Olaf Thon spielte insgesamt 13 Jahre für Schalke 04 und sechs Spielzeiten für den FC Bayern
Olaf Thon spielte insgesamt 13 Jahre für Schalke 04 und sechs Spielzeiten für den FC Bayern

"Es wird sehr schwer, das Niveau zu halten"

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Die WM ist Geschichte. Doch die Euphorie für das runde Leder ist ungebrochen. Deutschland fiebert schon jetzt der neuen Bundesliga-Saison entgegen. Doch wird es den deutschen "Helden von Südafrika" gelingen, den Schwung der WM in den Liga-Alltag mitzunehmen?

Darüber spricht bundesliga.de mit Olaf Thon. Der ehemalige Star des FC Schalke 04 und FC Bayern München wurde 1990 Weltmeister mit der DFB-Auswahl und weiß noch genau, wie schwer es war, anschließend in der Vorbereitung und im Liga-Geschehen der Euphorie gerecht zu werden.

Besonders kritisch schätzt er die Situation beim FC Bayern ein, der derzeit noch auf einen Großteil seiner WM-Exporte verzichten muss. Thon freut sich aber auch über die vielen internationalen Hochkaräter, die zu Testspielen nach Deutschland kommen, und hofft auf eine Überraschung im Titelrennen.

bundesliga.de: Herr Thon, wie schwer wird es für die WM-Teilnehmer, den Einstieg in den Fußballalltag zu meistern?

Olaf Thon: Ich habe ja auch meine Erfahrungen damit gemacht, nach großen internationalen Turnieren wieder im Fußballalltag in Fahrt kommen zu müssen. Der entscheidende Punkt wird sein, dass man die Spieler nicht verheizt und entsprechend regenerieren lässt. Man braucht dafür eigentlich drei Wochen. Ich weiß nicht, wie unterschiedlich die Bundesliga-Trainer das halten. Aber mindestens zwei Wochen Ruhe brauchen die WM-Teilnehmer schon, um gestärkt in die neue Saison hineingehen zu können.

bundesliga.de: Können sowohl die deutschen WM-Youngsters als auch Spieler wie Lukas Podolski und Miroslav Klose den Schwung von Südafrika rüber mit nach Deutschland nehmen und einfach so weitermachen?

Thon: Das wird unheimlich schwer sein. Ich bin jetzt schon gespannt, wie die Spieler es schaffen werden, diesem Druck bis Weihnachten standzuhalten. Denn so ein WM-Highlight zu haben, das weckt hohe Erwartungen. Da denke ich zum Beispiel an Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger. Es ist unheimlich schwer, auf diesem hohen Niveau weiterzuspielen. Ich gönne es den Spielern, nach dieser tollen Weltmeisterschaft auch in der Liga nahtlos an diese Leistungen anknüpfen zu können. Aber das wird sehr schwer.

bundesliga.de: Sind die Bayern wirklich so gehandicapt von den vielen WM-Spielern, die spät ins Training einsteigen werden?

Thon: Gerade für den FC Bayern, der in der vergangenen Saison mit zwei Titeln und dem Champions-League-Finale so erfolgreich war, wird es unheimlich schwer werden. Ich bin gespannt, wie die Saison bei den Bayern losgeht. Die spielen ja das Eröffnungsspiel gegen den VfL Wolfsburg und fangen somit schon einen Tag vor den anderen an. Das wird sehr spannend. Es ist sicherlich kein Vorteil für Louis van Gaal, dass er so viele Spieler nachträglich in seine Mannschaft einbauen muss. Ich kann mich an 1990 erinnern. Damals sind gleich sieben Weltmeister zum Kader des FC Bayern spät dazu gestoßen. Vorher hatte die Mannschaft in den Testspielen hervorragend funktioniert und auf einmal kamen die sieben Weltmeister und alles hat sich geändert. Die anderen Spieler mussten wieder ins zweite oder dritte Glied zurückrücken. Als Trainer braucht man in dieser Situation ein gewisses Händchen.

bundesliga.de: In der Testspielphase kommen ja einige Schwergewichte nach Deutschland: Juventus, Chelsea, Liverpool, Madrid, etc. Wie wichtig ist es für die Teams, solche Gegner zu spielen?

Thon: Blickt man zurück auf die Zeit vor fünf bis zehn Jahren, dann ist das erst einmal eine Überraschung und ein Wechsel, solche Mannschaften hier nach Deutschland zu bekommen. Das zeigt, dass wir in Deutschland führend sind - nicht nur, was die Zuschauerzahlen betrifft und die Frauenquote in den Stadien angeht, sondern dass der deutsche Fußball insgesamt aufgewertet wurde. Natürlich auch durch das starke Auftreten und die tollen Leistungen der Mannschaft von Bundestrainer Jogi Löw bei der Weltmeisterschaft. Da ist es zwangsläufig, dass sich die Creme de la creme des internationalen Fußballs hier zeigt. Das unterstreicht weiterhin auch, wie finanzkräftig unsere Clubs sind.

bundesliga.de: Und warum sind solche Leckerbissen auch wenn es nur Testspiele sind, auch für die Fans etwas Besonderes?

Thon: Die Fans brauchen ja Abwechslung. Es ist für unsere Fans natürlich etwas ganz Besonderes, wenn man so großartige Mannschaften wie den FC Chelsea oder auch Real Madrid mal live sehen kann. Und ich finde es toll, dass den Fans so etwas geboten wird. Aber auch Turniere, wie man sie auf Schalke mit den Bayern, Hamburg und Köln abhält, gefallen mir. Im Vorfeld auf die Saison sind tolle Events geplant.

bundesliga.de: 14 Teams schlagen ihre Zelte in Österreich auf. Was ist so besonders an unserem Nachbarland?

Thon: Da scheint die tolle Luft zu sein. Man hat die Berge in der Nähe, die Ruhe und Abgeschiedenheit. Da sind ähnliche Temperaturen wie hier. Es ist nicht zu weit weg, in einer Stunde per Flugzeug zu erreichen. Man hat keine Sprachbarrieren, keine Transportschwierigkeiten oder Unwägbarkeiten wie in anderen Ländern.

bundesliga.de: Wie sehen Sie die kommende Saison? Können Teams wie Schalke, Bremen oder Leverkusen den Bayern das Wasser reichen?

Thon: Ich hoffe natürlich, dass der FC Bayern nicht wieder Deutscher Meister wird. Das ist ja langweilig und darin liegt ja auch der Reiz. Man weiß nicht, wann eine Mannschaft wie Hamburg, wie Bremen oder Wolfsburg wieder zuschlagen wird. Normalerweise wäre meiner Meinung nach ja Berlin an der Reihe, aber die spielen leider diese Saison in der 2. Bundesliga. Von daher könnte es ja jetzt mal soweit sein, dass Felix Magath es schafft, mit dem FC Schalke 04 von Platz 2 auf 1 zu rücken. Ich wäre aber sehr überrascht, wenn er das Wunder noch einmal schaffen und die Meisterschaft mit Wolfsburg toppen würde. Aber ich drücke Schalke natürlich die Daumen, wenngleich es unheimlich schwer wird. Vielleicht schafft es ja jemand anderes als die Bayern. Die können dann stattdessen die Champions League gewinnen.

Das Gespräch führte Sebastian Stolz