Peter Neururer war vom 4. Dezember 2001 bis zum 30. Juni 2005 Trainer des VfL Bochum
Peter Neururer war vom 4. Dezember 2001 bis zum 30. Juni 2005 Trainer des VfL Bochum

"Es ist eine Aufbruchstimmung zu spüren"

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Mit keinen Bundesligisten ist Trainer Peter Neururer emotional so eng verbunden wie mit dem VfL Bochum und dem FC Schalke 04.

In Bochum arbeitete Neururer zwischen 2001 und 2005 so lange am Stück wie bei keinem anderen Club in seiner Karriere, erreichte mit dem VfL sogar den UEFA-Cup. Als Anhänger des FC Schalke ist er ohnehin schon lange bekannt.

Vor dem Derby zwischen beiden Teams am Samstag spricht Neururer mit bundesliga.de über den Aufschwung beim VfL, die Auswärtsstärke der Bochumer und das Potenzial von Felix Magaths "Königsblauen".

bundesliga.de: Herr Neururer, der VfL Bochum hat wieder den Weg nach oben eingeschlagen. Sind Sie überrascht, dass es wieder aufwärts geht?

Peter Neururer: Nein, davon bin ich absolut nicht überrascht. Ich habe die große Hoffnung, dass der VfL jetzt auch zuhause wieder erfolgreich spielt, auch weil die Fans, die die Mannschaft in Hannover und Gladbach so hervorragend unterstützt haben, das verdienen. Es ist eine Art Aufbruchstimmung zu spüren. Und wenn der VfL jetzt ein, zwei Heimspiele in Folge gewinnen sollte, ist glaube ich auch die Abstiegsgefahr gebannt. Dann kehrt das Selbstvertrauen in die Mannschaft zurück und die Gewissheit, dass man in der Bundesliga auch an anderer Stelle mitmischen kann. Dafür muss aber ein Heimsieg her, sonst steht man beim nächsten Auswärtsspiel wieder sehr unter Druck. Diesen Schritt gerade im Derby gegen Schalke zu machen - das wäre ein Meilenstein.

bundesliga.de: Der VfL hat aus den letzten sechs Spielen elf Punkte geholt, dabei drei Auswärtssiege eingefahren. Warum tut man sich als Mannschaft auswärts leichter als zuhause? Liegt das nur daran, dass man im fremden Stadion nicht das Spiel machen muss?

Neururer: Teilweise auch, die Konterstärke des VfL kommt da zum tragen: die Schnelligkeit von Stanislav Sestak, die Beweglichkeit von Joel Epalle oder die Qualität von außen über Paul Freier. Man muss aber auch ganz klar sagen, dass der VfL von einigen Heimmannschaften immer noch als totaler Abstiegskandidat wahrgenommen wird. Deshalb rücken Mannschaften, wie jetzt gerade Gladbach, sehr weit auf - weshalb der VfL seine Fähigkeiten hervorragend einbringen kann.

bundesliga.de: Der 1:0-Führungstreffer bei der Borussia beweist aber vor allem auch das spielerische Potenzial, das in der Bochumer Mannschaft steckt.

Neururer: Ganz genau.

bundesliga.de: Der Aufschwung fällt auch mit dem Trainerwechsel von Marcel Koller hin zu Heiko Herrlich zusammen.

Neururer: Dazu steht mir kein Urteil zu, weil dazwischen mit Frank Heinemann ja noch ein weiterer Trainer aktiv war. Er hat in seiner kurzen Zeit als Interimstrainer richtig was bewegt. Die Art und Weise, wie die Mannschaft gespielt hat, war von positiver Aggressivität geprägt. Der fußballerische Wandel, falls der überhaupt nötig war, ist in dieser Zeit eingetreten. Die Ergebnisse haben nur leider gefehlt, aber es wurde die Basis gelegt für das, was Heiko Herrlich versucht fortzusetzen.

bundesliga.de: Unter Heiko Herrlich gab es in acht Spielen nur drei Niederlagen. Wie beurteilen Sie seine Arbeit?

Neururer: Da kann ich aus der Entfernung nichts dazu sagen und möchte das auch nicht kommentieren. Ich finde es aber toll, dass der Heiko Erfolg hat und hoffe, dass sich das fortsetzt, denn meine Verbundenheit zum VfL Bochum ist weiterhin groß.

bundesliga.de: In Bochum wurden die letzten zehn Jahre von zwei Trainern geprägt: Von Ihnen und von Marcel Koller. In dieser Zeit ist der VfL nur ein einziges Mal abgestiegen. Eigentlich ein Hinweis darauf, dass Kontinuität sich auszahlt, auch wenn ein Club häufig in der unteren Tabellenhälfte steht.

Neururer: Auf jeden Fall. Das ist die große Stärke von VfL-Boss Werner Altegoer. Er steht grundsätzlich zu seinen Arbeitnehmern und stärkt so lange wie es irgendwie geht den sportlich federführenden Protagonisten den Rücken. In Bochum kann man - egal wie schlimm es tabellarisch zwischendurch mal aussehen mag - immer in Ruhe arbeiten. Das ist ein großes Verdienst von Herrn Altegoer und von anderen Mitarbeitern wie beispielsweise Ansgar Schwenken.

bundesliga.de: Was muss passieren, damit der VfL auch zuhause wieder eine Macht wird?

Neururer: Das Selbstvertrauen muss her - und das bekommt man nur, wenn man die "Negativserie" der letzten Heimspiele abstellt. Da bietet sich das Spiel gegen Schalke 04 hervorragend an. Die Schalker werden das Spiel angehen wie jede andere Partie, das heißt, sie werden versuchen, nach vorne zu spielen. Das kommt dem VfL wiederum entgegen, weil er dann sein Auswärtsgesicht zuhause zeigen kann. Kämpferisch stimmt es bei der Mannschaft ohnehin immer. Deshalb glaube ich, dass die Bochumer gute Chancen haben werden.

bundesliga.de: Der FC Schalke ist der zweite Bundesligaverein, mit dem sie eine besondere Beziehung verbindet. Die junge Mannschaft schlägt sich hervorragend in dieser Saison. Was trauen Sie der Truppe denn zu?

Neururer: Ich habe provokativ gesagt, Schalke sei der "schlechteste Tabellenzweite, den die Bundesliga in den letzten Jahren gesehen" habe. Das war aber rein aufs Spielerische bezogen. Denn: Was Felix Magath mit dieser Mannschaft leistet, ist unglaublich. Der Punkte- und Tabellenstand der Schalker ist durch diese fantastische Arbeit begründet. Die Mannschaft marschiert und spielt das, was sie kann: Äußerst laufstark und kampfbereit, äußerst diszipliniert, zeigt ein sehr gutes Abwehrverhalten, und vorne hat man die Klasse eines Jefferson Farfan und eines Kevin Kuranyi. Die sind immer für Tore gut. Vor den Schalkern kann man nur den Hut ziehen.

bundesliga.de: Kann die Mannschaft auch bis zum Saisonende oben dran bleiben?

Neururer: Vielleicht nicht ganz oben, weil dafür die Substanz dann doch nicht reicht. Jedes Spiel mit Kampf und Leidenschaft zu bestreiten, ist unglaublich aufwändig. Vielleicht wird sogar das Spiel gegen den VfL Bochum sehr richtungweisend.

bundesliga.de: Sie selbst haben sich Ende Oktober vom MSV Duisburg getrennt. Freuen Sie sich dennoch über die sportliche Entwicklung bei den "Zebras"?

Neururer: Natürlich freut mich das - und nicht nur deshalb, weil ich noch einen Vertrag mit dem MSV Duisburg habe. Schließlich ist das eine Mannschaft, die ich noch zusammengestellt habe. Die Verbundenheit zu dieser Mannschaft, den Fans und der Region wird weiterhin bestehen bleiben. Ich drücke dem MSV beide Daumen

bundesliga.de: Haben Sie schon Pläne, wieder eine Mannschaft zu übernehmen?

Neururer: Wenn ein adäquates Angebot kommt, werde ich das annehmen. Ansonsten harre ich der Dinge, die auf mich zukommen.

Das Gespräch führte Matthias Becker