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Christian Seifert ist seit dem 1. Juli 2005 Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung
Christian Seifert ist seit dem 1. Juli 2005 Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung

"Es reicht nicht, am Buffet zu plaudern"

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Vor dem Start der 47. Bundesliga-Saison äußerte sich DFL-Vorstandschef Christian Seifert in einem großen Interview zu allen wichtigen Themen, die die Liga und den deutschen Fußball betreffen.

Frage: Herr Seifert, was erwarten Sie von der neuen Bundesliga-Saison?

Christian Seifert: Sie wird abwechslungsreich und spannend. Sie wird wieder viel Dramatik bieten. Es wird vielleicht einen neuen Dauerkartenrekord und möglicherweise zum achten Mal in Folge einen neuen Zuschauerrekord geben. Mit der solidarischen Verteilung der Fernsehgelder erhalten wir die sportliche Spannung. Die Clubs und Liga haben, wie auch die Erfolge im Jugendbereich zeigen, viele strategische Weichen richtig gestellt. Von den Sponsoren erhalten wir Zuspruch, und die millionenfachen Zugriffe auf unsere Internet-Seiten beweisen auch, dass wir als Marke und Wettbewerb auf dem richtigen Weg sind.

Frage: Sie haben angesichts der Wirtschaftskrise einen Fernsehvertrag abgeschlossen, der sich sehen lassen kann. Die Clubs halten die Eintrittspreise im europäischen Vergleich niedrig. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass der DFL von der Politik Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Stichwort Kartellamt, Glücksspiel-Staatsvertrag, Werbeeinschränkung für Alkohol, Bezahlen von Polizeieinsätzen, Besteuerung von geschenkten Eintrittskarten.

Seifert: Grundsätzlich hat der Fußball den Fehler gemacht, mit den Politikern, vor allem auch mit denen auf der Fachebene, nicht genügend kommuniziert zu haben. Das müssen wir verbessern. Es reicht nicht, beim Pokalfinale nett am Buffet zu plaudern.

Frage: Was haben Sie konkret vor?

Seifert: Wir wollen den Dialog mit der Politik intensivieren. Wir möchten aber auch auf Profi-Ligen anderer Sportarten in Deutschland zugehen. Dort gibt es zum Teil ähnliche Problemstellungen. Von daher macht es Sinn, sich auszutauschen. Es könnte durchaus förderlich sein, möglicherweise gemeinsam den politischen Dialog zu forcieren und die Akteure, von der gesellschaftlichen und damit zwangsläufig auch wirtschaftlichen Sonderrolle des Sports zu überzeugen.

Frage: Viele Menschen, auch Fußballfreunde, halten der DFL vor, sie solle Gehälter und Transfersummen eindampfen statt eine Sonderrolle zu verlangen.

Seifert: Unabhängig davon, dass die DFL die genannten Faktoren gar nicht beeinflussen kann, ärgert mich eines wirklich: Mittwochs heißt es, die Jungs schießen Tore für Deutschland, sind Botschafter der Integration, und am Samstag werden sie als Millionäre in kurzen Hosen diffamiert. Klar ist: Eine wirtschaftlich funktionierende Bundesliga ist für den DFB und den Breitensport systemrelevant. Und wenn der FC Bayern genug Geld hat, soll er sich meinetwegen einen Ronaldo holen und die Ablöse und sein Gehalt bezahlen! Unser Lizenzierungssystem soll gerade dafür sorgen, dass die Clubs nur das ausgeben, was sie sich leisten können. Ziel muss es sein, dass deren Refinanzierung auf soliden Füßen steht, dass eben für Nachwuchsförderung und Stadioninfrastruktur auch noch Geld da ist. Wir brauchen keine staatlichen Zuschüsse, um den Ligabetrieb zu finanzieren, und so lange der Betrieb sich trägt, soll jeder Verein sein Geld dort ausgeben dürfen, wo er es für sinnvoll hält.

Frage: Spürt die Liga die Krise?

Seifert: Krisenzeiten sind immer Zeiten für Marktführer. Und sowohl der Medieninhalt als auch die Marke Bundesliga sind stärker denn je. Die Krise schlägt bei uns nicht so durch wie in anderen Branchen. Nahezu alle Clubs haben Hauptsponsoren. In Sky, adidas und Krombacher haben wir dazu drei renommierte Ligapartner.

Frage: Wo sehen Sie für die Zukunft zusätzliche Erlös-Potenziale? Der deutsche TV-Markt scheint begrenzt.

Seifert: Im nationalen Fernsehbereich sind nicht nur in Deutschland die Zeiten der großen Zuwachsraten in der Tat vorbei. Vergleiche mit den Erlösen in anderen Ländern sind in dieser Hinsicht nicht zielführend. Das sind andere Märkte mit einer anderen Struktur und einer anderen Geschichte. Sie vergleichen ja auch nicht die Auflagenzahlen deutscher Tageszeitungen mit denen in China.

Frage: Sogenannte Experten behaupten, beim Kartenverkauf ließen sich noch 80 Millionen Euro mehr erlösen.

Seifert: Die Clubs haben sich entschieden, dem Fan Fußball zu sozial verträglichen Preisen anzubieten. Umso mehr ärgert uns der Zweitmarkt, bei dem Fans von sogenannten anderen Fans viel Geld aus der Tasche gezogen wird.

Frage: Von einem Ligasponsor ist nichts mehr zu hören.

Seifert: Wir verkaufen uns nicht unter Wert. Mindestens 35 Millionen müssten pro Jahr schon erlöst werden. Unsere Vermarktungstochter DFL Sports Enterprises wird im zweiten Halbjahr mit Hochdruck daran arbeiten, einen Premium-Sponsor zu finden, der auch auf dem Ärmel präsent sein wird. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass es schwer ist, einen Sponsor aus einer Branche zu akquirieren, die nicht schon stark in der Bundesliga vertreten ist. Und dann wird die Luft dünn.

Frage: Wie sieht es mit Transfererlösen und Merchandising aus?

Seifert: Transfererlöse sind mehr oder minder zufällige Einnahmen. Im Merchandising verwechseln die Medien oft Umsatz mit Gewinn. Da sind die Margen der Klubs nicht überwältigend. Vielleicht ist bei der Bandenwerbung dank der LED-Banden noch eine Steigerung möglich, denn die Werbewirkung ist nachweislich höher. Ich hoffe sehr, dass 2011 der Glücksspielvertrag geändert wird und private Wettanbieter in einem regulierten Markt zugelassen werden. Da gehen dem Profisport derzeit Hunderte von Millionen verloren und dem Staat sowie dem Breitensport Milliarden.

Frage: Kommen wir zu den fehlenden internationalen Erfolgen.

Seifert: Die Liga hat in den 90er Jahre nach dem EM-Titelgewinn 1996 und den Europacup-Erfolgen von Bayern, Borussia Dortmund und Schalke 04 verpasst, den Boom zu nutzen. Das müssen wir selbstkritisch sehen. Ich bin überzeugt, dass wir in absehbarer Zukunft wieder internationale Erfolge und Stars haben werden. Die Bundesliga investiert pro Jahr 70 Millionen Euro, um über 5000 Nachwuchsspieler optimal auszubilden. Es kann nicht sein, dass sich darunter keine Stars verbergen. Und auch für ausländische Stars wird die Bundesliga immer interessanter. Wir verdreifachen in dieser Saison ja nicht nur unsere Auslandseinnahmen, die Bundesliga ist mittlerweile weltweit präsent. Außerdem fließen die Gehälter pünktlich. Es gibt in Europa vielleicht zehn Vereine, die für die wenigen Top-Stars interessant sind. Aber dann kommen schon acht Bundesligisten, die sich vor keinem zu verstecken brauchen. Ich glaube daher fest, dass wir auch wieder international guten Zeiten entgegen gehen.

Frage: Hannovers Präsident Martin Kind will die 50+1-Regelung kippen, um Top-Stars kaufen zu können.

Seifert: Ich halte die Diskussion im Ansatz für falsch. Richtig muss die Frage lauten: Wie führe ich seriöses Kapital in die Liga? Natürlich hat die Diskussion durch Hoffenheim und den Meistertitel von Wolfsburg Fahrt aufgenommen. Wir müssen uns von zwei Grundsatzgedanken leiten lassen. Finanzspritzen dürfen sich nicht negativ auf den Wettbewerb auswirken und gleichzeitig muss die Begeisterung der Fans, der Medien und der Sponsoren für den Fußball erhalten bleiben. Ich kann nicht von vornherein arabisches Kapital verdammen, wenn es bei Porsche bis vor kurzem als Heilsbringer erwartet wurde. Andererseits muss unter allen Umständen die Glaubwürdigkeit des Fußballs erhalten bleiben.

Frage: Kommen wir zu dem Thema, das Sie selber kürzlich als Finanzdoping bezeichnet haben.

Seifert: Am Ende des Tages muss man fragen, ob wirtschaftliche Solidität ein Kriterium für unseren Sport ist. Wir beantworten diese Frage mit 'Ja'. Geschäfte machen, ohne dabei etwas zu verdienen, kann jeder. Das ist keine Kunst. In Deutschland hätte die halbe spanische Liga keine Lizenz bekommen. Wie sehen die Stadien in Italien aus? Und selbst Engländer geben inzwischen zu, dass die Bundesliga die einzige ist, die profitabel arbeitet. Ich setze große Hoffnungen auf UEFA-Präsident Michel Platini. Wenn der es schafft, für den Zugang zu den immer prestigeträchtigeren und lukrativeren europäischen Wettbewerben halbwegs einheitliche Zulassungskritierien zu schaffen - die nationalen Unterschiede in der Steuergesetzgebung wird auch die UEFA nicht ändern können - ist ein großer Schritt getan.

Frage: Streben Sie persönlich einen Platz in einem internationalen Gremium an?

Seifert: Ich konzentriere mich derzeit mehr auf die nationalen Belange. Wir sind mit Franz Beckenbauer in der Exekutive der FIFA, mit Theo Zwanziger in der Exekutive der UEFA, mit Liga-Präsident Reinhard Rauball als Mitglied im Vorstand der Vereinigung der europäischen Fußball-Profiligen EPFL, mit Karl-Heinz Rummenigge als Präsident der Klub-Vereinigung ECA, und mit meinem DFL-Kollegen Holger Hieronymus als Mitglied im strategischen Bereich der UEFA international gut aufgestellt. Außerdem wird, wie im Grundlagenvertrag vorgesehen, eine Besetzung von UEFA-Gremien in enger Abstimmung mit dem DFB vorgenommen.

Frage: Die DFL gründet immer mehr Tochtergesellschaften. Entfernen Sie sich von ihrem Kerngeschäft, dem Fußball?

Seifert: Im Gegenteil, alle Aktivitäten dienen nur dazu, unser Kerngeschäft zu stärken. Wir haben das Spiel, und wir haben die Rechte. Die werden für drei oder vier Jahre vergeben. Für eine so kurze Zeit investiert aber beispielsweise kein Sender mehr in so aufwendige Produktionstechnologien, mit denen wir die Qualität der Bilder von Bundesliga und 2. Bundesliga garantieren. Das müssen wir selber tun. Und angesichts der Vielzahl an Spielen, die mittlerweile am Samstag bis hin zur dritten Liga in HD-Qualität produziert werden, haben wir zwei Ü-Wagen in Auftrag gegeben - mit dem Ziel, Engpässe auf dem Produktionsmarkt zu vermeiden. Sie sehen also: Das Umfeld des Fußballs wird angesichts neuer Technologien, juristischer Vorgaben und politischer Vorgaben immer komplexer. Dem versuchen wir, mit Professionalisierung und Spezialisierung - auch in Tochtergesellschaften - gerecht zu werden. Das alles sind Aktivitäten, die dazu dienen, den Fußball, unseren Kern, für den Fan attraktiver zu machen. Aber die Basis von allem muss das Spiel und guter Sport bleiben. Entscheidend bleibt auf dem Platz.

Das Gespräch führten Rainer Kalb, Marc Schmidt und Ralph Durry (SID)