Der 52-Jährige Hans-Uwe Pilz spielte von 1982 bis 1989 für die Nationalmannschaft der DDR und wurde in 35 Länderspielen eingesetzt
Der 52-Jährige Hans-Uwe Pilz spielte von 1982 bis 1989 für die Nationalmannschaft der DDR und wurde in 35 Länderspielen eingesetzt

"Dresden ist komplett fußballverrückt!"

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Köln - Er wurde mit Dynamo Dresden zwei Mal Meister in der DDR und er hat von 1991 bis 1995 in den vier Bundesliga-Spielzeiten von Dynamo 107 Mal das schwarz-gelbe Trikot getragen. Hans-Uwe Pilz gehört damit zweifellos zu den erfolgreichsten Dresdner Spielern der Wendezeit.

Der 52-Jährige kennt den Club und die Verhältnisse in und rund um Dresden wie kaum ein anderer. Noch heute schwärmt Pilz von der Gänsehaut-Stimmung bei vielen Dynamo-Spielen. Mit bundesliga.de hat das Dynamo-Idol über alte und neue Zeiten, die Entwicklung des Ost-Fußballs und natürlich die Relegationsspiele gegen den VfL Osnabrück gesprochen.

bundesliga.de: Guten Tag Herr Pilz. Sie haben 1999 für den FSV Zwickau als Trainer gearbeitet. Danach verliert sich Ihre Spur im Profi-Fußball. Was machen Sie heute?

Hans-Uwe Pilz: Nachdem Zwickau 1999 insolvent war und ich deshalb entlassen werden musste, sagte ich mir: "Das war es jetzt mit dem Profi-Fußball". Heute arbeite ich als Sportlehrer an einer Berufsschule in Plauen.

bundesliga.de: Als Spieler haben Sie von 1982 bis 1995 mit einer kurzen Unterbrechung für Dynamo Dresden gespielt. Wie ist heute Ihr Verhältnis zum Club?

Pilz: Ich verfolge die Ergebnisse und drücke Dynamo die Daumen. Ab und zu tausche ich mich auch mit Ralf Minge aus, der natürlich noch näher am Verein dran ist.

bundesliga.de: Dynamo war nach der Wende zunächst das Flaggschiff des Ost-Fußballs. Was ist das besondere an diesem Verein?

Pilz: Außergewöhnlich ist die Begeisterungsfähigkeit der Stadt und der Region. Dresden ist komplett fußballverrückt. Vor der Wende herrschte auch innerhalb der Mannschaft eine ganz besondere Atmosphäre. Zu DDR-Zeiten waren Spielerwechsel eher eine Ausnahme und so spielten wir über Jahre zusammen. Wir waren wie eine Familie. Nach der Wende war die Fluktuation sehr viel höher und dieses enge Verhältnis ging dadurch etwas verloren.

bundesliga.de: Was sind die großen Momente, an die Sie gerne zurückdenken?

Pilz: Die Europapokalspiele mit Dresden waren sensationell. Wenn wir drei Stunden vor dem Anpfiff zum Stadion kamen, waren die Fans schon da und haben eine überragende Stimmung gemacht. Da bekam man als Spieler eine Gänsehaut. Auch unsere Pokalendspiele gegen Dynamo Berlin (1984 und 1985, beide Spiele gewann Dresden, Anm. d. Red.) sind mir besonders positiv in Erinnerung geblieben. Auch wenn die Endspiele in Berlin stattfanden, hielten die Zuschauer zu uns. Das ganze Land war auf unserer Seite.

bundesliga.de: Dann kam die Wende und 1991/92 die erste gesamtdeutsche Bundesligasaison, an der Sie mit Dynamo teilnahmen. Wie haben Sie die sportliche Situation damals erlebt?

Pilz: Es war natürlich nicht leicht für den Fußball im Osten. Nehmen wir nur einmal das Beispiel Dresden: Innerhalb kurzer Zeit verlor Dynamo Spieler wie Matthias Sammer, Ulf Kirsten, Heiko Scholz, Sven Kmetsch, Jens Melzig oder Ralf Hauptmann, um nur einige zu nennen. Dass wir uns damals in der Bundesliga halten konnten, war eine große Leistung.

bundesliga.de: In der diesjährigen Saison haben viele Ost-Clubs eine sehr gute Rolle gespielt: Dresden spielt die Relegation, Rostock ist wieder in der 2. Bundesliga, in der Cottbus und Aue eine starke Runde gespielt haben. Darüber hinaus steht auch der Chemnitzer FC kurz vor dem Aufstieg in die 3. Liga. Wie sehen Sie die Entwicklung des Fußballs im Osten?

Pilz: Union Berlin nicht zu vergessen, die ebenfalls souverän in der 2. Bundesliga geblieben sind. Man kann vor diesen Leistungen nur den Hut ziehen, gerade weil die finanziellen Voraussetzungen im Osten immer noch schlechter sind. Dadurch ist man wirtschaftlich gezwungen, die besten Spieler zu größeren Clubs ziehen zu lassen. Es ist nicht leicht, dies immer wieder zu kompensieren. Die Verantwortlichen haben es in dieser Saison aber ausgezeichnet geschafft. Vielleicht kann durch den Erfolg auch der eine oder andere Geldgeber überzeugt werden, in den Fußball im Osten zu investieren. Es wäre schön, wenn demnächst auch wieder ein Ost-Club in der Bundesliga spielen würde.

bundesliga.de: Wie sehen Sie die Chancen Dynamos im Duell mit dem VfL Osnabrück?

Pilz: Es ist sicherlich ein kleiner Nachteil für Dresden, dass Sie das erste Spiel zu Hause haben. Das entscheidende Spiel vor heimischer Kulisse ist ein Pluspunkt für den VfL. Trotzdem sehe ich die Chancen bei 50 zu 50. Ich wünsche es natürlich Dynamo.

bundesliga.de: Haben Sie noch einen Tipp für Ihre Erben im Dresdner Trikot?

Pilz: Das Wichtigste wird sein, das Drumherum auszuschalten. Die ganze Konzentration muss diesen zwei Spielen gelten. Alles, was vorher vielleicht nicht rund gelaufen ist, oder alles, was für die Zukunft unklar ist, darf keine Rolle spielen. Wenn die Mannschaft das schafft, hat sie gute Chancen.

Das Gespräch führte Florian Reinecke


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