"Ausverkauft" war die Kölner Fußballkneipe "Im Stiefel" beim Abstiegsduell zwischen Energie Cottbus und Borussia Mönchengladbach
"Ausverkauft" war die Kölner Fußballkneipe "Im Stiefel" beim Abstiegsduell zwischen Energie Cottbus und Borussia Mönchengladbach

Ehrliche Kneipe, ehrlicher Fußball

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Es gibt unzählige Kneipen und Sports-Bars in Köln, in denen die Fußball-Bundesliga übertragen wird. "Im Stiefel" kommt die große Fan-Gemeinde von Borussia Mönchengladbach mit am besten auf ihre Kosten und es könnte wohl kaum einen geeigneteren Ort geben, der besser zum Abstiegsduell zwischen Cottbus und Gladbach passen würde.

Ehrlich einfach, wenig kunstvoll und mit unübersehbaren Schwächen versehen, zeichnen sich sowohl das Spiel der beiden Abstiegskandidaten als auch der "Stiefel" aus.

Trotzdem - oder gerade deshalb - quetschen sich schon eine halbe Stunde vor Anpfiff mehr Menschen ins dunkle Kneipeninnere, als jeder Ordner in den Stadion-Stehkurven zulassen würde. Wer nun wirklich nicht mehr reinpasst, drängt sich von außen vor die großen Fensterscheiben, um einen Blick auf Fernseher oder Großbildleinwand zu erhaschen.

Trikots aus allen Gladbacher Zeiten

Der Sauerstoffgehalt in der verrauchten Luft sinkt schon bei Anpfiff in Richtung bedenklich, doch umfallen kann hier keiner. Hauptsächlich Männer zwischen 20 und 45 Jahren hoffen auf einen weiteren Gladbacher Sieg; Trikots aus besseren und schlechteren Zeiten mit Erdgas- oder Diebels-Werbung werden getragen. Aber auch Anzugträger vom Typ Banker hat es direkt nach Feierabend hierhin gezogen - vielleicht liegt's ja auch am günstigen Bierpreis.

Das Bier ist auch das Einzige, das in der ersten Hälfte richtig flüssig läuft. Das Geschehen in Cottbus lockt die "Stiefel-Borussen" kaum aus der Reserve. "Hauptsache kein Gegentor", sagt ein Mittvierziger mit Trikot und Schal, sein Nachbar malt sich ein Ende wie zuletzt im Schalke-Heimspiel aus: "Wir machen unser Tor in der Neunzigsten und fertig!"

"Wann bringt der Meyer endlich den Marin"

Nach der Pause kommt Leben ins Spiel und den "Stiefel". "VfL, VfL" brüllen die Fans aus dem Kölner Kneipenviertel in Richtung Cottbus, wo die Mannschaft von Trainer Hans Meyer die Partie langsam in den Griff bekommt.

Erste Gläser gehen im Geschiebe zu Bruch, nachdem Matmour und Colautti ihre dicken Chancen zur Führung vergeben. "Wann bringt der Meyer endlich den Marin", brüllt Kuttenträger Viktor und erhält hundertprozentige Unterstützung seiner Nebenleute.

"Jetzt überholen wir noch die Kölner"

Dann kommt Marin und Sekunden vor Schluss auch Neuville, und Viktor hat die (fast) richtige Vorahnung: "Der legt dem Colautti jetzt wieder das 1:0 auf!" Dass Colautti gerade für Neuville den Platz verlassen hat, interessiert Viktor und 150 andere total Entrückte wenige Augenblicke später überhaupt nicht mehr.

Als Dante den Eckball von Marin unter die Latte und über die Linie befördert, wackeln die alten Mauern des "Stiefels" bedenklich, und verschreckte Passanten im weiteren Umfeld des gewaltigen Urschreis fürchten spontan das Schlimmste. Lieder werden angestimmt, alle machen mit, die Stimmung ist mindestens genauso gut wie sonst im Borussia Park.

Es wird noch ein langer und fröhlicher Abend, den die erst nach Abpfiff wahrgenommenen günstigen Ergebnisse der Abstiegskonkurrenten befeuern. Nach einigen Bierrunden und gegen Mitternacht ist der Abstieg für Viktor gar kein Thema mehr, er hat noch wichtigere Ziele vor Augen: "Jetzt gewinnen wir beide Heimspiele gegen Bayer und Dortmund und überholen die Kölner."