DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sagt: "Die Zeit ist jetzt reif, vielleicht sogar überreif."
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach sagt: "Die Zeit ist jetzt reif, vielleicht sogar überreif."

"Die Zeit ist sogar überreif"

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Gdansk - Nach mehr als 50 Jahren will die deutsche Nationalmannschaft ihre schwarze Turnier-Serie gegen Italien beenden und ein weiteres Kapitel Fußball-Geschichte schreiben. "Wir sind sehr gut vorbereitet, Italien kann kommen. Wir haben eine super Mannschaft. Wenn wir unsere Leistung abrufen und zu unserem Spiel finden, sind wir nur schwer zu schlagen", sagte Italien-Spezialist Miroslav Klose am Dienstag mit breiter Brust.

"Italiener mit unserem Spiel zurückdrängen"

Er unterstrich die kollektive Zuversicht der deutschen Spieler, die sich zur Einstimmung auf Heldentaten am Dienstagabend den Film "Amazing Spiderman" ansehen wollten.

Auch Bundestrainer Joachim Löw, der voll auf Bastian Schweinsteiger setzt, ist überzeugt, dass Italien am Donnerstag (ab 20:30 Uhr im Live-Ticker) nicht zum Stolperstein für die DFB-Auswahl wird - anders als etwa bei der Heim-WM 2006. "Das spielt keine Rolle. Diesmal wird es anders sein", betonte Löw - und DFB-Präsident Niersbach ergänzte in aller Deutlichkeit: "Die Zeit ist jetzt reif, vielleicht sogar überreif."



Team-Senior Klose will von einem Knacks oder Trauma nichts wissen. Das sei "Schwachsinn", so der 34-Jährige. Um jedoch nicht erneut ein böses Erwachen gegen die Azzurri um den überragenden Andrea Pirlo zu erleben, hat Löw einen (Master-)Plan: "Wir wollen Italien unseren Rhythmus aufzwingen, die Initiative ergreifen und die Italiener mit unserem Spiel zurückdrängen", sagte der DFB-Coach: "Dann werden wir auch gut und stark sein."

Seit dem 0:0 am 31. Mai 1962 bei der WM setzte es in sechs Duellen mit Italien bei Welt- oder Europameisterschaften drei weitere Unentschieden und drei Niederlagen. Zuletzt hatten die Azzurri das deutsche Sommermärchen am 4. Juli 2006 durch ein 2:0 n. V. im Halbfinale jäh beendet.

Dieses Spiel sei aber kein Maßstab, "das hat keine Aussagekraft", verdeutlichte Löw: "Italien hat eine ganz andere Mannschaft, die sich enorm weiterentwickelt hat. Sie ist verjüngt, spielt einen anderen Fußball und ist verstärkt auf Offensive ausgerichtet."

Löw über Schweinsteiger: "Wir brauchen ihn auf dem Platz"



Vor allem haben die einstigen Defensivkünstler einen Spieler wie Pirlo in ihren Reihen, der selbst dem Bundestrainer Respekt abnötigt. "Er erlebt so etwas wie eine Renaissance. Nach 2010 hatte man eigentlich gedacht, dass er über das Alter hinaus ist. Aber er ist ein hervorragender Fußballer, ein genialer Stratege." Doch auch wenn Pirlo der DFB-Auswahl "weh tun kann", eine Manndeckung der italienischen Schaltzentrale sei "sinnlos". Man werde aber "gewisse Aufgaben verteilen, um ihn zu behindern".

Dies könnte insbesondere Sami Khedira und auch Schweinsteiger betreffen. Trotz aufkommender Zweifel an Schweinsteigers Fitnesszustand hat sich Löw klar für einen Einsatz des zuletzt leicht angeschlagenen Münchners ausgesprochen.

"Wir brauchen ihn auf dem Platz, er ist ein emotionaler Leader. Er ist mit seiner Ruhe am Ball, seiner Physis und seiner Präsenz auf dem Platz sehr wichtig für uns", sagte Löw. Auch dass Schweinsteiger selbst eingeräumt hat, ihm fehle derzeit die "Handlungsschnelligkeit", sieht Löw nicht als Problem: "Ich bin sicher, dass wir das hinbringen."

Özil und ein paar Fragezeichen



Damit steht für Donnerstag zumindest die Defensive. Offen ist dagegen die Besetzung der Offensive. Seinen Platz sicher hat nur Spielmacher Mesut Özil. Torjäger und Italien-Legionär Klose von Lazio Rom geht nach seinem Treffer im beim 4:2 im Viertelfinale gegen Griechenland (XL-Galerie) auch davon aus, "dass ich spiele". Er vertraue aber der Entscheidung von Löw, der "bisher ein gutes Händchen" gehabt habe. "Und wir haben zwei super Stürmer." Dennoch dürfte Klose (Chance genutzt) gegenüber dem dreifachen EM-Torschützen Mario Gomez erneut leicht im Vorteil sein.

Auf der rechten Außenbahn kämpfen Marco Reus und Thomas Müller um einen Platz, wobei Reus nach seiner jüngsten Vorstellung bessere Karten zu haben scheint. Links könnte dagegen der erfahrenere Lukas Podolski wieder den Vorzug vor Andre Schürrle erhalten.

Müller hat genug von 2. Plätzen



Dass Löw nicht auf die These "Never change a winning team" setzt, hatte er schon nach den drei Siegen im Viertelfinale bewiesen. Entsprechend stellte er auch vor dem Italien-Spiel klar, dass er "abwägen" muss. "Ich mache meine Aufstellung nicht vom letzten Ergebnis, sondern vom kommenden Gegner abhängig." Das einzige, so Löw, was immer gleich bleiben müsse, sei "unsere Philosophie".

Und die ist auf das große Ziel ausgerichtet: die Teilnahme am Finale am Sonntag in Kyiw. Mit der Planung für einen Empfang in Deutschland nach der EM will Löw (noch) nicht behelligt werden. Er habe Teammanager Oliver Bierhoff gebeten, ihn damit nicht zu stören. "Ich habe immer gesagt, dass wir nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen dürfen. Ich freue mich, wenn wir uns dann am Freitag gemeinsam ein paar Gedanken machen", sagte Löw.

Gedanken macht sich zumindest schon Bayern-Profi Müller über den Donnerstagabend hinaus: "Ich habe jetzt zwei Mal den Erfolg in der 'Königsklasse' knapp verpasst, in dieser Saison sind wir mit Bayern drei Mal Zweiter geworden. Das reicht jetzt langsam. Von 2. Plätzen habe ich genug." Und von den Geschichten über Pleiten gegen Italien auch.

Die voraussichtliche deutsche Aufstellung:



1 Neuer - 20 Boateng, 5 Hummels, 14 Badstuber, 16 Lahm - 7 Schweinsteiger, 6 Khedira - 21 Reus (13 Müller), 8 Özil, 10 Podolski (9 Schürrle) - 11 Klose