Zürich, Berlin, Gladbach: Coach Lucien Favre (l.) und Raffael. Diese Partnerschaft gibt es jetzt zum dritten Mal (© Imago)
Zürich, Berlin, Gladbach: Coach Lucien Favre (l.) und Raffael. Diese Partnerschaft gibt es jetzt zum dritten Mal (© Imago)

Favres Musterschüler Raffael: Mehr Power für Gladbachs Offensive

xwhatsappmailcopy-link

München - Als die Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach nach dem letzten Spieltag ihre Köpfe zusammensteckten und die abgelaufene Saison Revue passieren ließen, dürfte ihre Bilanz überwiegend positiv ausgefallen sein. Dennoch: Etwas passte nicht ganz.

Schalke statt Gladbach - zunächst

Platz 8 lag zwar im Rahmen der Vorgaben, an die internationalen Plätze schnupperten die "Fohlen" lange Zeit, verpassten die Europa League jedoch um vier Punkte. Der Grund: Die Offensive, die höheren Ansprüchen schlicht nicht genügte. Nach dem Abgang von Marco Reus hatte das Angriffsspiel des VfL erwartungsgemäß nicht mehr den Drive der Vorsaison. Der Fußballer des Jahres 2012 zeigte seine Weltklasse auch beim BVB - mit Dortmund stürmte Reus bis ins Champions-League-Finale.



Was also tun, um die fehlenden Prozente Schnelligkeit und Kreativität zurück in den Borussia-Park zu bringen? Neben Freiburgs Shootingstar Max Kruse, der schon früh als Neuzugang präsentiert wurde, geisterte ein Name seit geraumer Zeit durch die Medienlandschaft: Raffael Caetano de Araujo.

Der Raffael also, der bei Hertha BSC schon 2007/2008 auftrumpfte und für die Berliner insgesamt 25 Tore in 126 Bundesligaspielen erzielte. Bereits im Winter gab es Gerüchte, wonach die Borussen den Edeltechniker an den Niederrhein locken wollten - doch zum damaligen Zeitpunkt waren die Voraussetzungen noch nicht gegeben.

Statt nach Gladbach ließ sich Raffael zum FC Schalke 04 ausleihen, wo er nach einem unglücklichen Abstecher bei Dynamo Kiev schnell wieder Fuß fasste. Mit zwei Treffern und fünf Vorlagen erreichte Schalke auch dank Raffael die Champions-League-Quali.

Raffael über Favre: "Ich habe ihm viel zu verdanken"



Als die "Knappen" die Kaufoption dennoch verstreichen ließen, schnappten die "Fohlen" umgehend zu und holten den 28-Jährigen zurück zu seinem Förderer Lucien Favre. Der Schweizer Trainer hatte Raffael bereits 2005 zum FC Zürich transferiert und ihn zwei Jahre später nach Berlin nachgeholt. Damit begegnen sich Raffael, der bis 2017 am Niederrhein unterschrieb, und Favre zum dritten Mal. Der Fußballlehrer hat seinen Musterschüler wieder.

"Ich habe ihm sehr viel zu verdanken", sagt Raffael. "Er hat mich in Zürich gefördert und später auch nach Berlin geholt. Dieses Vertrauen möchte ich gerne zurückzahlen." Die fruchtbare Symbiose der beiden Protagonisten lässt sich am Besten von den nackten Zahlen ablesen: In 142 Spiele unter Favre erzielte Raffael insgesamt 52 Tore und gab 28 Torvorlagen - eine durchaus bemerkenswerte Bilanz.

Da lag es auf der Hand, dass Favre bei Borussias Sportdirektor Max Eberl vorstellig wurde, als der Offensivmann auf dem Markt war. "In Raffael bekommen wir einen weiteren flexibel einsetzbaren und technisch starken Spieler. Dieser Transfer war nicht leicht zu realisieren, deshalb freuen wir uns sehr, dass es nun geklappt hat", frohlockte Eberl.

Nicht schnell, aber ein Konterspieler



Mit Raffael, dem älteren Bruder des Herthaners Ronny, bekommt das Offensivspiel der "Fohlen" den Schuss Schnelligkeit und Technik, der ihnen vor allem im Konterspiel in der vergangenen Saison abgegangen ist. Raffael selbst ist zwar kein Tempo-Spieler - bei Schalke erreichte er einen Top-Speed von "nur" 28 Kilometern pro Stunde, 15 Teamkollegen waren schneller. Doch durch seine Pässe schafft er genau die Geschwindigkeit, die seit Reus' Abgang in Gladbach fehlt. Das Umschaltspiel war ein Schwachpunkt der Favre-Elf: Nur sechs Kontertore lagen unter dem Liga-Durchschnitt (neun). Dass beim Kontern nicht nur Laufgeschwindigkeit, sondern vor allem Handlungsschnelligkeit und Timing gefordert sind, zeigen die starken 19 Kontertore, an denen Raffael in seiner Bundesliga-Karriere bereits beteiligt war.

Raffael ist zudem der "polyvalente" Spieler, den Favre schon seit jeher fordert. Als "Neuneinhalber" könnte er etwa hinter Luuk de Jong oder Kruse die Angriffe inszenieren. In Zürich spielte Raffael unter Favre fast ausschließlich in der Spitze, traf 40 Mal in 77 Spielen. Genauso stark ist Raffael aber über die Außenpositionen. In Gelsenkirchen glänzte er durch Effizienz, alle 113 Spielminuten war er an einem Treffer beteiligt: Eine bessere Quote als die von Julian Draxler, Klaas-Jan Huntelaar oder Jefferson Farfan.

De Jong, Kruse, Patrick Herrmann, Juan Arango und jetzt Raffael: Gladbachs kommende Offensive liest sich nicht schlecht. Und falls Favre von seinem angestammten 4-4-2-System abrückt, wäre "Raffa" jemand, der das Spiel auch aus dem zentralen Mittelfeld lenken kann. Seine Variabilität macht ihn zum Trumpf für die Borussia, die mit Raffael wieder im Kampf um die internationalen Plätze ein Wörtchen mitreden möchte.

Johannes Fischer