Lange Gesichter: Die Bayern lagen gegen Manchester City schon mit 2:0 vorne, unterlagen aber noch mit 2:3
Lange Gesichter: Die Bayern lagen gegen Manchester City schon mit 2:0 vorne, unterlagen aber noch mit 2:3

Schwächen in Mathe und auf dem Platz: Bayern menschelt

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München - Seltsame Dinge sind am Dienstagabend in der Allianz Arena vorgefallen. Der FC Bayern hat ein Pflichtspiel verloren. Und das gegen ein europäisches Schwergewicht, das über das Reglement nicht im Bilde war. Wobei stark bezweifelt werden darf, dass sich die Münchner ihrerseits der tückischen Gesetzmäßigkeiten einer Champions-League-Gruppe bewusst gewesen waren.

Um ein Tor verrechnet

In der Schlussphase des Spiels waren jedenfalls ambivalente Verhaltensweisen beim Titelverteidiger auszumachen. Hier Thomas Müller, der "in der 87. Minute Richtung Eckfahne marschierte", um den Ball zu halten und Zeit von der Stadionuhr zu nehmen. Dort seine Teamkollegen, die anderes im Sinn hatten und beim Stand von 2:3 auf den Ausgleich drängten. "Ich habe mich gewundert, dass die ganze Belegschaft von uns bei unserer Ecke im Sechzehner von Manchester war", sagte Müller im Interview nach dem Spiel. "Deshalb weiß ich nicht, ob es jedem bewusst war, worum es ging."

Ein Kontertor nach einer der zahlreichen Bayern-Ecken in den letzten Minuten hätte schon gereicht. Manchester City wäre wegen des besseren direkten Vergleichs Gruppensieger gewesen und die Elf von Pep Guardiola hätte im Achtelfinale mit Gegnern wie Real Madrid, Barcelona oder Chelsea liebäugeln dürfen.

Dass es nicht so weit kam, lag auch an den Citizens. Die Gäste aus England waren ob der 3:2-Führung zwar erfreut, aber keineswegs euphorisch oder sich der Ausgangslage bewusst, sondern verfielen danach in einen trägen und schwerfälligen Zustand, der schon vermuten ließ, was James Milner danach zugab. "Wir wussten nicht, dass ein 4:2 gereicht hätte. Ehrlich gesagt dachten wir, wir brauchen ein 5:2", so der 27-Jährige, der seine feine Schusstechnik beim 3:2 aufblitzen ließ. Selbst City-Trainer Manuel Pellegrini hatte sich verrechnet und ließ Torjäger Kun Aguero auf der Bank. "Ich wäre versucht gewesen, ihn einzuwechseln, wenn wir das vierte Tor gemacht hätten", sagte der Chilene.

Müller: "Die Menschen in uns sind durchgekommen"

Weder die Bayern noch Manchester hatten sich wohl mit höherer oder niedrigerer Mathematik beschäftigt. Erst recht nicht nach den ersten 20 Minuten, in denen der Rekordmeister dort weitermachte, wo er in Bremen aufgehört hatte. Müller, Toni Kroos und Co. kombinierten die himmelblaue Abwehr schwindelig und führten blitzschnell mit 2:0. Danach "sind die Menschen in uns durchgekommen", konstatierte Müller.

Die Künstler Ribery, Götze und Thiago verloren sich in Schönspielerei, Selbstgefälligkeit und Einzelaktionen. Der Spanier vernachlässigte dazu seine defensiven Aufgaben auf der Sechs. "Wir haben gedacht, es geht zu einfach", fand Franck Ribery, der damit auf die Überheblichkeit seiner Mannschaft anspielte. Zu den Hackentricks und den Ballstreicheleinheiten in der Offensive gesellten sich ungewohnte Patzer in der Hintermannschaft. Jerome Boateng ließ die Kugel vor dem 2:1 ungeschickt passieren, vor dem 2:3 semmelte er über den Ball. Auch Dante stieg vor dem zwar strittigen, aber vertretbaren Elfmeter eher uninspiriert ein und leistete sich zehn Minuten vor Feierabend gegen Alvaro Negredo einen Wackler, der beinahe mit dem 2:4 bestraft worden wäre.

Guardiola demütig

Die Woche für Woche göttlichen Bayern leisteten gegen Manchester eben nur Irdisches und verloren seit Ende Juli mal wieder ein Pflichtspiel. "Wir müssen lernen, dass wir nicht jedes Spiel gewinnen", sagte Guardiola. "Vielleicht tut uns diese Niederlage ganz gut." Hört, hört. Worte, die man aus dem Mund des katalanischen Perfektionisten nicht erwartet hätte. Guardiola hat die Bodenhaftung auch nach den Erfolgswochen und den purzelnden Rekorden nicht verloren: "Ich lese und höre immer: Das ist kein Problem für Bayern, sie haben eine gute Mannschaft. Nein, nein, nein! Es ist immer schwierig." Auf jeden Fall schwieriger als die Rechenspiele in Gruppe D.

Aus München berichtet David Schmidt