Hiroshi Kiyotake (r.) begeistert nicht nur den 1. FC Nürnberg mit seinem Fußball, sondern die gesamte Bundesliga
Hiroshi Kiyotake (r.) begeistert nicht nur den 1. FC Nürnberg mit seinem Fußball, sondern die gesamte Bundesliga

Exportschlager aus Fernost

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München - Kleinwagen, natürlich, und Unterhaltungselektronik jeglicher Art - für derlei Exportgüter ist Japan bekannt. Aber Fußballer? Lange Zeit waren Spieler aus dem Land der aufgehenden Sonne Exoten in der Bundesliga. Doch als Shinji Kagawa in der Saison 2010/11 für Borussia Dortmund durch die Liga wirbelte und mit schnellem, präzisem und gnadenlos effektivem Fußball nicht nur die Fans des BVB begeisterte, herrscht ein regelrechtes Japan-Fieber in der Liga.

Vorbereiter und Vollstrecker

Auf einmal waren die Sportdirektoren und Manager der Bundesliga-Clubs auf der Suche nach Ballkünstlern aus Nippon. Mit brillanter Technik und schnellem Spiel sollten sie dem Verein zu besseren Leistungen verhelfen. Auch wenn Kagawa mittlerweile weitergezogen ist in die englische Premier League ist der Japan-Trend in der Bundesliga unverkennbar. Doch hat sich der "Gold Rush in Fernost" gelohnt?



Ein ganz klares "Ja!" gibt es als Antwort auf diese Frage aus Nürnberg. Beim dortigen "Club" spielt seit dem Sommer 2012 Hiroshi Kiyotake, der sich bereits nach nur drei Spieltagen ins Rampenlicht der Liga gespielt hat. "Bei ihm kann man nur mit der Zunge schnalzen", zeigt sich Trainer Dieter Hecking von seinem Neuzugang begeistert. "Er macht im Spiel den Unterschied für uns aus." So geschehen am vergangenen Wochenende, beim in Mönchengladbach.

Gegen die Borussia war der 22-Jährige der alles überragende Mann des Spiels. Nicht nur, weil er den Siegtreffer zum 3:2 selbst erzielte, sondern auch, weil er bereits die ersten beiden Tore vorbereitet hatte - jeweils per Standard. Der ruhende Ball ist eine seiner großen Stärken. Denn bereits gegen den Hamburger SV (1:0) und Borussia Dortmund (1:1) leitete der 1,72 Meter große Rechtsfuß die Tore seiner Mannschaft jeweils per Ecke vor.

Ein Typ wie Kagawa



Doch Kiyo, wie ihn seine Mitspieler nennen, besticht nicht nur mit feinem Fuß und gutem Auge, auch der Einsatz stimmt. Von 270 möglichen spielte er 268 Minuten, in denen er 47 Zweikämpfe bestritt, von denen er 53,2 Prozent für sich entschied. Auf 90 Minuten hochgerechnet lief er in den bisherigen drei Bundesliga-Partien 11,58 Kilometer im Schnitt - Werte eines echten Arbeitstieres, an dem die "Clubberer" noch lange Freude haben werden, wie Guido Buchwald gegenüber bundesliga.de bestätigte: "Ich bin nicht überrascht, dass Kiyotake so gut bei Nürnberg eingeschlagen ist. Nur über die Schnelligkeit, in der das passiert ist, bin ich verwundert", sagt der Weltmeister von 1990, und ist sich sicher, dass "Kiyotake ähnlich erfolgreich werden kann wie Shinji Kagawa in Dortmund".

Nicht nur durch die Spielweise erinnert Kiyotake an den ehemaligen Dortmunder Wirbelwind, sondern auch in seinen Zielen. "Ich will in dieser Saison zweistellig treffen und genauso viele Tore vorlegen", erklärt Kiyotake, der fest entschlossen ist, sich in Deutschland und der Bundesliga durchzusetzen: "Es werden Aufgaben auf mich zukommen, die mir noch mehr abverlangen, deshalb muss ich mich weiterentwickeln."

Zierlicher Flügelflitzer



Bei der nächsten Aufgabe gegen Eintracht Frankfurt trifft Kiyotake in Takashi Inui auf einen Landsmann, der ebenfalls schon die Herzen seiner Fans erobert hat. In drei Liga-Einsätzen für die Hessen, übrigens alle von Beginn an, hat der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler zwei Scorer-Punkte gesammelt - ein Wert, der intern nur von Alexander Meier (vier) übertroffen wird.

Als Punktesammler war er auch schon beim VfL Bochum aufgefallen, für den er in der vergangenen Spielzeit, seiner ersten außerhalb Japans, in 30 Einsätzen sieben Tore erzielte und fünf weitere vorbereitete. Grund genug für Armin Veh, den quirligen Japaner - nach Naohiro Takahara und Junichi Inamoto der dritte in Diensten der Eintracht - bis 2015 zu verpflichten. Bereits vergangene Saison habe er von ihm "geschwärmt", sagt der Coach über den seiner Meinung nach "besten Spieler der vergangenen Zweitliga-Saison".

Bei allem Lob sind an den ersten drei Spieltagen jedoch auch zwei Makel aufgefallen, an denen Frankfurts Nummer 8 noch arbeiten muss. Mit nur 27,9 Prozent verbucht er die schwächste Zweikampfquote der Veh-Elf, was aber wohl zu großen Teilen auf sein geringes Körpergewicht von nur 59 Kilogramm zurückzuführen ist. Allerdings sieht Japan-Experte Buchwald diesen Umstand eher positiv denn negativ: "Mit seiner Schnelligkeit und Wendigkeit hat er gegen große Defensiv-Spieler sogar eher Vorteile." Der zweite Aspekt, den Inui noch verbessern kann, ist seine Abgebrühtheit vor dem gegnerischen Tor. Zu Bochumer Zeiten nutzte er nur drei seiner insgesamt 16 Großchancen.

Robust und ballsicher



Während Kiyotake (Platz 6) und Inui (Rang 2) mit ihren Vereinen auf einer Erfolgswelle schwimmen, verlief der Saisonstart für Takashi Usami weniger positiv - zumindest auf Mannschaftsebene. Nach drei Niederlagen in ebenso vielen Spielen rangiert 1899 Hoffenheim auf dem letzten Platz. Gut hingegen läuft es für Usami in persönlicher Hinsicht. Nachdem er an den ersten beiden Spieltagen eingewechselt wurde, durfte er gegen Freiburg von Beginn an ran und lieferte mit einem Assist und einem Tor eine starke Vorstellung.

"Ich habe seinen Werdegang verfolgt und bin fußballerisch voll von ihm überzeugt", lobt Markus Babbel seinen Schützling, von dem er sicher ist, dass "er uns weiterhelfen" wird. Davon ist auch Buchwald überzeugt: "Er ist unglaublich stark im Tempo-Dribbling nach vorne. Eigentlich ist er mehr eine zweite Spitze als ein Mittelfeldspieler. Die Hoffenheimer werden in Zukunft noch viel Freude an ihm haben."

Neben seinen Offensiv-Qualitäten, die er vergangene Saison bereits in der zweiten Mannschaft des FC Bayern München (18 Spiele, sechs Tore) unter Beweis gestellt hatte, scheint er der körperlichen Spielweise in der Bundesliga gewachsen. Trotz eines Gewichts von nur 68 Kilogramm, gewann er bisher 63,3 Prozent seiner Zweikämpfe. Dass er zudem auch technisch beschlagen ist, belegt die Quote von sechs erfolgreichen Dribblings bei neun Versuchen.

Problematischer Start für zwei Schwaben



Nicht ganz so gut läuft es für einen japanischen Überflieger der vergangenen Saison. "Shinji Okazaki war immer mal wieder leicht verletzt und hatte durch die Nationalmannschaft hohe Belastungen. Körperlich ist er noch nicht so fit wie in der vergangenen Saison. Aber ich bin mir sicher, dass er da wieder zu alter Form finden wird", sagt Buchwald über den schnellen Flügelspieler, der 2011/12 noch siebenfacher Torschütze für seinen Ex-Club VfB Stuttgart war, in dieser Saison aber nur zu zwei Liga-Einsätzen für die Schwaben kam.

Ins Schwärmen gerät der ehemalige Japan-Legionär bei Okazakis Team-Kollegen Gotoku Sakai. "Er ist ein Riesen-Talent", urteilt Buchwald über den 21-Jährigen, der von Albirex Niigata an den Neckar wechselte. Sakai, der, so Buchwald, "beidfüßig ist und rechts wie links spielen" kann, besitze "das Potenzial", in den kommenden Wochen einen erstklassigen Ersatz für den verletzten Rechtsverteidiger Tim Hoogland zu geben.

Zwischen Startelf und Ersatzbank



Seine Chance vorerst verspielt hat wohl Schalkes Atsuto Uchida, der in den ersten beiden Partien jeweils durchgespielt, aber nur 49 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen hatte. Prompt saß der Japaner in Fürth auf der Bank und musste zusehen, wie Benedikt Höwedes rechts in der Viererkette auflief.

Auf eine solche Möglichkeit, sich zu empfehlen, warten aktuell noch Leverkusens Hajime Hosogai und Wolfsburgs Makoto Hasebe. Beide haben bereits bewiesen, dass sie das nötige Rüstzeug für die Bundesliga mitbringen, haben derweil aber Probleme, sich im jeweils stark besetzten Kader ihres Clubs in Szene zu setzen.

Talent mit Star-Potenzial



Einer, dessen Sprung ins Rampenlicht sich verzögert hat, ist Hiroki Sakai. Der 22-Jährige spielt seit diesem Sommer für Hannover 96, wo er mittelfristig Steven Cherundolo als Rechtsverteidiger ersetzen soll. Der Beginn dieses Prozesses wurde jedoch durch eine Bänderverletzung, die sich Sakai während seines Einsatzes für Japan bei den Olympischen Spielen zugezogen hatte, zeitweise gestoppt.

"Der Unterschied zur J-League sind die Schnelligkeit und die physische Stärke", sagt Sakai, der mit dieser Umstellung wohl noch Mühe hat, wartet er aktuell doch noch auf seinen ersten Liga-Einsatz.

Dass er über das nötige Potenzial verfügt und sich keineswegs hinter seinen Landsmännern Kiyotake, Inui und Usami verstecken muss, lassen seine Erfolge in der Heimat erahnen, sagt Buchwald: "Er hat eine tolle Saison in der J-League gespielt und ist bester Nachwuchsspieler der Liga geworden. Das zeugt von toller Qualität." Mit neun Tor-Vorlagen in 27 Partien war Sakai eine wichtige Stammkraft des Aufsteigers Kashawi Reysol, der am Ende der Saison sensationell den Meistertitel feierte.

Klingt ganz so, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis der Bundesliga der nächste Exportschlager aus Fernost ins Haus steht.

Gregor Nentwig