Uli Hoeneß (l.) und Pep Guardiola auf dem Bayern-Bankett nach dem Sieg gegen Moskau
Uli Hoeneß (l.) und Pep Guardiola auf dem Bayern-Bankett nach dem Sieg gegen Moskau

Noch keine Zigarre für Guardiola

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Moskau - Pep Guardiola hatte sich um kurz vor zwei Uhr nachts gerade mit Luftküsschen vom Vorstandstisch im Ball Room des Ritz Carlton verabschiedet, als er noch einmal kurz zu Uli Hoeneß zurückblickte. Der Präsident blies genüsslich kleine Wölkchen in die Luft, doch Guardiola schüttelte den Kopf. Eine Zigarre werde er sich erst genehmigen, ließ der Trainer von Bayern München im Gehen wissen, "when we have ein Titel".

Das 3:1 (1:0) bei ZSKA Moskau, das seine Mannschaft im Eisschrank von Chimki drei Stunden zuvor recht souverän eingefahren hatte, war nur Zwischenstation. Zigarren für alle? Erst im Mai! Mit Pokal.

Nur kurze Pause für Lahm

Entsprechend nüchtern hatte Karl-Heinz Rummenigge das Erlebte in seiner Bankettrede verarbeitet. Der Vorstandschef gratulierte der Mannschaft zu ihrem zehnten Champions-League-Sieg in Serie, dem nächsten "außergewöhnlichen Rekord" für die Ewigkeit. Dann eröffnete er das Buffet mit Borschtsch, Stör und Lachs in Kaviar-Sauce sowie Erdbeeren "Romanoff". Business as usual bei den erfolgsverwöhnten Rekord-Bayern, die das Verlieren längst verlernt zu haben scheinen. Auch, dass ihnen während der Begegnung Kapitän Philipp Lahm ausfiel, der achte Profi, hatte sie ja nicht im Geringsten beeindruckt.

Lahm dürfte nach seiner Muskelverhärtung im rechten Oberschenkel am Samstag gegen Bundesliga-Schlusslicht Eintracht Braunschweig eine Pause bekommen. Länger wird er nicht fehlen. Es gehe ihm gut, sagte der Spielführer und lächelte, als er die Chimki Arena verließ. Und selbst, wenn nicht: Dann spielt halt Thiago, wie schon in Dortmund und jetzt in Chimki - ein Zauberfüßchen kommt für das andere.

Und in der größten Not wirft Trainer Guardiola halt den nächsten Hochtalentierten ins Feuer; diesmal war's der 18 Jahre alte Julian Green. Der Torjäger der zweiten Mannschaft kam kurz vor Schluss für Mario Götze, der immer besser wird. "Ich kann jetzt behaupten, dass ich bei 100 Prozent und gut drauf bin", sagte Götze, eingewickelt in ein schwarzes Schaltuch. Dann fügte er einen Satz an, der so typisch ist für die Bayern-Gier: "Aber ich will mich immer noch steigern."

"Haben unglaublich gespielt"

Das gilt ganz offensichtlich für jeden einzelnen seiner Kollegen, da ist keine Sättigung zu spüren. Das lässt den Rekordmeister auch manche kleine Krise in seinen Spielen überstehen. In Chimki setzten sie sich auch gegen die widrigen Verhältnisse durch, und wann immer es brenzlig wurde, rettete Torhüter Manuel Neuer - oder die Münchner schossen einfach ein Tor. Die Treffer von Arjen Robben (17.), Götze (56.) und Thomas Müller (65., Foulelfmeter) fielen immer dann, wenn sie etwas in Bedrängnis geraten waren. Wie nach dem 1:2 von Keisuke Honda (62., Handelfmeter). Und auch die tumultartigen Szenen in den Stadion-Katakomben, wo Dutzende russische Reporter nach Fotos und Autogrammen gierten, durchlebten sie souverän.

"Unter diesen Bedingungen, mit diesem Rasen haben wir unglaublich gespielt", lobte Guardiola. Die neue Bestmarke, mit der die Münchner seinen FC Barcelona übertrafen, nannte er "groß, groß, groß". Er sei stolz auf die Spieler, meinte Guardiola noch, und gab den Profis für Donnerstag kurzerhand frei. In der Vorbereitung auf Moskau hatte ja auch ein Training ausgereicht, für Braunschweig sollte das ebenfalls genügen. Ist das arrogant? Ach was, meinte Robben. "Wir werden das Spiel nicht unterschätzen. Erster gegen Letzter ist etwas Komisches. Man muss aufpassen, ganz konzentriert spielen - und nachlegen."

Das gilt auch für die Champions League. All die Bestmarken wie die sechs Auswärtssiege in Serie und die fünf Starterfolge (beides Klubrekord) wären kaum mehr etwas wert, wenn am 10. Dezember gegen Manchester City der Gruppensieg verpasst werden würde. Für Rang eins reicht ein Unentschieden, selbst eine knappe Niederlage können sich die Bayern leisten.

"We have a big breast"

Neuer dachte derweil schon über das letzte Vorrundenspiel hinaus. "Wir müssen in der K.o.-Phase weitermachen", sagte er. Dafür, dass dies gelingt könnte, sei der Erfolg von Chimki ein gutes Indiz. Nach der schwierigen Begegnung von Dortmund sei Moskau "reine Kopfsache" gewesen, meinte Neuer. "Und wir haben eine gesunde Einstellung."

Thomas Müller benannte diese im Interview für das russische Fernsehen etwas ungelenk: "We have a big breast." Die soll die Bayern noch weit bringen. Und irgendwann, so ist zumindest anzunehmen, wird es dann auch eine Zigarre für Guardiola geben.