S04-Coach Jens Keller ist nach dem Sieg über Bremen sichtlich erleichtert und äußert sich mit Stolz über seine Elf
S04-Coach Jens Keller ist nach dem Sieg über Bremen sichtlich erleichtert und äußert sich mit Stolz über seine Elf

Erleichterung ja - Euphorie nein

xwhatsappmailcopy-link

Der Kapitän ist vorsichtig geworden. Obwohl der FC Schalke 04 Platz vier wieder in Sichtweite hat, kommentierte Benedikt Höwedes den zurückhaltend: "Wir klettern so langsam wieder in die Regionen, in denen wir uns sehen. Aber wir haben zuletzt auch gesehen, dass wir mit Mannschaften wie Dortmund oder Chelsea noch nicht auf Augenhöhe sind."

Keller stolz auf die Mannschaft

Höwedes war nicht verborgen geblieben, wie schwer sich Schalke vor allem zu Beginn der Partie auch gegen die Bremer Gäste getan hatte. Der Druck nach der Doppelpleite gegen Chelsea und der Derbyniederlage gegen den BVB war sichtbar, auch wenn Kevin-Prince Boateng die Anspannung klein zu reden versuchte: "Bei uns ist der Druck immer hoch."



Wenn gesteigerte Verunsicherung aber auf geringe spielerische Struktur trifft, dann kommt dabei wenig Brauchbares heraus. Wenn der Gegner dann auch noch früh den Spielaufbau stört, hat Schalke ein Problem. Zwar erspielten sich die bemühten Knappen auch gegen Werder Chancen, aber insgesamt war zu wenig Tempo im Spiel. Kreative Ideen blieben fast immer dem 18-jährigen Max Meyer vorbehalten.

Auch die Fehlerquote im königsblauen Defensivverhalten ist nach wie vor zu hoch. "Wir haben uns das Leben gegen Bremen wieder selber schwer gemacht", kommentierte Benedikt Höwedes nicht nur Werders Führungstreffer, den Schalke quasi selbst eingeleitet hatte. Weitere Angriffe der Gäste blieben folgenlos, weil es den Norddeutschen letztlich an der nötigen Entschlossenheit fehlte.

Immerhin auf zwei Dinge scheint sich Schalke aber verlassen zu können - die eigene Moral und die Effizienz ihres "Prinzen". "Nach einer kräftezehrenden Woche hat die Mannschaft den absoluten Willen gezeigt, dieses Spiel noch zu drehen", war Jens Keller nach dem Spiel angetan vom Kampfgeist seiner Mannschaft. "Das macht mich stolz!"

Boateng akzeptiert Erwartungshaltung



Dass Kevin-Prince Boateng eine eher unauffällige Leistung mit zwei feinen Kopfball-Toren - seinem ersten Doppelpack mit dem Kopf überhaupt und den Toren vier und fünf im achten Ligaspiel - zu einer besonderen machte, kommentierte der 26-Jährige selbst mit einem gelassenen Schulterzucken: "Das wird doch auch von mir erwartet, oder?"

Sportvorstand Horst wurde da schon deutlicher und lobte seinen Einkauf in höchsten Tönen: "Die beiden Treffer zeigen seine Qualitäten. Man hat gemerkt, dass er die Tore erzwingen wollte." Tatsächlich entpuppte sich Boateng mit seiner individuellen Klasse auch gegen Bremen einmal mehr als der Typ Spieler, der einem Spiel die entscheidende Wendung geben kann - auch wenn er vorher kaum großartig in Erscheinung getreten ist.

Umso größer dürfte die Erleichterung auf Schalke sein, dass das lädierte Knie zurzeit hält: "Ich fühle mich insgesamt sehr gut, sonst hätte ich auch nicht 90 Minuten durchgespielt. Das sagt eigentlich schon alles."

Höwedes und Hildebrand über Raunen verärgert



Trotz Boateng und trotz des sechsten Saisonsieges aber bleiben insgesamt zu viele Fragezeichen, um schon wieder euphorisch zu werden. Und die Probleme gehen durchaus über spielerische Aspekte hinaus. Auch das Verhältnis zwischen Spielern und Anhängerschaft ist auf Schalke ausbaufähig.

Vor zwei Wochen hatte Höwedes bereits kritisch angemerkt, dass "hier schnell ein Raunen durch die Arena geht. Das ist nicht hilfreich. Jeder, der auf dem Platz ist, hat ein bisschen im Unterbewusstsein, dass unsere Fans sehr schnell unruhig werden, wenn gewisse Bälle nach hinten gespielt werden."

Dieses Mal legte Timo Hildebrand nach: "Ich finde dieses Raunen erstaunlich. Das scheint hier ein Phänomen zu sein. Man wünscht sich als Spieler, dass der eine oder andere Pfiff nicht kommt."

Den Zuschauern müsse bewusst sein, "dass es bei diesen Platzverhältnissen nicht einfach ist", erklärte der Torhüter. Zugleich mahnte er für die nächsten Aufgaben aber auch eine andere Spielweise an: "Wir spielen den Ball zu oft zu mir zurück. Da haben wir im Moment zu wenig Lösungen."

Aus Gelsenkirchen berichtet Dietmar Nolte