Im Alter von 43 Jahren läuft Klaus Fichtel das letzte Mal in der Bundesliga auf (Copyright: Imago)
Im Alter von 43 Jahren läuft Klaus Fichtel das letzte Mal in der Bundesliga auf (Copyright: Imago)

Die "Tanne" steht am längsten

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Klaus Fichtel ist der älteste in der 50-jährigen Bundesliga-Geschichte eingesetzte Spieler. Bei seinem offiziellen Abschiedsspiel am 26. August 1986 im Gelsenkirchener Parkstadion gaben ihm die drei Ehrenspielführer der Fußball-Nationalmannschaft Fritz Walter, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer die Ehre. Doch erst zum Ende der Saison 1987/88 trat Abwehrchef "Tanne“ Fichtel nach 522 Bundesliga-Spielen (davon 75 Spiele für Werder Bremen) und 23 Länderspielen von der großen Fußballbühne ab.

Kind des Ruhrgebiets

Die königsblauen Fans huldigten ihrem Idol, inzwischen 41 Jahre alt, für sein "Lebenswerk Bundesliga“ mit einem riesigen Transparent: "Der Wald stirbt - die Tanne steht!“ Trainer Fritz Langner hatte Klaus Fichtel, den er 1965 vom Verbandsligisten Arminia Ickern zum FC Schalke 04 holte, den Spitznamen "Tanne“ verpasst. Wegen seiner Namensähnlichkeit mit der Fichte wurde er künftig so gerufen. Aber damit war noch nicht Schluss. Nach seinem vierjährigen Gastspiel bei Werder Bremen kehrte Klaus Fichtel in der Saison 1984/85 wieder an den Schalker Markt zurück. Als Co-Trainer dachte der inzwischen 40-jährige nicht mehr an einen Einsatz auf dem Rasen. Doch nach dem Ausfall von Bernard Dietz beförderte ihn Trainer Diethelm Ferner wieder zum Abwehrchef. Im Alter von 43 Jahren bestritt "Tanne“ am 21. Mai 1988 gegen Werder Bremen wirklich sein letztes Bundesliga-Spiel.

Klaus Fichtel, geboren am 19. November 1944 in Castrop-Rauxel, arbeitete schon mit 14 Jahren auf Zeche Victor im Pütt. Erst als 20-Jähriger, kurz vor Beginn der dritten Bundesliga-Saison, hängte er seinen Beruf als Bergmann an den Nagel und wechselte als Profi für 1.200 DM Grundgehalt zum FC Schalke 04, der ebenso wie der Karlsruher SC nur durch die Aufstockung der Bundesliga von 16 auf 18 Vereine erstklassig blieb.

Die "Königsblauen" hatten mit dem Amateur-Spieler von nebenan ein Juwel entdeckt. Klaus Fichtel unterlief zwar bei seinem Bundesliga-Debüt am 14. August 1965 beim VfB Stuttgart ein Eigentor (0:1), aber danach gab "Tanne“ der Abwehr lange vermisste Stabilität zurück. Den Klassenerhalt schafften die Schalker nun allein auf sportlicher Ebene. Mit den Führungsspielern Klaus Fichtel und Klaus Fischer rückte S04 dauerhaft in das obere Tabellendrittel vor. In seiner gesamten Bundesliga-Karriere wurde der königsblaue Abwehrchef nur einmal vom Platz gestellt. "Aber die Rote Karte war nicht berechtigt“, stellt er noch einmal heraus.

"Tanne hat Fußball gelebt"


Beim entscheidenden WM-Qualifikationsspiel am 22. Oktober 1969 in Hamburg steuerten Klaus Fichtel und Vereinskamerad "Stan“ Libuda zwei Tore zum 3:2-Sieg bei. Bei Bundestrainer Helmut Schön zählte Klaus Fichtel bei der WM in Mexiko in allen fünf Begegnungen zum Stammpersonal. Weil aber der FC Schalke 04 in den Bundesliga-Skandal verstrickt war, wurde "Tanne“ nach seinem 23. Länderspiel gegen Polen vom DFB nicht mehr eingeladen.

Bei der Eröffnung der neuen Schalker Arena am 13. August 2001 sorgten vier lebende Legenden für einen weiteren emotionalen Höhepunkt. Klaus Fichtel, Klaus Fischer, Willi Koslowski und Manfred Kreuz pflanzten, begleitet von der Bergmannskapelle "Consolidation“, mehrere Rasenstücke aus der Glückauf-Kampfbahn nahe der Nordkurve ein, wo noch immer die treuesten Knappen stehen. Auch für seinen langjährigen Teamkameraden Klaus Fischer war Klaus Fichtel ein Vorbild: "Tanne hat Fußball gelebt. Er war ein Profi vom Scheitel bis zur Sohle. Auf ihn war immer hundert Prozent Verlass.“

Stammplatz in königsblauer Jahrhundertelf


Von seinen Fans ließ der FC Schalke 04 im 96. Jahr nach Vereinsgründung die Jahrhundertelf wählen. In der Abwehr dieser Mannschaft fand der heute in Waltrop wohnhafte Klaus Fichtel neben Olaf Thon und dem schon 2009 verstorbenen Rolf Rüssmann einen gebührenden Stammplatz. "Tanne“ kickte auch viele Jahre in der Schalker Traditionself mit.

"Jetzt ist er Rentner und kann sich noch intensiver um seine Traber kümmern“, berichtete Ehefrau Gabriele, am 7. Juni seit 40 Jahren mit ihm verheiratet, nach dem Ende seiner langjährigen Tätigkeit als Schalker Scout zum Ende der Saison 2009/10. Für die Vierbeiner hatte er sich schon als Profi begeistert. Auch seine Mannschaftskameraden Klaus Fischer und Rolf Rüssmann waren nicht nur Stammgäste auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen-Rotthausen, sondern auch Mitglieder einer Besitzergemeinschaft. Bei diversen Rennen saß Klaus Fichtel auch im Sulky. Während sich die anderen schon mal ein Pils gönnten, gab es für ihn nur ein Wasser und gelegentlich einen Eisbecher.

Klaus Fichtel, Anti-Alkoholiker und Nichtraucher, ist auch mit 68 Jahren noch fit wie ein Turnschuh. Unmittelbar nach Ende der 50. Bundesliga-Saison ging es zusammen mit seiner Gabriele in den Urlaub, aber nur sein Sohn weiß wohin sie gefahren sind. Denn in der schönsten Zeit des Jahres will "Tanne“ verständlicherweise nicht gestört werden…