Martin Stranzl absolvierte 189 Bundesliga-Spiele für Gladbach, Stuttgart und 1860 München
Martin Stranzl absolvierte 189 Bundesliga-Spiele für Gladbach, Stuttgart und 1860 München

"Die Neuen brauchen Ruhe"

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München - Es hat ein knappes Drittel der Saison gedauert, bis sich Borussia Mönchengladbach eingespielt hat. Trainer Lucien Favre musste experimentieren, weil die Neuzugänge Startschwierigkeiten hatten - das ist auch Abwehrrecke Martin Stranzl aufgefallen. "Der eine oder andere Spieler muss auf neuen Positionen ran", sagt der Österreicher, der zur Geduld mit Granit Xhaka und Co. aufruft: "Es ist vor allem bei jungen Spielern normal, dass die Abläufe nicht sofort sitzen."

Die richtige Mischung scheint vor dem Spiel gegen Stranzls Ex-Club und Europa-League-Mitkonkurrent VfB Stuttgart gefunden: Patrick Herrmann wirbelt auf der Reus-Position, Thorben Marx schließt im defensiven Mittelfeld die Lücke, die Roman Neustädter hinterlassen hat. Gladbach setzt auf Altbewährtes - und hat wieder Erfolg.

Nach sieben Punkten aus den letzen drei Spielen kratzen Stranzl und Co. wieder an den internationalen Plätzen. Mit bundesliga.de spricht der 32-Jährige über Gladbachs Zielsetzung, die offensive Flexibilität nach Reus' Abgang, das Match gegen den VfB und seine Zukunft.

bundesliga.de: Herr Stranzl, nach etwas holprigem Start scheint sich die Borussia mittlerweile gefangen zu haben und hat aus den letzten drei Spielen sieben Punkte mitgenommen. Wieso läuft es jetzt besser?

Martin Stranzl: Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir ein bisschen Geduld brauchen. Wir hatten einige neue Spieler zu integrieren, das geht nicht so schnell. Vor allem das Umschaltspiel funktioniert jetzt wieder besser. Wir werden nicht mehr so schnell nervös, wenn wir ein Tor kassieren, sondern versuchen weiter, ruhig zu spielen. Vorher wollten wir immer sofort den Ausgleich und sind nach vorne gestürmt. Jetzt haben wir wieder mehr Kontrolle, mehr Ordnung.

bundesliga.de: Trainer Lucien Favre setzte in den letzten Spielen vor allem auf bewährte Kräfte wie Thorben Marx oder Mike Hanke. Neuzugänge wie Granit Xhaka, Luuk de Jong oder Branimir Hrgota tun sich dagegen noch schwer. Brauchen sie noch Zeit?

Stranzl: Wenn du aus einer anderen Liga in die Bundesliga kommst, dauert die Umstellung eine gewisse Zeit. Es ist vor allem bei jungen Spielern normal, dass die Abläufe nicht sofort sitzen und die Philosophie des Trainers nicht direkt verinnerlicht werden kann. Diesen Spielern gehört dennoch die Zukunft. Bis dahin wechselt man eben etwas durch oder versucht, auf Altbewährtes zurückzugreifen. Die Neuen brauchen Ruhe, dann können sie sich besser entwickeln. Im Moment sind die Punkte das Wichtigste, und umso mehr Punkte wir haben, desto mehr Ruhe haben auch die Neuen.

bundesliga.de: Elf verschiedene Torschützen hat Gladbach in dieser Bundesliga-Saison bereits. Ist es - bei aller Enttäuschung über den Weggang von Topscorer Marco Reus - ein Vorteil, dass Ihr Team jetzt schwerer auszurechnen ist?

Stranzl: Wir mussten das Spiel ja umstellen. Es ist wichtig, dass du variabel spielst und mehrere Optionen hast. Es dauert eine gewisse Zeit, dass das funktioniert. Der eine oder andere Spieler muss auf neuen Positionen ran. Aber eigentlich ist es sowieso egal, wer die Tore schießt, Hauptsache, das Team hat Erfolg.

bundesliga.de: Auch die Abwehrspieler treffen fleißig, sie selbst stehen bei zwei Toren. Woran liegt's? Im Vorjahr traf einzig Filip Daems vom Punkt...

Stranzl: Wir trainieren oft Standardsituationen. Leider haben wir zwar da auch viele Gegentore bekommen, also mussten wir sowohl defensiv, als auch offensiv etwas machen. Es stimmt schon, dass die offensiven Standards letztes Jahr nicht so oft geklappt haben. Jetzt kommen sie wieder besser, das Einlaufen und die Abläufe passen. So kommen unsere guten Kopfballspieler zur Geltung, da wird es oft gefährlich.

bundesliga.de: Sie sprechen es an - das Team hat viele Gegentore bekommen, vor allem im Vergleich zum Vorjahr. Haben die Abgänge von Roman Neustädter und Dante die Defensive wirklich so geschwächt, oder gibt es eine andere Erklärung?

Stranzl: Gegen Bremen und Dortmund haben wir neun Gegentore bekommen. Das waren zwei Spiele, bei denen wir eigentlich gut angefangen hatten, aber zu viel wollten. Dann haben wir die Ordnung verloren sind auseinander gefallen. Wenn man die wegrechnet, ergibt sich ein anderes Bild. Aber es stimmt schon, dass wir zu viel zugelassen haben. Das Umkehrspiel hat nicht so geklappt, man hat zu offensiv gedacht und die Bindung zwischen Mittelfeld und Verteidigung ging etwas verloren. Das hat Roman im letzten Jahr sehr gut ausgeführt und macht es jetzt auch auf Schalke hervorragend. Da sieht man, wie wichtig es ist, dass du einen Spieler vor der Abwehr hast, der den Ball schon abfängt, bevor es gefährlich wird. Da ist dann auch für die Verteidigung die Arbeit einfacher.

bundesliga.de: 16 Punkte hat das Team jetzt auf dem Konto und liegt in Reichweite der internationalen Plätze. Was ist drin für die Borussia in dieser Saison?

Stranzl: Unser Ziel ist nach wie vor, 26 Punkte in einer Halbserie zu holen. Damit haben wir auch vor zwei Jahren noch die Relegation erreicht. Das sollte unser Maßstab sein, das konstant zu wiederholen. Damit hättest du eine stabile Basis, und mit einem Ausreißer nach oben wie in der letzten Hinrunde hättest du mit 26 mal zwei, also 52 Punkten, nach oben alle Chancen auf eine internationale Teilnahme. Wir hatten eine schwierige Phase, aber haben uns jetzt gefangen. Wir haben noch alle Möglichkeiten, dass wir da wieder ran kommen.

bundesliga.de: Wie lange bleiben Sie noch? Sie haben bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass Sie nach dieser Spielzeit Schluss machen wollen. Gibt es schon eine Tendenz, ob Sie nicht doch noch ein Jahr dran hängen?

Stranzl: Es ist so vereinbart worden, dass ich dem Verein bis zur Winterpause Bescheid geben soll, falls ich es mir überlegen sollte, noch ein Jahr dran zu hängen. Der Club muss selbstverständlich auch planen. Eine Tendenz gibt es noch nicht, für mich hat sich die Ausgangslage ja nicht verändert.

bundesliga.de: Am Samstag geht es zu Ihrem Ex-Team VfB Stuttgart. Gibt es noch jemanden im Verein, den Sie aus Ihrer Zeit dort kennen?

Stranzl: Ich habe mit Sportdirektor Jochen Schneider noch Kontakt, per Nachricht oder Telefongespräch. Wir haben uns schon damals super verstanden. Den einen oder anderen Spieler kenne ich auch noch, aber die meisten sind nicht mehr da.

bundesliga.de: Was für eine Partie erwarten Sie?

Stranzl: Wir haben jetzt sieben Punkte aus drei Spielen geholt, daran wollen wir natürlich anknüpfen, speziell zuhause wollen wir diesen Trend bestätigen und einen weiteren Schritt nach vorne machen. Es wird sicherlich ein Geduldsspiel werden. Stuttgart liegt auch in Reichweite, und der VfB will die letzte Heimniederlage gegen Hannover wieder gutmachen. Es wird eine schwere Aufgabe, aber wir gehen sie konzentriert an.

bundesliga.de: In der Europa Leauge haben Sie alles selbst in der Hand, liegen punktgleich mit Marseille (je fünf Punkte, d. Red.) auf Rang 2. Wie sehen Sie die Chancen in der Gruppe?

Stranzl: Gegen Limassol (Tabellenletzter mit einem Punkt, d. Red.) musst du zuhause natürlich gewinnen. Dann müssen wir schauen, wie Marseille gegen Istanbul (Tabellenführer mit zehn Punkten, d. Red.) gespielt hat. Im letzten Spiel bei Fenerbahce könnte es dann einen echten Showdown geben, da ist noch ordentlich Spannung drin.

Das Gespräch führte Christoph Gschoßmann