Timo Konietzka (M.) erzielte das erste Tor der Bundesliga-Geschichte
Timo Konietzka (M.) erzielte das erste Tor der Bundesliga-Geschichte

Ein Tor für die Ewigkeit

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Köln - Das erste Tor der Bundesliga-Geschichte, eine der längsten Sperren in der Liga-Historie und eine ganz eigene Art, Strafstöße zu schießen - über Timo Konietzka lässt sich eine Menge erzählen.

"Nur Gerd Müller hat eine bessere Quote als ich"

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Sein Tor bleibt ebenso unvergessen wie unsichtbar. Gerade einmal 58 Sekunden brauchte Konietzka nach dem Anpfiff der neu gegründeten Bundesliga, um zur Legende zu werden. Am 24. August 1963 schoss er das erste Tor der Liga-Geschichte. Und kein Fotograf hat es festgehalten.

Mit Borussia Dortmund musste der Stürmer damals bei Werder Bremen antreten. TV-Kameras waren keine im Stadion - "und die Fotografen standen alle hinter unserem Tor, weil sie auf einen Bremer Treffer spekulierten", erzählte der gebürtige Lünener später einmal. Konietzka machte ihnen ein Strich durch die Rechnung. Lothar Emmerich war links bis zur Grundlinie durchgestartet, passte in den Strafraum und Konietzka verwandelte aus rund acht Metern.

Insgesamt wurden es satte 72 Tore in 100 Bundesliga-Spielen für Borussia Dortmund und 1860 München. "Und das ohne Elfmeter und Freistöße. Nur Gerd Müller hat eine bessere Quote als ich", merkte Konietzka nicht ohne Stolz an.

Timo Konietzka hatte einst als Bergmann in 700 Metern Tiefe auf der Zeche Victoria malocht und nebenher beim VfB 08 Lünen gekickt, als ihn 1958 der BVB entdeckte. 20 Jahre jung war er damals und hörte noch auf den Vornamen Friedhelm. "Durch den Fußball kam ich aus dem Bergwerk zu meinem Traumverein und konnte um die Welt reisen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen", erinnerte er sich in einem Interview.

Ungewöhnliche Strafstoß-Variante

Trainer Max Merkel baute ihn in die Oberliga-Mannschaft der Borussia ein. Und der damals 22-Jährige legte im Spätsommer 1960 eine Premiere nach Maß hin: Bei seinem Oberliga-Debüt schoss er das Siegtor zum 2:1-Erfolg gegen Aachen.

110 Spiele absolvierte Konietzka für den BVB noch vor Gründung der Bundesliga - und trug schon hier mit 79 Toren maßgeblich zu den Erfolgen der Dortmunder bei. Zusammen mit Sturmpartner Jürgen "Charly" Schütz bildete er den torgefährlichsten Innensturm der Oberliga West.

Das Duo etablierte damals auch eine Strafstoß-Variante der eigenen Art. Etwas, das Konietzka trotz Meistertiteln und neun Länderspielen mit einem schelmischen Lächeln immer gern als einen seiner größten sportlichen Erfolge bezeichnete. Schütz stupste beim Strafstoß den Ball nur an, Konietzka lief in den Strafraum und verwandelte. Ein regulärer Treffer - "aber verdutzt schauten Gegenspieler und Schiedsrichter trotzdem", amüsierte sich der Angreifer immer wieder gern. "Wir waren die Ersten, die so etwas jemals gemacht haben."

Sechs Monate Sperre

1963 wurde Friedhelm "Timo" Konietzka Deutscher Meister mit dem BVB, drei Jahre später mit dem TSV 1860 München. Dorthin war der Stürmer 1965 gewechselt und hatte auch bei den "Lösen" ein fast schon gewohntes Debüt auf den Rasen gezaubert. Im Derby gegen den FC Bayern München war es erneut dem Jungen aus dem Ruhrpott vorbehalten, am ersten Spieltag in der ersten Minute das erste Tor der neuen Saison zu erzielen.

Seinen Abschied aus der Bundesliga und seinen Wechsel in die Schweiz leitete eine Episode ein, deren tatsächlicher Ablauf nie ganz geklärt wurde. Am 8. Oktober 1966 soll Konietzka beim Spiel von 1860 gegen den BVB den Schiedsrichter attackiert haben. "Stoß vor die Brust, Tritt gegen das Schienbein, Wegschlagen der Trillerpfeife", vermerkte Max Spinnler in seinem Spielbericht. Beim vermeintlichen Übeltäter hörte sich das so an: "Da ist schon was passiert, ich habe gerempelt. Vielleicht hat der Schiri dann aus Angst die Pfeife fallen lassen."

Friedhelm Konietzka brachte das Geschehen am Ende eine sechsmonatige Sperre ein. Danach spielte er nur noch kurz in Deutschland und wechselte zur Saison 1967/68 zum FC Winterthur in die Schweiz, wo er sein zweites Fußballerglück fand.

Trainerkarriere in der Schweiz und Deutschland

Nach vier Jahren in Winterthur ging Konietzka für zwei Jahre als Spielertrainer zum FC Zürich, ehe er sich ganz auf die Trainerbank setzte. Mit dem FC wurde er zwischen 1974 und 1976 dreimal in Serie Schweizer Meister. 1977 scheiterte er mit Zürich erst im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister im Halbfinale am FC Liverpool. In der Bundesliga stand Konietzka als Coach für den BVB und Bayer Uerdingen an der Seitenlinie, die großen Erfolge aber feierte er in der Schweiz und gewann hier auch mit Grashoppers Zürich die Meisterschaft.

Viel wichtiger als sportliche Erfolge aber war ihm sein privates Glück, das er in der Schweiz fand. Hier lernte er Ehefrau Claudia kennen, mit der er das Gasthaus "Ochsen" in Brunnen am Vierwaldstätter See führte. 1988 nahm er die Schweizer Staatsbürgerschaft an. "Ich habe so viel Glück gehabt im Leben", hat Konietzka nach seiner Karriere einmal festgestellt, "und das alles nur, weil ich in der Bundesliga vom Platz geflogen bin."

Ähnlichkeit mit General Timoschenko

Vom Glück verlassen wurde Timo Konietzka, als der Krebs sich in sein Leben fraß. Anfang 2012 wurde bei ihm unheilbarer Gallenkrebs diagnostiziert, am 12. März 2012 setzte er seinem Leben im Alter von 73 Jahren mit Hilfe einer Schweizer Sterbehilfeorganisation ein Ende und trank einen Gift-Cocktail.

Bleibt die Frage, wie aus Friedhelm im Laufe der Jahre eigentlich Timo geworden war. Schon bei der Bundeswehr hatte er mit dem auch später für ihn noch so typischen Bürstenhaarschnitt gedient. "Als ich damit zum Training kam, meinte Jockel Bracht, ich sähe aus wie der russische General Timoschenko. Von da an haben mich alle Timo gerufen." 1985 nahm Konietzka diesen Namen auch offiziell an.

Dietmar Nolte

Karriere in Zahlen:

Geburtsdatum: 2. August 1938
Bundesliga-Spiele: 98
Bundesliga-Tore: 72
Deutscher Meister: 1963, 1965
DFB-Pokalsieger: 1965

Saison Verein Einsätze/Tore
1963/64 Borussia Dortmund 25/20
1964/65 Borussia Dortmund 28/22
1965/66 1860 München 33/26
1966/67 1860 München 14/4