Hannovers Hanno Balitsch (l.) und Florian Fromlowitz bedanken sich bei den Fans für die Anteilnahme
Hannovers Hanno Balitsch (l.) und Florian Fromlowitz bedanken sich bei den Fans für die Anteilnahme

Emotionale Rückkehr in die Normalität

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Als die ersten 90 Bundesliga-Minuten ohne Robert Enke vorbei waren, flossen noch einmal Tränen. Arnold Bruggink versagte vor laufender Kamera die Stimme, die Augen wurden feucht.

"Es war sehr schwer", brachte der Mittelfeldspieler von Hannover 96 heraus, ehe er den Kampf gegen die Tränen verlor.

Elf Tage nach dem Selbstmord ihres Torwarts und Kapitäns gelang den Niedersachsen beim 0:2 (0:0) beim FC Schalke 04 zwar der erste Schritt zurück in den Bundesliga-Alltag, doch die Trauer ist noch längst nicht bewältigt.

Standing Ovations für die Gegner

"Wir haben uns 90 Minuten auf das Spiel konzentriert, aber danach kommen die Emotionen einfach hoch", sagte der Niederländer entschuldigend, "nach dem Spiel, wenn du Ruhe hast und all die Fragen kommen, dann ist es sehr, sehr schwierig." Die ersten Minuten in der Schalker Veltins-Arena, wo die Zuschauer die Gäste mit Standing Ovations empfangen hatten, seien die schwersten seiner Karriere gewesen.

Eine Minute absoluter Stille, die Schwarz-Weiß-Bilder auf dem Videowürfel, die ersten Anfeuerungsrufe der Fans, das Einschwören auf das Spiel - die Rückkehr in die Normalität fiel am Samstag allen schwer. "Es gibt so viele Dinge, die neu sind, weil Robert nicht mehr da ist", sagte Bruggink und sprach seinen Teamkollegen aus dem Herzen.

Auch wenn die Situation "unwirklich" war, wie Hanno Balitsch feststellte, der Fußball half Enkes Mannschaftskollegen bei der Trauerarbeit. "Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass wir wieder spielen", sagte Florian Fromlowitz, der die undankbare Aufgabe hatte, den verstorbenen Nationaltorwart zwischen den Pfosten zu ersetzen. "Hoffentlich kommt jetzt langsam der Alltag."

Extra-Lob für Fromlowitz

Wie seine Kollegen stürzte sich der 23-Jährige in die Arbeit, um die Tragödie um Enke zu verdrängen. Wie Fromlowitz eine Glanzparade an die andere reihte und vor allem in der zweiten Halbzeit gleich mehrere Schalker Großchancen zunichte machte, nötigte nicht nur seinem Trainer enormen Respekt ab. "Das war eine bärenstarke Leistung", lobte Andreas Bergmann und fügte leise an: "Er ist einfach ein guter Junge."

Dass Fromlowitz beim Kopfballtor von Jefferson Farfan (69.) und beim Nachschuss des Sekunden vorher eingewechselten Jan Moravek (90.+1) das Nachsehen hatte, schmälerte die Leistung von Enkes Nachfolger nicht. "Er hat überragend gehalten", sagte Schalke-Trainer Felix Magath: "Deshalb mussten wir bis zur 90. Minute zittern."

So ärgerte sich Bergmann zwar, dass bei der Rückkehr in den Bundesliga-Alltag "nicht ein Pünktchen herausgesprungen ist". Doch in erster Linie war der Trainer stolz, wie seine Mannschaft diese außergewöhnliche Situation gemeistert hatte. "Sie hat sich getraut, wieder Fußball zu spielen, die Faszination Fußball wieder zuzulassen", sagte Bergmann: "Das war auch im Sinne von Robert. Wir haben ihn weiter in unseren Herzen."

Schalker Serie dauert an

Die "komische Stimmung", wie Torhüter Manuel Neuer es beschrieb, schien zunächst mehr die Schalker zu lähmen. Nach schwacher erster Halbzeit erhöhten die "Königsblauen" den Druck und stellten Magath, der an der Seitenlinie wild gestikulierte, zufrieden. "Wir haben erst in der zweiten Hälfte zu unserem Spiel gefunden", sagte der Trainer und Manager: "Auswärts tun wir uns leichter, als wenn wir zuhause das Spiel machen müssen."

Mit dem dritten Heimsieg und dem siebten Bundesliga-Spiel in Folge ohne Niederlage hat sich Schalke aber trotz aller spielerischen Probleme in der Spitzengruppe festgesetzt. Und Magath sieht durchaus noch Potenzial: "Ich glaube, dass wir uns noch eine Idee steigern können. Wir haben uns jetzt vorne etabliert, deshalb fällt ein bisschen der Druck weg."