Das Herz von "Walter-Elf"-Frontmann Matthias "Beppo" Götte schlägt von Kindheit an für die "Roten Teufel"
Das Herz von "Walter-Elf"-Frontmann Matthias "Beppo" Götte schlägt von Kindheit an für die "Roten Teufel"

FCK und Punkrock: Die "Walter-Elf"

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Kaiserslautern - Matthias "Beppo" Götte gründete 1983 zusammen mit fünf Freunden als Reminiszenz an seinen Lieblingsverein 1. FC Kaiserslautern die Punkrock-Band "Walter Elf", die mittlerweile fast so legendär ist wie ihr Namensgeber aus dem Fußball.

Götte ist im selben Dorf wie die Lauterer Club-Ikone Hans-Peter Briegel aufgewachsen und nicht nur deshalb FCK-Fan. Heute lebt der 48 Jahre alte Hörfunk-Journalist mit Frau und drei Kindern in Köln. Götte erzählt im Interview über seine Sozialisation als FCK-Fan, erklärt, warum Ronnie Hellström sein FCK-Lieblingsspieler ist, was Punk-Rock mit Fußball zu tun hat und warum die aktuelle FCK-Mannschaft von Trainer Marco Kurz auch im kommenden Jahr in der Bundesliga spielt.

bundesliga.de: Herr Götte, erinnern Sie sich an ihren ersten Besuch auf dem Betzenberg?

Matthias Götte: Na klar, ich wäre ein seltsamer Fan, wenn ich das nicht mehr wüsste. Mein Vater hatte mich in den frühen oder mittleren Siebzigern mitgenommen zum Heimspiel gegen Düsseldorf. Ich müsste die genaue Saison recherchieren, jedenfalls fiel mir damals ein blonder Spieler namens Scheer auf, der damals von Schalke auf den Betzenberg gewechselt war, und bei Düsseldorf einer mit schütterem Haar namens Kohnen. Wenn ich mich recht erinnere, ging das Spiel 1:0 für Lautern aus, es könnte aber auch ein 0:0 gewesen sein.

bundesliga.de: Was machte die Faszination aus?

Götte: Damals, muss ich zugeben, war ich noch nicht so beeindruckt. Ich fand das Spiel und das Drumherum wohl ganz spannend, aber mein Vater war eigentlich kein großer Fußball-Fan, und so dauerte es ein, zwei Jahre, bis ich wieder auf den Betze kam. Erst dann habe ich richtig Feuer gefangen. Ich war Samstags öfters bei einem Freund zu Besuch, der im Wohngebiet "Betzenberg" wohnte, und wenn wir in seinem Garten waren, hörten wir die Geräusche der Fans, das war faszinierend: Dieses Anschwellen, wenn der FCK sich offenbar dem gegnerischen Tor näherte, dieses Aufbrausen und anschließend wieder enttäuschte Abschwellen, wenn die Torchance kam und - schließlich vergeben wurde. Und viel besser noch: Diese Explosion eines kollektiven Schreis aus zigtausend Kehlen, wenn ein Tor erzielt wurde. Uns hat dieses Publikumsgeräusch magisch angezogen; der FCK hat mich quasi über den akustischen Weg erobert. Wir sind dann zum Stadion gelaufen und haben vor den Toren gewartet, bis sie eine Viertelstunde vor Spielschluss geöffnet wurden. Dann sind wir rein, und wie der Zufall es wollte, durften wir gleich zu Beginn unserer Fankarriere die Tore zweier last Minute-Siege noch mitverfolgen - das war gegen Bielefeld und 1860 München mit einem gewissen Rudi Völler im Sturm. Wer unter diesen Umständen nicht zum Fußballfan wird, hat kein Herz.

bundesliga.de: Und dann sind Sie jedes Wochenende zu den Spielen auf den Betzenberg gegangen?

Götte: Ja, dann fast immer mit meinen Freunden aus meinem Heimatort. Wir haben sogar eine riesige Fahne gebastelt, die aber nie den Weg in das Stadion fand, weil die Stange so groß war, dass der Fahrer des Linienbusses sich weigerte, sie mitzunehmen. Später, als Student, hatte ich dann auch eine Dauerkarte.

bundesliga.de: Hans-Peter Briegel kommt wie Sie aus Rodenbach, haben Sie ihn damals kennengelernt?

Götte: Er lebte damals noch auf dem Bauernhof seiner Eltern, und wir sind da ab und an hin, um Autogramme zu holen. Die wurden immer wertvoller: Am Anfang war es nur die Unterschrift eines staksigen Ex-Zehnkämpfers, über den sich das FCK-Publikum mitunter lustig machte. Später war es dann das Autogramm eines europäischen Top-Fußballers, der das Unmögliche schaffte, mit einem Verein wie Hellas Verona Italienischer Meister zu werden. Und der es am Ende immerhin doch auf ein Maß an fußballerischer Technik gebracht hatte, das ihm früher niemand zugetraut hatte.

bundesliga.de: Wer war Ihr erster Lieblingsspieler?

Götte: Das war jener Mann, den damals vermutlich 90 Prozent im Stadion als Lieblingsspieler angegeben hätten: Ronnie Hellström, unser schnauzbärtiger freundlicher Torwart aus Schweden. Der war nicht nur ein guter Keeper, sondern strahlte auch so eine herzliche Wärme aus, wie ich das später eigentlich bei keinem anderen Spieler mehr erlebt habe. Und: Ronnie Hellström war mit dem Herzen beim FCK. Kürzlich habe ich ein Interview mit ihm gelesen, und da hat er als seinen größten fußballerischen Moment nicht seine WM- und Europacup-Teilnahmen, auch nicht das Erreichen des Pokalfinales genannt, sondern: Sein Abschiedsspiel auf dem Betzenberg. Gibt`s so etwas? Spätere Lieblingsspieler waren unter anderem Hans-Günter Neues, Axel Roos und Bjarne Goldbaek - nach ihm ist mein jüngster Sohn benannt. Aber Ronnie bleibt die Nummer eins.

bundesliga.de: Wie kamen Sie und Ihre Freunde auf die Idee, eine Punk-Band mit dem Namen "Walter Elf" zu gründen?

Götte: Wir waren Anhänger des gepflegten Punkrock, und wir waren Anhänger des gepflegten pfälzischen FCK-Kampffußballs. Das passte irgendwie zusammen. Beides hat auch einen proletarischen Hintergrund, und sowohl auf Punkkonzerten als auch im Stadion wird herzhaft geflucht. Deshalb lag für uns ein Name mit Fußball-Hintergrund nahe, zumal wir das Thema Fußball ja auch in einigen Liedern verarbeiteten, zum Beispiel "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" oder "Leb wohl, Hans-Peter" zum Abgang von Briegel nach Verona. Außerdem fanden wir es damals lustig, uns "Walter Elf" zu nennen, obwohl wir doch nur sechs waren. Aber diesen Humor kann ich heute selbst nicht mehr so ganz nachvollziehen.

bundesliga.de: Wie hat der FCK das Leben der Band geprägt?

Götte: Geprägt würde ich nicht sagen, aber der Fußball war und ist ein Teil auch unseres Bandlebens. Nicht nur, weil wir immer wieder auch mal zusammen ins Stadion gegangen sind. Wir haben zum Beispiel auch ab und zu auf Fanveranstaltungen gespielt. Vor eineinhalb Jahren zur Veröffentlichung unserer CD "Männer in Rot" durften wir dann sogar beim Saison-Eröffnungsfest des FCK vor dem Stadion spielen. Das war noch mal ein ganz besonderer Höhepunkt in unserer Laufbahn sowohl als Fan als auch als Musiker.

bundesliga.de: Was ist das FCK-Spiel Ihres Lebens?

Götte: Eigentlich sind es drei: Das 5:0 im Europapokal gegen Real Madrid in den frühen Achtzigern - mein erster großer internationaler Erfolg mit dem FCK. Der Sieg im Pokalfinale 1990 gegen Werder Bremen - nach jahrelangem Fan-Dasein endlich mein erster Titel mit dem FCK, und die Niederlage in der Champions-League gegen Barcelona im Jahr 1991: Bis kurz vor Schluss waren wir weiter, dann stürzten wir nach einem Kopfballtor des kleinen Bakero plötzlich ins Tal der Tränen. Dieses Spiel hatte alles, was der Fußball an Emotionen bietet im Übermaß. Der Betze war aus der Hubschrauberperspektive ein brodelnder Vulkan.

bundesliga.de: Wie hat der FCK im Laufe der Jahre die "Walter Elf" wahrgenommen?

Götte: Eigentlich bis vor kurzem gar nicht, aber wir haben uns auch nie groß um Kontakt gekümmert. Der Fußball war für uns ja nicht Mittel zum (Verkaufs-)Zweck, sondern einfach nur unsere zweite Leidenschaft neben der Musik. Erst kürzlich, wie gesagt im Zusammenhang mit der neuen CD, kam der Kontakt zustande. Wir haben das Cover nämlich mit historischen Panini-Bildchen unserer Lieblingsspieler gestaltet, und dazu brauchten wir in einigen Fällen die Genehmigung des Vereins. Aus dem Kontakt ergab sich dann einiges: Ein Teil des Verkaufs-Erlöses ging an die Aktion "Mama/Papa hat Krebs", deren zweiter Vorsitzender FCK-Kapitän Martin Amedick ist, und ich wurde Kolumnenschreiber für die Stadionzeitung, was ich als einen Höhepunkt meiner Laufbahn als Journalist betrachte.

bundesliga.de: Die 2010 aufgenommene Scheibe "Männer in Rot" wurde in der Saison 2010/11 vor jedem Heimspiel im Stadion gespielt, was für eine Bedeutung hatte das für Sie und die Band?

Götte: Das war ein weiteres Produkt dieser Kontaktaufnahme, und das war für uns natürlich ein Traum, der in Erfüllung ging. Wenn die eigene Musik im Stadion gespielt wird - das ist für einen Musiker und Fan so ziemlich das Größte. Ich habe Gänsehaut bekommen, als ich unsere Songs das erste Mal auf dem Betze gehört habe.

bundesliga.de: Für was steht der 1. FC Kaiserslautern?

Götte: Für Underdog-Dasein, für Bundesliga-Geschichte, für eine Tradition eines kämpferischen Fußballs, den ich dem hochtechnischen Fußball eines FC Barcelona allemal vorziehe. Vor allem aber ist der FCK ein Stück Heimat für mich. Als gefühlter - wenn auch nicht gebürtiger - Pfälzer definiere ich mich landsmannschaftlich auch ein gutes Stück über den FCK und meine Geschichte als Fan.

bundesliga.de: Sie leben in Köln und gehen nur noch selten "nuff uff de Betze", wie haben Sie die letzten Jahre erlebt?

Götte: Meistens sehe ich die Spiele zusammen mit anderen Pfälzer Vertriebenen in einer Kneipe in der Kölner Innenstadt. Da gab es in den vergangenen Jahren wenig zu lachen und viel zu schimpfen, und die Phase in der zweiten Liga war auch nicht immer schön. Besonders gestört hat mich die hohe Fluktuation an Spielern in den letzten zehn Jahren. Ich mag es, wenn Spieler ihrem Verein lange treu sind - dann kann ich mir einbilden, dass sie den Verein genau so lieben wie ich. Inzwischen hat sich unter Stefan Kuntz vieles gebessert beim FCK - auch in dieser Hinsicht.

bundesliga.de: Wer ist Ihr aktueller Lieblingsspieler?

Götte: Martin Amedick, unser Kapitän. Ich stand schon immer auf Abwehrspieler und in seinen ersten Jahren beim FCK war er hinten eine Bank und zudem noch torgefährlich bei Standards. Derzeit schwächelt wer etwas, aber ich bin mir sicher, dass er wieder zu alter Stabilität zurückfindet. Im Übrigen ist er ein äußerst sympathischer Kerl, der auch über den Fußball-Rand hinausblickt.

bundesliga.de: Glauben Sie, die Mannschaft von Trainer Marco Kurz wird den Klassenerhalt schaffen?

Götte: Da bin ich mir sogar sicher. Weil der Verein auch nach Niederlagen die Ruhe bewahrt, und weil sich der eine oder andere Spieler in der Rückrunde noch entwickeln wird, werden wir 15. und müssen noch nicht mal in die Relegation!

Das Gespräch führte Tobias Schächter