-Jährige hat seit seinem Abschied 1998 keine nennenswerten Erfolge mehr aufzuweisen.

"Drillo", wie der einstige Dribbelkönig Olsen genannt wird, hat damals von 88 Länderspielen nur 16 verloren. Doch sein 4-5-1-System mit betonanrührender Defensive und langen Bällen war schon in den 1990er-Jahren veraltet. Mit seinem bisherigen Auftreten gab er den Zweiflern zusätzlich Nahrung. "Ich habe eigentlich überhaupt keine Ahnung. Ich bin total verunsichert. Da sind Spieler in meinem Kader, die ich nicht erkennen würde, wenn sie mir in der Fußgängerzone von Oslo begegneten", sagte er vor dem Abflug nach Deutschland.

Witze und lustige Rechenspiele

Das sollte ein Witz sein, kam aber nicht überall gut an. Olsen macht gerne Späße, um den Nörglern Wind aus den Segeln zu nehmen. Auf die Frage, wie hoch er die Chancen auf einen Sieg in Düsseldorf einschätze, antwortete der Hobby-Mathematiker: "Ich habe das sehr genau durchgerechnet und komme auf 17,67 Prozent."

Olsen soll für drei Länderspiele bleiben, bis Juni will der NFF zum WM-Qualifikationsspiel in Mazedonien einen neuen Coach gefunden haben. Der soll eigentlich Staale Solbakken heißen, doch weil dessen Vertrag beim FC Kopenhagen noch bis 2011 läuft, sind auch Olsen und angeblich Matthäus Kandidaten. Olsen hat Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit bekundet und Rang 2 in der WM-Qualifikationsgruppe 9 als Ziel ausgegeben, in der Norwegen Letzter ist.

Hoch über Lahm

Allen Unkenrufen zum Trotz glaubt Olsen, dass sein "B-Team" Chancen hat in Düsseldorf. "Wir müssen auf der Hut sein und dürfen keine Räume zwischen unseren Mannschaftsteilen bieten. Wenn uns das gelingt, kann es eine enge Kiste werden", sagt er. "Am meisten Angst habe ich vor den Flügelspielern", gibt Olsen zu, doch dafür hat er Philipp Lahm als Schwachstelle ausgemacht. "Der ist nur 1, 70 cm groß, da sollte mit langen Bällen für uns etwas drin sein."

Eine Niederlage wäre normal, meint auch Olsen, "aber ich wäre enttäuscht, wenn wir hoch verlieren". Denn schließlich hält er seine Mannschaft für fähig, von Platz 59 in der Weltrangliste in die Top 10 vorzustoßen. "Das ist so, als würde Dänemark sich in den Top 5 Wintersport-Nationen sehen", kommentierte ein Fan diese Prognose im Internet. Der norwegische Fußball liegt am Boden.