Mario Gomez tauschte nach dem Spiel das Trikot mit Nationalmannschaftskollege Rene Adler, der kurz vor Schluss Gomez' fünftes Saisontor verhinderte
Mario Gomez tauschte nach dem Spiel das Trikot mit Nationalmannschaftskollege Rene Adler, der kurz vor Schluss Gomez' fünftes Saisontor verhinderte

Ein Phänomen namens Selbstvertrauen

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Meisterschaften, Pokalerfolge, UEFA-Cup-Siege, Torjägertrophäen, WM-Teilnahmen - so ziemlich jeder Akteur aus dem Kader des FC Bayern kann sich eines ordentlichen Briefkopfs rühmen und müsste eigentlich bei jedem Bundesligaspiel mit stolz geschwellter Brust auflaufen. Doch die Gemütslage sieht derzeit anders aus beim deutschen Rekordmeister.

"Wir haben auch heute wieder eine Mannschaft ohne Selbstvertrauen gesehen, die viele Fehlpässe gespielt hat", sagte FCB-Coach Louis van Gaal nach dem 1:1-Unentschieden gegen Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen. Auch Philipp Lahm konstatierte nüchtern: "Das Selbstvertrauen ist weg, das hat man gegen Leverkusen ganz klar gesehen."

Rückschlag nach sechs Minuten

Dabei hatte alles doch so gut angefangen. Die Mannschaft, in der Miro Klose kurzfristig für Hamit Altintop, der sich beim Aufwärmen verletzt hatte, in die Startelf gerückt war, tat zunächst alles, um den von Manager Uli Hoeneß geforderten "Befreiungsschlag" im "Spiel der Spiele in der Hinrunde" zu realisieren.

Nach einem Ballverlust von Leverkusens Daniel Schwaab legte Klose den Ball Mario Gomez perfekt in den Lauf. Der Nationalstürmer ließ mit einem herrlichen Linksschuss per Außenrist Bayer-Torhüter Rene Adler keine Chance. Wie schon im jüngsten Heimspiel gegen Schalke also eine 1:0-Führung für den FC Bayern. Die Fans fühlten sich bereits im bayerischen "Mia-san-mia"-Himmel und skandierten in Richtung der Gäste: "Ihr werdet nie Deutscher Meister".

Doch wie schon gegen die "Knappen" erfolgte noch vor der Pause der Rückschlag. Waren es am 12. Spieltag noch zwölf Minuten bis zum Ausgleich, dauerte es gegen Leverkusen nur sechs Zeigerumdrehungen, bis Stefan Kießling den sehenswerten 1:1-Endstand erzielte und seine persönliche Ausbeute auf neun Saisontore ausbaute.

Münchener Verunsicherung gegen Leverkusener Selbstvertrauen

"Nach dem postwendenden Ausgleich hat man gemerkt, dass die Mannschaft sehr, sehr verunsichert war und viele Fehler gemacht hat", analysierte ein enttäuschter Lahm.

Ganz anders sah natürlich das Befinden bei den weiter ungeschlagenen Rheinländern aus. "Selbst nach dem Rückstand haben wir nicht aufgesteckt und uns aus der Ruhe bringen lassen. Wir haben gut nach vorne gespielt, vor allem in der ersten Halbzeit", zeigte sich Toptorjäger Kießling zufrieden.

Leverkusens Abräumer vor der Abwehr, Stefan Reinartz, offenbarte, was den Bayern derzeit fehlt - Selbstvertrauen: "Wir wissen, wie stark wir sind, und dass wir jederzeit einen Rückstand aufholen können", sagte der 20-Jährige gegenüber bundesliga.de.

Gomez: "Erstmal keine Fehler machen"

FCB-Coach van Gaal, dessen Team erst fünf Saisonsiege feiern konnte und schon sechs Mal die Punkte teilen musste, sah trotzdem positive Ansätze: "Wir haben in der zweiten Halbzeit Bayer Leverkusen unter Druck gesetzt, keine Torchance gegen uns zugelassen und hätten selbst das Siegtor machen können." Die größte Gelegenheit bot sich erneut Gomez, der in der 85. Minute per Hackentrick aus fünf Metern Entfernung Adler vor eine Bewährungsprobe stellte, die dieser mit Bravour in Form einer Glanzparade meisterte.

Nach dem Spiel brachte Gomez die Bayern-Misere auf den Punkt: "Man sieht bei den Leverkusenern: Jeder Spieler hat unheimlich viel Selbstvertrauen. Bei uns herrscht dagegen Verunsicherung, weil wir in den letzten Wochen keine Ergebnisse gebracht haben. Bayer hat einen Lauf, da denkt keiner groß nach, sondern macht einfach. Bei uns ist jeder erstmal darauf aus, keinen Fehler zu machen."

Rummenigge: "Müssen schnell die Kurve kriegen"

Der Rückstand auf die Tabellenspitze beträgt also weiterhin sechs Punkte, das von Hoeneß ausgegebene Nahziel ("Bis Weihnachten stehen wir auf Rang 1") ist vier Spieltage vor dem Jahreswechsel kaum mehr zu erreichen. "Wir müssen jetzt schnell die Kurve kriegen", forderte daher der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: "Mit Platz 7 ist hier sicher keiner zufrieden - der Trainer nicht, die Fans nicht und wir im Vorstand nicht."

Eine kleine Chance zum Aufwärtstrend bietet sich am Mittwoch bei der Champions-League-Partie gegen das noch punkt- und torlose Gruppenschlusslicht Maccaci Haifa. Um die Chance auf das Erreichen des Achtelfinales zu wahren, braucht der FC Bayern allerdings Schützenhilfe: Juventus Turin darf in Bordeaux nicht gewinnen. Mit einem Sieg im abschließenden Gruppenspiel bei den Italienern könnte das Überwintern in der "Königsklasse" doch noch geschafft werden. Was sich auf das Selbstvertrauen der Münchener sicherlich positiv auswirken würde...

Aus der Allianz Arena berichtet Denis Huber